Du deutest schlimme Erlebnisse in der Kindheit an. Demnach scheint es triftige Gründe für Deine seelische Verfassung zu geben.
Mich würde ja interessieren, welches Reservemedikament Du bekommst.
Es gibt so vieles, was man probieren kann. Ketamin, Dopaminagonisten (Parkinsonmedikamente) und auch Opioide.
Schmerzbedingt nehme ich Opioide. Sie wirken so gut, dass sie nahezu notwendigerweise in die Abhängigkeit führen.
Denn für die Stimmungsaufhellung würde man die Dosis - bei täglicher Einnahme - erhöhen müssen.
Ich bin sehr vorsichtig, lehne Medikamente wegen Giftigkeit grundsätzlich ab. Ich nehme nur wenig und nur tageweise. Die Pausen sind dann extreme Stimmungstiefs. Abmildern kann man es durch Ausschleichen. Und bei niedriger Dosis ist der Schritt zu null mg ja recht nah.
Vor dem Hintergrund habe ich oft folgende Gedanken:
Ideal ist die Metapher mit dem halb-vollen und halb-leeren Wasserglas.
Ohne diese Medikamente - bzw. im Entzug/den Pausen betrauere ich nicht nur das halb-leere Wasserglas - sondern schon eines, dem ein kleines bisschen Wasser fehlt.
In diesem Zustand trauert/fühlt man alles Negative, was einem im Leben widerfahren ist. Man ist ihm gewissermaßen ausgeliefert. Versuche, an Positives zu denken, scheitern und verblassen im Vergleich zu dem Pech, dem Unglück, das einem begegnet ist. Und wenn man sich noch so sehr zwingt, an diese positiven Aspekte des Lebens zu denken, sich abzulenken, so gelingt dies allenfalls kurz. Und die Abwägung der Pros und Cons führt zu dem Ergebnis, dass die Cons, die Verletzungen stark überwiegen. Und selbst wenn es einem gelingt, kurz an Positives zu denken - man fühlt es nicht.
Unter Medikamenten ist es verschieden. Es kommt auf die Dosis an und auch auf die Länge der vorangegangenen Pause. Manchmal versetzen sie mich eher nur in die Lage, positiver zu denken/fühlen. So ändert sich dann alleine, Zuhause - ohne Begegnungen, Aktivität - nicht so viel.
Aber oft steigert sich der Antrieb und ich unternehme etwas, gehe zB in die Stadt. Ich habe bemerkt, dass ich dann oft mehr kaufe. Ich sehe eine Orchidee oder - zur Zeit - eine Hyazinthe - und empfinde ihre Schönheit...
Ich denke und fühle diese Verletzungen der Vergangenheit dann nicht mehr und werde durch Positives abgelenkt.
Und wenn ich an Negatives denke - so registriere ich das eher als Fakt - aber das sonst notwendigerweise (normale?) negative Gefühl ist allenfalls andeutungsweise zu spüren/fühlen.
Anders als andere Depressive würde ich nie sagen, dass ich gar nichts mehr fühle. Mein Leben ist dann eher eine - ewige - Trauerweide... Ich denke, einige meinen wohl auch nur die abhanden gekommenen positiven Gefühle.
Mein persönliches Abwägungsergebnis - ewige Deprimiertheit (aus guten, sehr nachvollziehbaren Gründen) oder ab und zu ein positiver Tag - trotz der Konsequenz von extremer Deprimiertheit beim Abdosieren - ist klar.
Mir helfen einige sonnige Tage. Sie geben mir Hoffnung, ich schöpfe Kraft.
Die gängigen Antidepressiva erhöhen die bekannten Neurotransmitter. Man findet auch wissenschaftliche Artikel, die vermuten, dass Depressive weniger Opioidrezeptoren haben und über Opioide nachdenken.
Dann die Theorie mit Gehirnentzündungen. So haben viele Allergiker Depressionen.
Die Ursachen sind sehr wahrscheinlich vielfältig.
Auch Kinder von Müttern, die in der Schwangerschaft geraucht haben - wie bei mir - sind u.a. Depressionen häufiger...
Irgendwie schwierig finde ich zudem, dass Depressionen nach schwerwiegenden Erlebnissen - insbes. in der Kindheit - normal bzw. zu erwarten sind. Und da es Teufelskreise gibt, haben viele ja gesellschaftlich - partnerschaftlich/beruflich/finanziell eine ausweglose Situation. Also auch irgendwie keinen wirklich überzeugenden Grund, glücklich oder auch nur zufrieden zu sein...
Trotzdem - es wäre natürlich fantastisch, wenn es Möglichkeiten gäbe, die diese vermuteten Veränderungen im Gehirn rückgängig machen können.
Ich würde nicht aufgeben. Es laufen Studien zur transkraniellen Magnetstimulation (TMS abgekürzt). Bald könnte es Kassenleistung sein.
Ganz Mutige entscheiden sich für die EKT ua mit dem Risiko Gedächtnisstörungen.
Und spontan muss ich an Menschen denken, die unfallbedingt Gedächtnisstörungen und danach eine völlig andere Persönlichkeit haben. Nicht immer zum Nachteil.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob man durch das ewige Erzählen schlimmer Erinnerungen irgendwann geheilt werden kann. Ich sehe auch das Problem, dass es alles aufwühlt.
Andererseits hat eine - gefährliche - Sekte damit scheinbar Erfolge. Jedenfalls konnte man in bildgebenden Verfahren nachweisen, dass die Gehirnareale nach endlosen Gesprächen über die Traumata allmählich nicht mehr so stark aktiviert waren.
Insofern stellt sich die Frage, ob es zu wenig Psychotherapie sein könnte und man auf halbem Wege zur Genesung plötzlich ohne Therapie ist.
Eine mögliche Lösung wäre dann, es aufzuschreiben. Z.B. in einem Tagebuch - immer und immer wieder. So oft man möchte, so ausführlich wie man möchte... Aber eben nur, wenn man spürt/fühlt - das man es überhaupt in dieser Form machen möchte.
22.02.2023 12:08 •
#7