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Unzufrieden, mangelndes Selbstwertgefühl und depressiv

S
Hallo,

bin zufällig auf diese Seite gestoßen, da ich mich an einem verregneten Sonntag mal wieder in einem Tief befinde und im Internet nach Hilfe gesucht habe. Gerne würde ich einfach mal bisschen erzählen und mich anschließend über Meinungen oder Tipps dazu freuen. Ist vermutlich auch eine gute Idee alles einfach mal aufzuschreiben.

Ich bin männlich und Ende 20. Insgeheim war ich schon immer der emotionale Typ, hab das aber in meinem Freundeskreis selten gezeigt. Auf dem Papier sieht mein Werdegang so aus, als hätte ich immer einen genauen Plan gehabt. Mittlere Reife Ausbildung - Fachabitur Studium Neuer Beruf.

Obwohl ich noch relativ jung bin, bin ich schon sehr häufig umgezogen. Erst wegen dem bereits erwähnten Fachabitur, dann wegen dem Studium und anschließend wegen des neuen Berufs.
Rückblickend gesehen war der Grund für einen Umzug meist aufgrund von äußeren Faktoren, obwohl ich mir das damals nicht eingestanden habe.

Beim ersten Mal war es die Beziehung die zu Ende war und ich einfach nur aus meinem Heimatort weg wollte und beim zweiten Mal war es das fehlende soziale Umfeld (Studium war vorbei und mein Freundeskreis hat sich vor Ort aufgelöst).

Der Gedanke, mein Leben umzukrempeln und in einer neuen Stadt neu zu starten hat mir immer sehr viel Kraft gegeben. Dies hat beim ersten Mal auch super funktioniert.
Gegen Ende meines Studiums wurde ich jedoch das erste Mal so richtig mit dem Thema Depression konfrontiert. Auslöser war vermutlich die Beziehung, welche von meiner Partnerin beendet wurde im Zusammenhang mit einer Überlastung im Studium.
Frauen sind so ein Thema bei mir und vermutlich eine Erwähnung wert. Ich denke das hängt viel mit meinen depressiven Phasen zusammen.

Bisher klingt es in meiner Story auch so, als hätte ich nie Probleme mit dem Finden einer Partnerin gehabt. Sei es für eine Beziehung oder rein S.. Dies ist jedoch nicht der Fall. Obwohl ich (das soll bitte nicht als arrogant aufgefasst werden) immer recht sportlich war und rein äußerlich auch gut bei Frauen ankam, hatte ich da immer meine Probleme. Klingt vermutlich lächerlich für viele, aber ich habe viele Gelegenheiten S. zu haben ausgeschlagen, da ich immer Angst hatte, die Frau zu enttäuschen oder keine gute Leistung zu erbringen. Oft hat es mir für mein Selbstwertgefühl dann einfach gereicht, dass jemand theoretisch Interesse an mir hätte, ohne diesen Schritt dann tatsächlich zu gehen. Dieses mangelnde Selbstwertgefühl hat sich dann auch in meinen Beziehungen wiedergespiegelt. Oft habe ich mich anders verhalten, da ich das Gefühl hatte, meinem Gegenüber nicht alles bieten zu können. Dieses ständige Gefühl hat sich wahrscheinlich dann auf meine Partnerin projiziert, weswegen sie schlussendlich die Beziehung beendet haben.

Diese Gefühle kommen vermutlich aus dem typischen Männerfreundeskreis, wo Erzählungen über Errungenschaften an der Tagesordnung stehen und einem noch mehr das Gefühl vermittelt wird, nicht genug zu sein, wenn man eben nicht so ist. Eigentlich wollte ich da immer einfach außen vor sein und einen liebevollen Partner haben, was jedoch bis dato nicht funktioniert hat. Habe nun schon eine lange Zeit einfach keinen Kontakt mehr mit einer Frau gehabt. Es wird auch Monat für Monat schwieriger, Kontakt aufzubauen. Habe das Thema so bisschen aufgegeben, da es einfach immer wieder auf eine Enttäuschung hinaus läuft.

Jedenfalls bin ich nach dieser Beziehung und der großen Last im Studium in ein ziemliches Tief gefallen. Hier habe ich dann nach Vorschrift einen Hausarzt aufgesucht, welcher mich auch super betreut hatte. Mithilfe von Citalopram war ich einige Monate lang richtig glücklich und konnte mein Studium beenden. Jedoch habe ich auch an Gewicht zugelegt und habe mich so gefühlt, als sei ich gerade nur wegen des Medikaments glücklich. Habe es ein Jahr lang genommen und dann unter Qualen abgesetzt. Hatte richtige Entzugserscheinungen und mehrere Anläufe benötigt. War dann aber recht zufrieden mit mir, als ich es endlich los war und wieder das Gefühl hatte, ich selbst zu sein.

Anschließend habe ich nach meinem Studium erneut auf die Chance einer neuen Stadt und einem neuen Beruf gebaut um endlich mein Leben in geordnete Reihen zu bringen: Eigene Wohnung, Freundin, Auto, neuer Freundeskreis usw usw.
Dies ist jedoch nach einem Jahr nicht eingetreten. Obwohl ich eine sehr schöne Wohnung, einen Firmenwagen habe und in einer coolen Stadt wohne, bin ich unheimlich unzufrieden. Mein Job stresst mich und macht überhaupt keinen Spaß. Habe aufgehört regelmäßig Sport zu machen und fühle mich mit meinem Aussehen unwohl. Ich stelle meine Berufswahl grundsätzlich in Frage und habe keine Alternative, was ich sonst beruflich machen könnte. Ich habe mir wohl immer selbst vorgegaukelt ein Businesstyp zu sein und Karriere zu machen. Bin aber dafür einfach nicht der Typ. Es fühlt sich so an, als würde ich feststecken. Einfach kündigen geht finanziell nicht, da das Arbeitsamt eine Sperre von bis zu 3 Monaten verhängen würde. Das könnte ich finanziell nicht stemmen.

Der Punkt, an dem ich mich befinde, lässt sich vielleicht mit dem Satz: Wofür mache ich diese ganze sch. eigentlich? beschreiben. Ich bin es so leid, ständig Sachen zu versuchen und es verbessert sich einfach nichts. Ich bin ständig auf der Jagd nach einem Stadium der Zufriedenheit und Geborgenheit. Die letzten Jahre habe ich immer damit verbracht, Sachen zu tun die mich eventuell in der Zukunft an einen Punkt bringen, endlich mal angekommen zu sein und glücklich zu sein. Ich verstehe einfach nicht, was ich falsch mache.

Zum Schluss wäre vielleicht noch erwähnenswert, dass ich eine großartige Familie habe, die mich in meinen Phasen immer unterstützt hat und auf die ich für emotionalen Support immer zurückgreifen kann. Jedoch möchte ich sie auch langsam einfach nicht mehr damit belasten. Ich weiß, dass das Problem einfach bei mir liegt und es von Menschen aus meinem Umfeld einfach nicht behoben werden kann. So ehrlich wie in diesem Thread war ich jedoch auch noch zu niemandem. (Behaltet es also für euch ).

Vielleicht hat jemand die Zeit und die Lust etwas dazu zu schreiben. Würde mich wirklich freuen.

28.06.2020 13:14 • x 3 #1


K
Hallo, und willkommen bei uns,

ich möchte Dir zuerst einmal sagen, dass Du nicht allein bist. Bei mir sieht es ganz ähnlich aus, nur dass sich meine Lebens- Uhr schon etwas weiter gedreht hat und ich mittlerweile nicht mehr Ende 20, sondern Anfang 40 bin. Aber auch ich kenne das, das ständige Drehen an Stellschrauben, weil man unzufrieden, mehr noch als das, kreuzunglücklich ist, und trotzdem tut sich nichts. Man strampelt und strampelt und versucht mal hier, mal da etwas zu ändern, zu verbessern, sein zu lassen - aber die Grundstimmung bleibt die gleiche. Mit einem Unterschied: Früher habe ich immer noch mit der Hoffnung auf ein besseres Morgen gelebt - dies ist leider mitterweile nicht mehr ganz so. Das Glas ist nicht mehr halb voll, sondern halb leer.

Ich bewundere (und beneide) Menschen, die von Beginn an wissen, was sie tun wollen und welcher Partner und welche Lebensentscheidungen die richtigen sind. Das sind aber nur ganz wenige, oder aber sie hinterfragen nicht so furchtbar viel. Ist Hinterfragen deswegen etwas Schlechtes? Wahrscheinlich ist auch hier das Maß auschlaggebend. Wenn man nichts anderes mehr tut, macht es einen kaputt. Ab und an mal hilft, den eigenen Kompass wieder zu kalibrieren und ggf. Dinge anzupassen - und anschließend glücklicher zu sein.

Ich hoffe, ich demotiviere Dich nicht, ich will aber auch nicht so tun, als hätte ich die Lösung. Die habe ich leider nicht. Ich kann Dir nur mit auf den Weg geben, dass es immer besser ist, an den Stellschrauben zu drehen und es zumindest zu versuchen. Ich zumindest empfinde so. Ich habe eine vielversprechende Karriere hingeworfen, weil ich irgendwann einfach nicht mehr wollte, weil ich sie als unethisch empfand. Und habe nochmal von vorn studiert. Und ich bin stolz darauf, das ich meinen Weg angepasst habe und es zumindest versucht habe, auch wenn danach für mich beruflich nicht der Himmel voller Geigen hing und es noch immer nicht tut. Und ich nun hier sitze und teilweise vor Selbstmitleid zerfließe, weil ich mal doch den Kerl von damals hätte nehmen sollen oder den und den Job nicht hätte ausschlagen sollen oder lieber mal von Anfang an das Richtige hätte studieren sollen... ich kann das stunden- und nächtelang. Gar kein Problem.

Vielleicht erkennt man schon aus dem obigen Absatz Folgendes, zumindest fällt es mir gerade auf: Perception is reality! Ich sehe meinen Karrierebruch als im Grunde positiv, also belastet er mich nicht (obwohl mir dadurch Unsummen an Gehalt durch die Lappen gegangen sind). Wenn ich zulasse, einer zerbrochenen Beziehung hinterherzuweinen, na klar, dann wäre dies der eine gewesen, und nun sitze ich mit der zweiten Garnitur da. Und die Leute, die immer genau wissen, was sie wollen und immer das Richtige tun, die sorgen im Grunde nur selbst dafür, dass sie die Realität so wahrnehmen, dass sie sie glücklich macht, in dem sie nicht alles über Gebühr zerdenken, sondern es einfach super finden, und dann ist es auch super.

Auch wenn diese Wahrheit so simpel und einprägsam ist, so ist es alles andere als leicht, danach zu handeln. Finde ich zumindest. Ich könnte meinen Therapeuten jedesmal ins Gesicht springen, wenn sie mir einbläuen wollen, einfach mal was positiv zu sehen und zu reframen, also Dinge in einen anderen Kontext zu setzen, so dass aus etwas Negativem etwas Positives wird. Und denke, na, Du machst es Dir aber echt einfach. Aber: Ich bin mir fast sicher, das es wirklich so einfach ist. Nur an der Umsetzung hapert es. Ich geb's ja zu.

Wenn ich Dich richtig verstehe, dann sehnst Du Dich nach einer Beziehung, aber es funktioniert nicht so richtig, aber auch eigentlich generell Kontakt. Das ist natürlich in der Jugend und im Studium einfach, da lernt man vollautomatisch permanent Leute kennen. Und das ist bei allem positive thinking so, es wird nicht einfacher. Die Kontakte werden weniger, es sei denn, man stemmt sich dagegen und geht raus, raus, raus. Und hier und da ist dann auch jemand dabei beio den leutchen, die sich draußen rumtummeln, mit dem man sich gut versteht. Bitte mach das unbedingt! Denn eines ist mal sicher: Es wird kaum einer bei Dir an die Tür klopfen und fragen, ob ihr nicht Freunde sein wollt. Die Wahrscheinlichkeit geht leider gegen Null, auch wenn das praktisch wäre.

Und mach auch Folgendes unbedingt, Dich nicht unter Druck zu setzen, was eine Partnerschaft angeht. Ich glaube, aber das gelingt Frauen noch ein bisschen besser in der Regel, die dann meinen, nun müsste aber langsam mal der Richtige kommen. Hat ja auch einen handfesten biologischen Hintergrund, finde ich also ganz bestimmt nicht verurteilenswert. Dennoch: Lieber Single und dann frei für die Richtige als jemanden festhalten und weitersuchen (diesen blöden Spruch kenne ich zumindest von Frauen).

Ich hoffe, es waren ein paar Gedanken dabei, mit denen Du etwas anfangen kannst, und ich hoffe, ich war nicht zu oberlehrerinnenhaft. Aber das wären so die Tipps, die ich meinem eigenen Ich mit Ende 20 geben würde.

Und eins noch: Top, dass Du zum Arzt gegangen bist, als es Dir richtig schlecht ging. Das kann nicht jeder von sich behaupten!

Liebe Grüße!

28.06.2020 16:12 • x 3 #2


Giraffe
Hallo Solala,

ich kann dich gut verstehen, mir ging es zum Teil auch ähnlich.

Ich war in einem Job festgehangen, der mich nicht ausfüllte weil ich etwas gelernt habe, was mich nicht sonderlich interessiert aber ganz von vorne anfangen kam aus finanziellen Gründen nicht in Frage zudem da auch die Frage war, was genau ich denn machen möchte. Darüber hab ich wirklich lang nachgedacht und kann es heut noch nicht abschließend sagen. Es gibt Interessen. Dies zum Beruf zu machen ist aber auch nochmal eine andere Nummer.

Ich habe mich so lange durchgeschlagen bis ich einen neuen, passenderen Job in meinem Terrain gefunden habe und auch erst gekündigt als der neue Vertrag unterschrieben war. Heute bin ich froh, dass ich die Entscheidung getroffen habe denn man geht kaputt wenn man tagein, tagaus etwas macht, was man eigentlich nicht leiden kann deshalb würde ich an deiner Stelle einfach die Augen bei freien Stellenanzeigen halten und anhand der Aufganenbeschreibung gucken, ob vielleicht etwas ähnliches möglich und befriedigender wäre. So musst du nicht von vorne anfangen.

Pünktlich 1, Job war geschafft bzw. Eigentlich war Punkt 1 mein Freund, von dem ich mich nach acht Jahren trennte. Also Punkt 2 Job. Wenn auch nicht die Erfüllung aber definitiv akzeptabler als der damalige und mit besseren Arbeitsbedingungen- das macht auch viel aus.

Punkt 3 Wohnung. Ich hatte mir damals vor 3 Jahren als ich auszug die kleine Wohnung gesucht, in der ich jetzt noch wohne. Am Anfang war ich froh überhaupt ein Dach über den Kopf zu haben aber mittlerweile fühle ich mich nicht mehr wohl vor allem weil ich keinen Balkon/Terasse habe.
Jetzt drückt es gewaltig auf die Stimmung und ich ziehe wieder um - habe noch weiter zur Arbeit aber das Haus ist so wie ich es mir vorstelle. Daher nehme ich den Weg in Kauf.

An was ich bei dir noch dachte ist, in welcher Stadt bzw an welchem Ort hast du dich denn bisher am wohlsten gefühlt?
Denn ich glaube dass spielt eine sehr wichtige Rolle noch bevor man sich eine Arbeit sucht. (Sofern es natürlich in deinem Bereich dort auch Möglichkeiten zum Arbeiten gibt)

Soziale Kontakte habe ich bisher keine aber das liegt auch sicher daran, dass ich nicht rausgehe. Zu mir kommt sicher niemand von alleine. Ich habe meinen Freund und das reicht mir. Aber ich glaube auch, wie Kürsche es schon sagte, wenn du aktiv rausgehst, z.B. in Sportvereine oder was dir Spaß macht, lernst du auch wieder neue Menschen kennen. Sicher auch auf einer möglicherweise neuen Arbeitsstelle.

Es ist anstrengend immer wieder neu anzufangen wenn man eigentlich nur ankommen möchte, ich weiß. Mich hat das damals in ein tiefes Loch fallen lassen aber dir geht es ja zum Glück schon so gut dass du deine Medikamente absetzten könntest. Das ist doch prima!
Ich würde in kleinen Schritten anfangen, eins nach dem Anderen was noch nicht passt für dich, ändern. Gib nicht auf. Es kommen auch immer neue Sachen mit denen man gar nicht rechnet. Ich drück dir die Daumen.

28.06.2020 20:49 • x 2 #3

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