Hallo bk,
Ein Beispiel von meiner Reha. Da war ein Patient, der extrem unter Gefühllosigkeit gelitten hat seit ca. 1-1,5 Jahren. Er war medikamentös eingestellt. Er sagte mal, wenn er sich überhaupt am Gespräch beteiligte, es ist ganz nett wenn ihn seine Familie besucht, aber er empfindet nichts dabei. Er wurde medikamentös umgestellt und hat innerhalb von ganz wenigen Tagen gelacht, hat sich bei uns an den Tisch gesetzt und geplaudert. Als wir ihn völlig verdattert angeschaut haben, meinte er nur, er hat neue Glückspillen bekommen. Er wurde auf Elontril eingestellt. Der Chefarzt dort hat mir auch gesagt, dass er manchmal so wütend ist auf die niedergelassenen Ärzte/Psychiater, weil sie ein, maximal 2 Medikamente verordnen und dann bleibt der Patient an der Stelle, egal ob es ihm besser geht oder nicht. Die Leitlinien sagen was ganz anderes bzgl. der Ein-/Umstellung der Antidepressiva.
Ich hab dieses Beispiel vorangestellt, weil die Gefühllosigkeit bei mir nur ein Randthema war. Zu meiner Familie hatte ich immer Gefühle, aber ich hatte vor allem am Anfang deutliche Schwierigkeiten mich zu freuen, zu lachen. Ich war oft traurig und es gab sehr viele Tränen. Bei mir hat das etwa 5 Monate angehalten, solange ich keine Medikamente nahm, ich hatte es nur mit Psychotherapie versucht. Ich wurde dann in der Reha auch medikamentös eingestellt. Nach einem ersten Fehlversuch bekam ich Elontril und es wurde sehr viel besser.
Also gib nicht auf, geh zum Arzt und lass dir ein anderes Antidepressiva verordnen, denn wenn die Gefühllosigkeit mit Deinem jetzigen nicht weggeht brauchst du was anderes. Das ist MEINE Erfahrung. Akzeptiere den Zustand nicht so ohne Weiteres, löchere deinen Arzt. Bleib hartnäckig.
Aus den Leitlinien:
https://www.leitlinien.de/nvl/html/depr.#section-5Zeitlicher Ablauf einer Antidepressiva-Behandlung
Ab Erreichen der Standarddosierung sollten vier Wochen (bei älteren Patienten: sechs Wochen) wegen der Wirklatenz abgewartet werden, bis gemeinsam mit dem Patienten beurteilt wird, ob eine Response vorliegt. Hierzu ist eine gute Dokumentation der Symptomatik bei Behandlungsbeginn erforderlich. Dieser Bewertungstag sollte bereits zu Beginn der Medikation mit dem Patienten vereinbart werden.
Bei vielen Antidepressiva sollte schrittweise bis zur Standarddosierung aufdosiert werden. Diese Aufdosierungsphase sollte so lange sein, wie es die Verträglichkeit erfordert, aber so kurz wie möglich, da diese Zeit nicht zur Wirklatenz hinzu gezählt werden kann. Während der Aufdosierungsphase und der Beobachtung der Wirklatenz sollte eine sorgfältige Überwachung möglicher Nebenwirkungen erfolgen.
Bei Response am Entscheidungstag sollte die Fortsetzung der Medikation bis zur Remission mit anschließendem Übergang in die Erhaltungstherapie erfolgen. Bei Non-Response sollte dem Patienten eine Veränderung der Behandlungsstrategie empfohlen werden.
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Spricht ein Patient nach 4 Wochen nicht auf eine Antidepressivamonotherapie an, sollten zunächst Ursachen für diesen Verlauf evaluiert werden. Zu diesen Ursachen gehören gegebenenfalls die nicht ausreichende Mitarbeit des Patienten, eine nicht angemessene Dosis und ein zu niedriger Serumspiegel.
LG Eis
16.07.2019 13:07 •
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