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Vom Mut, es MIR endlich recht zu machen!

J
Hallo
mein Name ist Julia und ich bin 31 Jahre alt. Eigentlich bin ich ein echter Glückspilz. Glückliche Kindheit, tolles Elternhaus mit starken Vorbildern, musikalisch sehr begabt, intelligent. kurzum: so wie man sich das eigentlich wünscht. Sorry, das klingt arrogant, ich weiß. Aber ich denke es ist wichtig fürs Verständnis.
In meiner Pubertät wurde Epilepsie diagnostiziert. Das war schlimm, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass es mich allzu sehr einschränkt oder ausbremst.
Ich begann mit 17, neben meiner Ausbildung, zusätzlich Geld an den Wochenenden mit Musik zu verdienen. War die erste in meiner Familie die nach ihrer Ausbildung studiert hat und weil ich immer sehr aktiv und engagiert war, übte ich stets mindestens 3 Ehrenämter im musikalischen Bereich aus. Es war toll! Ich sprühte vor Energie und hatte das Gefühl alles schaffen zu können. Alle mochten mich und waren gern mit mir zusammen. Das war ein tolles Gefühl!

Gegen Ende meines Studiums war meine Stimme plötzlich weg! Keine organische Ursache. Selbst die Spezialisten waren ratlos. Um weiterhin unabhängig zu bleiben, nahm ich 3 Nebenjobs an. Unter anderem einen Aushilfsposten in einer sozialen Einrichtung. Mir gefiel es dort. Nach ein paar Wochen fiel die zuständige Einrichtungsleitung aus und mir wurde der Posten angeboten. Obwohl ich mitten im Staatsexamen steckte, wollte ich nicht nein sagen, denn so eine Chance/ Herausforderung kommt nicht jeden Tag. Also arbeitete ich tagsüber und lernte nachts. Meine Ehrenämter quetschte ich irgendwie dazwischen. Durchhalten! Bald wird es leichter!, sagte ich mir immer wieder. Das Examen war vorbei und ich hatte bestanden ABER die Einrichtung die ich leitete wurde zu klein und ich musste eine Zweigstelle aus dem Boden stampfen. Und wieder: Durchhalten Bald wird es leichter!.

Im März 2020 schrie mein Körper dann geradezu STOPP! Schwindel, Depression, Anspannung, innere Unruhe, Kopf-/ Nacken- und Rückenschmerzen, Konzentrationsstörungen, Erschöpfung, Schlafstörungen und Panikattacken. Alles zu einer Zeit, in der endlich mal alles ruhiger lief. Zu spät!

Mein Körper hatte verlernt sich zu entspannen und ich, ich hatte verlernt NEIN zu sagen.

Nach vielen erfolglosen Arztbesuchen, fand ich jemanden der mir helfen konnte. Ich ging in eine psychosomatische Klinik, um mein Leben zurück zu bekommen. War auch danach noch krankgeschrieben.

Dort habe ich den Kern meines Problems erkannt: Ich war ein richtiger JA-Sager geworden. Ich wollte es allen um mich herum recht machen und konnte es nicht aushalten, durch ein NEIN meinerseits, auf Ablehnung zu stoßen. Wenn mich Menschen um etwas baten - und das werden viele, wenn erst mal klar ist, dass du nie nein sagst - sagte ich grundsätzlich JA, ohne vorher zu überlegen, ob ich das KANN oder WILL. Ich machte es einfach möglich. Ich musste in allem perfekt und die BESTE sein. Anerkennung war überlebenswichtig. Zuzugeben überfordert zu sein ein No-Go.

Jetzt, ein Jahr später, will ich mein altes Leben gar nicht mehr zurück. Es ist anstrengend! Gefühlt muss ich mich in jeder Situation erstmal fragen: Will und kann ich das? und mich gleich darauf überwinden NEIN zu sagen. Ich muss extrem auf meinen Körper achten und Pausen einlegen, auch wenn sie grade völlig unpassend sind/wirken. Situationen, die ich früher mit links gemeistert habe, überfordern mich jetzt. Es hat mich viele Tränen und einen ganzen Monat! gekostet mich dazu durchzuringen, eine Bewerbung zu schreiben und damit den ersten Schritt zum neuen Job zu wagen. Aber es wird von Woche zu Woche besser. Obwohl es also wahnsinnig anstrengend ist, will ich mein altes Leben nicht wieder. Ich will es endlich MIR SELBST recht machen!

Wer kennt's? Oder wem geht's vielleicht sogar ähnlich?

Liebe Grüße

04.03.2021 18:47 • x 4 #1


T
Tja... Also ich kann Grenzen gut abstecken.

Aber das mit der Stimme hab ich nicht so ganz kapiert. Du kannst nicht mehr sprechen?

04.03.2021 21:18 • #2


A


Hallo Juleston,

Vom Mut, es MIR endlich recht zu machen!

x 3#3


J
Zitat von Traumwelt:
Tja... Also ich kann Grenzen gut abstecken. Aber das mit der Stimme hab ich nicht so ganz kapiert. Du kannst nicht mehr sprechen?



Das freut mich für dich. Ich konnte es bis vor kurzem leider nicht sonderlich gut. Richtig, meine Stimme war kurzzeitig ganz weg. Die Brust-/ Rufstimme ist nach wie vor stark eingeschränkt. Das heißt, ich kann mittlerweile problemlos lauter sprechen und leise und entspannt singen, wenn ich allerdings laut nach meinem Mann rufen möchte, blockiert die Stimme nach wie vor. In der Klinik sagte man mir, das sei sozusagen schon das 1. Stoppsignal des Körpers gewesen.

04.03.2021 22:06 • x 1 #3


T
Hat alles Vor- und Nachteile. Wenn du Grenzen stets absteckst und klar kommunizierst, nehmen manche das als Anlass, hinter deinem Rücken zu reden und sie probieren dennoch, ihren Willen zu kriegen. Naja, aber auch da setz ich Grenzen.

Das ist heftig. Gerade wenn man Spaß an Musik hatte. Hast du auch was aufgenommen und was genau singst du? Also Genre.

04.03.2021 22:40 • #4


J
Zitat von Traumwelt:
Hat alles Vor- und Nachteile. Wenn du Grenzen stets absteckst und klar kommunizierst, nehmen manche das als Anlass, hinter deinem Rücken zu reden und sie probieren dennoch, ihren Willen zu kriegen. Naja, aber auch da setz ich Grenzen. Das ist heftig. Gerade wenn man Spaß an Musik ...


Ich habe fast 10 Jahre in einer Coverband und anderen Ensembles so ziemlich jede Art von Veranstaltung gesungen. Große Volksfeste, Hochzeiten, Galas etc. War schon heftig. Von 100 Auftritten im Jahr auf 0. Das war schon auch ein Punkt, den ich laaaange verdrängt hab.
Ja, hab auch Aufnahmen. aber hauptsächlich Demos, die ich an Bands als Hörprobe verschickt habe, die mich als Aushilfe buchen wollten. Die wenigen Aufnahmen von eigenen Songs sind ziemlich stümperhaft

04.03.2021 22:51 • x 1 #5


T
Zitat von Juleston:
Ich habe fast 10 Jahre in einer Coverband und anderen Ensembles so ziemlich jede Art von Veranstaltung gesungen. Große Volksfeste, Hochzeiten, Galas etc. War schon heftig. Von 100 Auftritten im Jahr auf 0. Das war schon auch ein Punkt, den ich laaaange verdrängt hab. Ja, hab auch Aufnahmen. aber ...

Cool. Ich meld mich mal per PN, damit dein Thread nicht so vom eigentlichen Thema abkommt. Beim Thema Musik kann ich nicht anders, sorry.

04.03.2021 22:58 • #6


O
Zitat von Juleston:
Wer kennt's? Oder wem geht's vielleicht sogar ähnlich?



Jaaaaa! Ich!

...aber ich habe viel länger gebraucht, das zu verstehen. Auch heute kann ich es oft kaum glauben, was da mit mir passiert ist.

Und ich finde dieses Abwägen, was ich tatsächlich will oder nicht sehr sehr schwer.
Es nervt, immer erst nachdenken zu müssen, was man will oder kann. Immer auf der Hut sich nicht zu überfordern und dennoch oft erst viel zu spät zu bemerken, dass man seine eigenen Grenzen wieder mal überschritten hat.

Für mich eine (Über-)Lebensaufgabe...

04.03.2021 23:42 • x 3 #7


J
Passiert mir auch noch. Und wenn ich mal so richtig ignorant und unachtsam bin, muss ich es meist mit einer mittlerweile nur noch leichten Panikattacke büßen das ist aber wiederum so schrecklich für mich, dass es mich anspornt dran zu bleiben. Es ist schön, wenn man nach Monaten auf der Couch sitzt und plötzlich bemerkt, dass man für einen kurzen Augenblick völlig entspannt war. Diese Momente werden häufiger und das gibt Kraft und lässt durchhalten

04.03.2021 23:54 • x 1 #8


E
Grenzen setzen und mit Ablehnung / Unverständnis umgehen? Genau mein Thema. Das ist großartig gekoppelt mit Schuld/Verantwortungsgefühl.

Ich bin erst in den Anfängen und versage oft kläglich.

Stimmverlust kenne ich zwar auch, aber durch eine Lähmung des rechten Stimmlappens. Mir wurde bei einer OP 2017 versehentlich der Nerv für eben jenes durchtrennt. Nach über einem Jahr Therapie konnte der linke Stimmlappen allerdings aufschließen und mittlerweile klappt sogar singen wieder ( naja .. so ein bisschen. Meine Stimme ist wesentlich tiefer geworden- aber damit lebe ich.

Mit den Grenzen setzen: ich schau hier bestimmt ab und an rein - vielleicht erzählst du ja noch etwas über das wie

05.03.2021 04:27 • x 3 #9


A


Hallo Juleston,

x 4#10


J
Hallo zusammen

nach vielen Wochen, in denen ich - für meine Verhältnisse - relativ ausgeglichen war und wirklich achtsam mit mir umgegangen bin, hauen mich die letzten zwei Wochen echt fast um.

Ich habe für mich festgestellt, dass soziale und emotional belastende Situationen mit Konfliktpotenzial für mich am schlimmsten sind. Deshalb hab ich mich auch in kleinen Schritten, immer wieder in solche begeben bzw. bin ihnen nicht ausgewichen, um genau das zu trainieren. Aber momentan ist es enorm schwierig für mich.

In den letzten Tagen gab es Konflikte zwischen meinen Mitarbeitern, die ich so nicht stehen lassen konnte und schlichtend eingreifen musste. Alleine das war schon eine totale Überwindung für mich. Nach einem offenen Gespräch mit allen Beteiligten, in dem ich doch deutlicher als sonst den Chef raushängen lassen musste, war ich zwar stolz aber auch erschöpft und angespannt. Denn jetzt muss ich eben den Unmut einiger aushalten, was mir immer wahnsinnig schwer fällt.

Richtig schlimm war es aber erst heute. Ich arbeite im Kinder- und Jugendbereich und musste bzw. habe mich dazu entschieden, Meldungen beim zuständigen Amt zu machen. Ich weiß, dass es völlig berechtigt war und ich eine gesetzliche Verpflichtung dazu habe alles zu melden, was das Kindeswohl gefährden könnte, aber es ist dennoch hart. Vor allem, weil es für mich das erste Mal überhaupt war. Wenn ich an die Konfliktsituationen denke, die daraus resultieren können, wird mir ganz schlecht. Auch Angst spielt eine Rolle, da betreffende Personen meiner Meinung nach durchaus großes Aggressionspotenzial haben.

Zum ersten Mal seit langer Zeit, spüre ich wieder dieses innere Vibrieren und kann partout das Grübeln und diese Gedanken nicht abstellen.

Ich werde es jetzt mit einer Yogaeinheit und etwas Meditation versuchen. Hat jemand noch andere Tipps oder Ratschläge?

Liebe Grüße

Jules

16.04.2021 18:24 • #10

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