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Wem ist die Krankheit Dysthymie bekannt ?

aurora333
Liebe Community,

nachdem ich gestern einem forenunkundigen Freund über meine Erfahrungen hier berichtete ( ich bin selbst praktisch neu dabei ) , und erwähnte auf welch mannigfaltige Weisen man sich hier gegenseitig hilft und Anregungen gibt, bat er mich spontan, doch mal nach zu fragen, ob jemand wie er an Dysthymie leidet. Denn er kennt niemanden mit dieser Diagnose.

Die Krankheit drückt sich bei ihm - seit frühster Kindheit - so aus, dass er sich stets zu allem richtiggehend aufraffen muss. Auch ermüdet er schnell und fühlt sich so auch angeschlagen, depressiv.

Soziale Probleme im Sinn von Berührungsängsten hat mein Freund nicht, denn er trifft viele Menschen. Er macht auch als freiwilliger Helfer bei etlichen Organisationen aktiv mit. In letzter Zeit musste er jedoch ( wegen der Dysthymie) kürzer treten, was ihm zu schaffen macht.

Erwähnenswert ev. noch, dass mein Freund in einer äusserst restriktiven Sekte aufwuchs, und trotz seines Austritts vor bald 20 Jahren ( er ist heute 63 Jahre alt) immer noch sehr angepasst ist , und grosse Schwierigkeiten beim Nein-Sagen, bzw. die eigenen Grenzen verteidigen hat. Vielleicht trägt diese Haltung, es stets allen recht zu machen zu müssen, und niemanden zu enttäuschen mit zur generellen Überforderung ( Müdigkeit. ?) bei, doch meinen Freund beschäftigt vor allem der Dysthymie-Anteil. Kennt jemand von Euch diese Krankheit oder hat sich ev. sogar selbst ?

15.02.2022 08:40 • x 2 #1


Catalie
Hallo,
meine offizielle Diagnose ist mittelgradige Depression, von Dysthymie hat nie ein Arzt oder Therapeut gesprochen. Seit ich mich aber näher damit befasst habe, gehe ich davon aus, dass ich Dystjymie habe. Ich finde mich zumindest in sehr vielen Punkten wieder. Ich kann das Buch von Tim Raether Bin ich schon depressiv oder ist das nur das Leben sehr empfehlen. Mich hat es sehr berührt, weil es so genau meine Gefühle beschreibt, ich habe es bis heute nicht geschafft es fertig zu lesen (obwohl es ein wirklich dünnes Buch ist und ich super viel und gerne lese) es war oft so nah an mir darn, dass es zu schmerzhaft ist, viel am Stück zu lesen, trotzdem hat es mir geholfen, weil ich mich so vorher nie verstanden gefühlt habe, wie in der beschreibung in diesem Buch. Das war auch ein Tipp hier aus dem Forum, es gibt dazu auch einen eigenen Thread, ich weiß nur immer nicht, wie am alte Beiträge wieder findet.

Viele Grüße an deinen Freund.

15.02.2022 10:41 • x 3 #2


A


Hallo aurora333,

Wem ist die Krankheit Dysthymie bekannt ?

x 3#3


Mira13
Bei mir ist es auch sehr eindeutig, aber noch nicht diagnostiziert. Unterschwellig begleitet mich die Depression auch schon, vermutlich seit meiner Kindheit. Da bin ich aber allgemein noch auf der Suche.
@Catalie , das Buch lese ich auch gerade und finde mich so sehr wieder. Man fühlt sich so verstanden irgendwie.

15.02.2022 10:57 • x 3 #3


aurora333
Liebe @Catalie und liebe @Mira13,

vielen Dank für Euer Feedback . Es wird meinem Freund gut tun, zu hören, dass er nicht allein ist !

Das Buch von Tim Raether werde ich ihm empfehlen. Ich kann mir gut vorstellen, dass ihm ein Sich-Wieder-Finden hilft, denn er hat mich bestimmt auch deshalb gebeten seine Krankheit hier zum Thema zu machen. Und wenn es ihm zu viel werden sollte, wie Du das liebe @Catalie grad erlebst, dann kann er es ja auch jederzeit beiseite legen oder eine Verdauungspause einschalten. Das habe ich selbst genauso gemacht, wenn mir etwas im Moment zu nahe ging.

Ich wünsche Euch alles Gute und viel Kraft

15.02.2022 11:07 • x 4 #4


Kitten
Hallo allerseits
Von dieser Diagnose habe ich noch nie was gehört, hier kann ich dir also leider nicht weiterhelfen, @aurora333. Ich werde mich aber auch mal näher informieren darüber, irgendwas wurde beim Lesen in mir angeklungen. Danke für den Hinweis!

Was ich auch kurz hierlassen wollte: Ich habe das Buch von Till Raether kürzlich von der Bibliothek ausgeliehen, doch gelang es mir wie Catalie nicht, es fertigzulesen, obwohl es so dünn ist. Irgendwie war es mir zu redselig, aber doch nicht so relevant für mich, dass es mich richtig gepackt hätte. Schwierig zu beschreiben.

@Catalie: Es gibt eine gute Suchfunktion hier (oben in der blauen Hauptnavigation). Da kannst du nach Stichworten suchen und es zeigt dir dann alles dazu an. Egal ob im Titel des Beitrags oder in Unterforen. Habe auch schon ein paarmal auf die Suche zurückgegriffen

15.02.2022 12:18 • x 2 #5


X
Ja, mit dieser Diagnose bin ich auch geschmückt: Eine chronifizierte Depression, die aber nicht das Ausmaß einer depressiven Episode erlangt, dafür länger anhält. Häufig gibt es auch die Doppeldiagnose Dysthymie und rezidivierende Depression, was dann als Double Depression bezeichnet wird.

Die Grenzen sind m.E. ohnehin fließend. Von der Lethargie zur Dysthymie zur Depression. Wie schon des öfteren hier angeklungen: Ich finde Diagnosen schwierig.

15.02.2022 12:51 • x 6 #6


maya60
Meine Psychologin erwähnte neulich bezogen auf meine 2 verschiedenen Depressionsarten, einmal die chronische und dann die begrenzten Episoden schwerer Depressionen, die Begriffe Double Depression und Dysthymie.

Ärztlicherseits habe ich nur die Diagnose der chronischen Depression.

Sicherlich habe ich eine Double Depression, das habe ich ja selber schon gemerkt, aber soweit ich Dysthymie bisjetzt verstanden habe, begleitet sie einen eben in abgeschwächter Form von Kindheit an, während ich ja erst ab dem Jugendalter erste depressive Erschöpfungszusammenbrüche erlitt und zunehmend in eine chronische Erschöpfungsdepression hineinrutschte, die ihrerseits aber auch mittel bis schwer war bis zum nächsten Zusammenbruch.

Durch ein verändertes Leben jetzt mit Diagnosen im Alter bin ich die Erschöpfungsdepression ja immer mehr los geworden von Jahr zu Jahr mehr und mit der Bearbeitung meines Kindheitstraumas auch immer mehr die Episoden schwerer Depression, so dass ich seit Februar letzten Jahres kaum oder nur noch tage- oder wochenweise damit schwerer zu tun hatte und nicht mehr ständig in dieser flachen Stimmung im Kopfnebel unterwegs bin.

Also, ohne meine ständigen A.DHS-Symptome gäbe es ja in meinem Leben keine chronische Erschöpfungsdepression, das ist also nicht Dysthymie bei mir. Denn Dysthymie ist ja schon etwas wie eine depressive Persönlichkeit zu sein, was ich nicht war als Kind und Jugendliche, danach auch nicht im Vollbild und jetzt im Alter auch nicht. So wie ich das verstehe, ohne zu wissen, ob es fachlich richtig ist.

15.02.2022 13:21 • x 2 #7


aurora333
Vielen Dank an Euch alle für die vielen Informationen ! Falls Du liebe @Kitten noch auf hilfreiches Material stossen solltest, sage ich nicht nein danke, wenn Du glaubst es könnte auch meinem Freund etwas bringen.

Generell bin ich auch sehr sehr vorsichtig wenn es zu Diagnosen kommt , und was Ihr beide schreibt @Lischen und @maya60 beweist die Vielfalt der Möglichkeiten. Ich habe mir alles was Ihr über die verschiedenen Arten und Formen herausgeschrieben, um das dann A. zu präsentieren, bzw. ihn zu fragen ob und wie weit er das bei sich ähnlich erlebt.

Aus seinen Erzählungen könnte ich mir schon vorstellen dass das Ausmass bei ihm keine depressiven Episoden erlangt, dafür aber anhaltend ist. Und die Schwermütigkeit nimmt bei ihm jetzt beim Älterwerden zu. Wie weit da auch noch
Lethargie reinspielt frage ich mich auch, denn ich bedauerte schon ab und an, dass er nicht ( oder nur für kurze Momente, die dann gleich wieder versanden) motivierter ist nach Hilfsmöglichkeiten zu suchen. Möglicherweise hat das jedoch auch damit zu tun, dass er sich zu oft von professionellen Helfern nicht verstanden oder gesehen fühlte. In der Regel werde er von allen überschätztsagt er oft. Niemand könne so richtig die Tiefe erkennen. As Auftreten mutet generell locker an , nur mir gegenüber könne er überhaupt die andere Seite zeigen. Und wie sehr diese ihn bedrückt. Das sehe ich ihm dann auch an !

Schön liebe @maya60 dass Du durch die Behandlung Deines Kindheitstraumas wesentliche Besserung erarbeiten konntest ! Das werde ich A. sagen, und auch noch mal ans Herz legen. Auf mein Vorschlagen erkundigte sich A. alle Jahren wieder nach einem Sekten versierten Psychotherapeuten ( die Sektenbehandlung der Kinder war spartanisch, drillhaft und missbräucherisch..wurde aber offiziell unter den Tisch gewischt. Die S. sogar ein speziell tabuisiertes Thema, das andere Geschlecht des Teufels etc.), doch leider wurde A. nicht fündig. Sein Psychiater teilte ihm gleich von Anfang an mit, dass A. mit ihm über alles, nur das nicht, reden könne. Da fühle er ( der Psychiater ) sich total inkompetent.

Auch klingt bei mir von aussen das Synonym depressive Persönlichkeitsstörung an. Das müsste A. jedoch nochmals genau durchlesen. Auch eine Erschöpfungsdepression könnte zum Krankheitsbild gehören. Letztere kenne ich, weil sie zur Zeit meine Diagnose ist. Im Gegensatz zu A. wäre ich jedoch grad nicht im Stande irgendwelche Verpflichtungen oder Ämter aller Art zu übernehmen. Bei mir kommt noch dazu, dass ich medikamentös noch nicht richtig eingestellt bin.

So viel ich erinnere verbrachte A. zweimal längere Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken. Damals war die Diagnose schwere Depression. Später entliess man ihn jeweils von der geschlossenen in die offene Abteilung, doch wie viel das mit einer Diagnosenrichtigstellung oder -anpassung oder erfolgreicher Medikamentation ( Lithium) zusammen hing weiss ich nicht. Damals kannte ich A. noch nicht. Er hat auch wegen der Medikamente oder der Krankheit einiges vergessen.

Ihr lest, auch mein Wissen ist beschränkt und ich möchte mich nicht weiter auf die Äste lassen, weil ich wirklich zu wenig - grad auch über die fliessenden Übergänge - weiss. Den Buchtitel mit Autor habe ich heute morgen schon an A. weitergemailt und ich werde ihm neben dem anderen was Ihr schreibt auch sagen, dass es sich vielleicht doch noch
lohnt einen weiteren Therapieversuch zu riskieren. Möglicherweise könnte er auch ein gezieltes Inserat aufgeben, in dem
er gezielt jemanden sucht, der mit Sektenpraktiken etwas vertraut ist, bzw. sich nicht vor dem Thema scheut. Das ist jetzt aber meine neuste Idee. Ich weiss nicht, ob A. sowas würde manchen wollen.

Vielen Dank für Euer Engagement , ich fühle mich jetzt genügend und gut bedient !

15.02.2022 15:06 • x 2 #8


maya60
Zitat von aurora333:
Wie weit da auch noch
Lethargie reinspielt frage ich mich auch,

Als depressiver Mensch habe ich gelernt, dass es Lethargie oder Faulsein in meinem Leben gar nicht gibt und da, wo es so genannt wurde, jemand, oft genug ich selber in Selbstsabotage entweder Krankheitssymptom oder absolut nötige Erholung damit tragisch verwechselte.

Depressive Menschen verbrauchen Unmengen an Energie und Disziplin damit, mit oder gegen ihre Krankheitssymptome vorzugehen, das ist schon bei leichter Depression mit der Vielzahl an schweren Symptomen der Dauerfall.

Darum sind Depressive ja auch so starke Persönlichkeiten, weil sie Unmengen an mentaler Energie für den ganz normalen Alltag verbraten müssen, um nicht aus allem herauszufallen.

Das beschreibt ja zum Beispiel auch dieses Buch von Till Raether so gut über Dysfunktionale Depressive, denn im Grunde sind das alle Depressiven mehr oder weniger, solange die depressiven Symptome noch irgendwie zu ertragen sind, das ist ja das Problem. Lethargie oder Faulsein gehen so weit an der Realität vorbei, dass ich mich schon gefragt habe, ob es das überhaupt gibt oder nicht damit von Grund auf jeder und jedem unrecht getan wird.

15.02.2022 16:20 • x 7 #9


X
Nun sind Lethargie und Faulheit doch ganz verschiedene Dinge, nicht? Was ist mit Menschen, die ab und an mal träge sind, sich zu einer bestimmten Aufgabe nicht motivieren können, keine Freude empfinden im Tun. Für einen begrenzten Zeitraum in milder Form. Haben diese Menschen eine handfeste Depression? M.E. nicht. Wie siehst du das, @maya60 ?

Einem depressiven Menschen zu sagen, er wäre schlicht faul, zeugt auch für mich für großes Unverständnis der Erkrankung und dem Erkranten gegenüber. Und ist zutiefst verletzend. Hat jedoch jeder lethargische Mensch eine Depression? Ist dieser Umkehrschluss nicht sehr gewagt? Gibt es da nicht irgendwas dazwischen? Ich bin gespannt auf deine Antwort!

15.02.2022 18:29 • x 3 #10


maya60
Tatsächlich glaube ich, dass es Lethargie, Trägheit und Faulheit jenseits von Abwertungsabsichten nicht wirklich gibt. Sondern das ist Geschmackssache und Sache des Lebensstils.

Der Hektiker nennt den Nichthektiker träge und der Träge nennt den Nichtträgen hektisch.

Unmotiviert zu sein ist: unmotiviert zu sein.
Freudlos zu sein, ist, freudlos zu sein.

Gute Gründe, etwas nicht zu tun.

Und gerne zu liegen oder mehr zu schlafen als andere, ist auch Typsache

Aber bei Depressionen hat das schon gar nichts zu suchen.

15.02.2022 18:54 • x 4 #11


X
Ich würde gerne meine Gedanken sortieren und einiges dazu schreiben und fragen. Im Moment jedoch fehlt mir die Kraft dazu. Danke dir für deine Antwort, @maya60 !

15.02.2022 23:43 • x 3 #12


Uerdinger
Auch ich würde das hier gerne verfolgen.
Lethargie ,Phlegma Faulheit
Ich habe bis heute Schwierigkeiten, das auseinanderzuhalten.
Wann fing bei mir die Depression an oder bin ich von Natur aus phlegmatisch?
Fühle mich in der Workaholic Gesellschaft zunehmend unwohl.....

16.02.2022 00:57 • x 2 #13


blossom79
Hallo in die Runde,

ich habe damals - 2004 in einer psychosomatischen Reha im Abschlussbericht "Dysthymia" aufgelistet gelesen.
Aber ehrlich gesagt habe ich mich damit nicht näher befasst.

Wobei ich mir vorstellen kann, dass die das nicht ohne Grund erwähnt haben.

16.02.2022 10:09 • #14


A


Hallo aurora333,

x 4#15


Mira13
Zitat von maya60:
Lethargie oder Faulsein gehen so weit an der Realität vorbei, dass ich mich schon gefragt habe, ob es das überhaupt gibt

Das habe ich mir auch schon gedacht @maya60

16.02.2022 12:14 • x 1 #15

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