Liebe Gelba
Ich habe mir auch zuerst überlegt, ob ich dir antworten kann/soll, obschon ich spürte, dass mich deine Frage und deine Not unmittelbar berühren. Denn so 100%ig auf mich alleine gestellt wie du es beschreibst und gerne teilen möchtest, war ich wohl auch nie. Und heute bin ich es viel weniger als noch vor einigen Jahren. Trotzdem glaube ich, dass ich deine Situation und deine Frage gut nachempfinden kann. Und ja, wie Clara geschrieben hat, sich alleine fühlen und real alleine sein sind noch zwei Paar Schuhe.
Ich möchte dir nun trotzdem kurz etwas aus meiner Erfahrung schreiben. Alleine fühlen hat mein Leben über weite Strecken geprägt und es gab Phasen, da war ich auch real ziemlich alleine. So eine Phase war vor 3-5 Jahren. Es gab da noch meine beiden erwachsenen Kinder, insofern war es nicht so ausschliesslich wie bei dir. Aber in jener Zeit war selbst der Kontakt mit ihnen, obwohl er grundsätzlich gut war, sehr eingeschränkt. Sie meldeten sich kaum. Und sonst gab es kein soziales Netz mehr. Ich lebte alleine und oft mit dem Gefühl: Es wird keiner merken, wenn mir was passiert. Ich kann keinen anrufen und keiner meldet sich. Ich bin an Feiertagen und Geburtstagen alleine. Keiner wird etwas für mich besorgen, wenn ich krank bin. Das hat mich oft extrem belastet und das Erwachen in solche Tage war meistens schlimm, ganz besonders an Sonntagen.
Wie habe ich da rausgefunden?
Wichtig war sicher, dass ich in eine Therapie ging. Der Therapeut war zwar nur diese eine Stunde pro Woche verfügbar, eine Notfallnummer hatte ich nicht, aber immerhin, es war ein Ankerpunkt einmal die Woche. Wo genau diese Isolation und Vereinsamung auch das Hauptthema war. Und so allmählich, in kleinen Schritten, gelang es mir im Lauf der Zeit, ein Netz zu knüpfen, das hat aber gedauert. Bei mir war das z.B., dass ich den Mut fand, in einem Chor mitzumachen. Oder dass ich an einer geschützten Arbeitsstelle zu 50% tätig wurde, wo im Lauf der Zeit wieder persönliche Kontakte entstanden. Ebenfalls mitgeholfen hat übrigens die längerfristige Teilnahme in einem Forum wie diesem hier (das jetzt leider in eine Krise geraten ist, so habe ich selbst hierher gefunden).
Worin solche Schritte bei dir bestehen könnten, kann ich aus deiner Frage jetzt nicht herauslesen. Aber in jedem Fall glaube ich, dass du aus dieser Notlage nur herausfinden kannst, wenn es dir gelingt, auf irgendeine Weise wieder Menschen in dein Umfeld zu holen. Eine regelmässige Therapie war bei mir wichtig dafür.
Dass du dich jetzt in diesem Forum meldest, finde ich einen super Schritt. Ich wünsche dir von Herzen, dass er dir hilft, deine Isolation zu durchbrechen.
Herzlich, Stromboli
11.05.2020 11:30 •
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