Wie als Angehörige mit der Schizophrenie fertig werden

M
Hallo erstmal,
Eine mir sehr nahestehende Person ist seit circa einem Jahr an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt. Es ist sehr schwer die Person da wieder rauszuholen und ich habe Angst, dass sie sich aufgrund des Verfolgungswahns irgendwann das Leben nimmt.
Die Person ist aktuell in stationärer Behandlung. Manchmal gibt es ein starkes Bergauf, da ist die Person gefühlt wieder die Alte und man freut sich und hofft natürlich auf die komplette Heilung, doch häufig ist das nicht von langer Dauer.

Wie komme ich selbst damit klar? Wäre es eine Möglichkeit selbst eine Psychotherapie zu machen um damit leichter fertig zu werden? Gibt es ähnliche Fälle, wo die Person schwer aus ihrer eigenen Welt wieder rausgeholt werden kann?

Ich würde mich freuen wenn Angehörige oder selbst Erkrankte ihre Situation schildern bzw ihre Geschichte erzählen.

LG

08.09.2018 09:18 • #1


JuliaW
Hallo,

ich hatte in meiner näheren Umgebung einen Menschen, der sich wegen Schizophrenie in Behandlung begeben hatte. Ich würde meine Antwort in zwei Bereiche aufteilen: 1) Was Du für Dich tun kannst und 2) was Du für den Dir nahestehenden Menschen tun kannst.


1) Anregungen, was Du für Dich tun kannst

    Worum geht es Dir bei einer Psychotherapie? Wenn Du merkst, dass Du in die Hoffnungslosigkeit reinrutscht, könnte das möglicherweise hilfreich sein. Vielleicht würde da eine Online-Therapie ausreichen? Schau mal hier: https://www.selfapy.de/. (Habe ich selbst nicht ausprobiert, doch ich hatte im Forum gelesen, dass ein Mitglied sehr positiv überrascht war von der förderlichen Wirkung: erfahrungen-mit-online-therapie-selbsthilfe-t24002.html).

    Kennst Du das Buch Recovery: Das Ende der Unheilbarkeit? Dieser mir nahestehende Mensch wollte sich nicht damit abfinden, er hatte dieses Buch gefunden, gelesen und mir empfohlen, weil es für ihn sehr, sehr hilfreich war. Es hat ihm die Hoffnung zurückgegeben, dass es eine Möglichkeit gibt, wieder am Leben teilnehmen zu können (was er heute uneingeschränkt tut, ohne Medikamente). Es ist ein Buch mit viel Fachwissen und gleichzeitig ist es auch für mich als Laie sehr gut lesbar gewesen (kaum fachchinesisch). Es gibt ein eigenes Kapitel Schizophrenie - eine Diagnose oder ein Urteil?; darin wird das Thema von Grund auf beleuchtet, beispielsweise werden die Vorurteile aufgegriffen (z.B. unheilbar) und dem wird die tatsächliche Datenlage gegenübergestellt (aus einer Studie: Recovery-Raten zwischen 53 und 68%). Das Buch heißt: Recovery: Das Ende der Unheilbarkeit von Michaela Amering / Margit Schmolke. Hier kannst Du einen Blick ins Inhaltsverzeichnis werfen: https://www.amazon.de/Recovery-Das-Ende . ksie=UTF8.


2) Anregung, was Du für den dir nahestehenden Menschen tun kannst


    Wenn das Buch oder das Recovery-Modell für Dich Sinn ergeben, es Deinem nahestehenden Menschen empfehlen, damit auch er oder sie wieder Hoffnung schöpfen kann und auch besser weiß, was förderlich ist und was nicht.

    Wenn die behandelnden Therapeuten und Ärzte davon noch nichts gehört haben, ihnen das Buch empfehlen. Ich habe den Eindruck, dass das Thema noch in den Kinderschuhen steckt.

Das ist jetzt zwar keine Geschichte, ich hoffe jedoch, dass das trotzdem für Dich hilfreich ist. Es gibt Hoffnung

Liebe Grüße,
Julia

08.09.2018 11:20 • #2


A


Hallo Marilariferrari,

Wie als Angehörige mit der Schizophrenie fertig werden

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D
Hallo marie?!
Erfahrungen hab ich insofern, dass meine Mutter schwer schizophren ist. Sie hat keinerlei krankheitseinsicht und ist somit unbehandelt, bis auf einen dreiwöchigen Aufenthalt in einer Klinik...Sie befindet sich seit Jahren in einer Phase schwerster Paranoia und Verfolgungswahn, mit völligem Realitätsverlust. Ich hatte große Hoffnung als sie in der Klinik war, endlich war sie versorgt und ich konnte aufatmen- dachte sie bekommt Medikamente und alles wird besser. Sie hat jegliche Behandlung abgelehnt und Medikation ist nicht erfolgt. Ich hatte auf Zwangsmedikation gehofft. Macht keinen Sinn, wenn der Patient nicht will oder mitarbeitet. Der Arzt hat mir erklärt: Es ist meistens so, dass die Patienten eingeliefert werden, es geht ihnen sehr schlecht, dann erhalten sie Medikamente und stellen fest, dass es ihnen dadurch besser geht. Die werden dann eine Weile genommen und weil es ihnen ja so gut geht, werden die einfach wieder abgesetzt. Danach geht es ihnen wieder richtig schlecht oder viel schlechter. Das ist ein Teufelskreislauf. Oder medikamente werden kurz vertragen und dann nicht mehr. das passende zu finden erfordert manchmal viel Geduld vom Patienten.
Versuche zu akzeptieren, dass du nicht helfen kannst. Dass du jemanden nicht aus seinem Schub (oder wie man das sagen will ) holen kannst. Du kannst den anderen nicht vor Verwarlosung, Selbstmord, Unfall oder vor der Krankheit retten. Ich kann deine Angst um die Person sehr gut nachvollziehen. Mich hat die Angst und Sorge fast aufgefressen, ich konnte das mind. sechs Jahre lang überhaupt nicht akzeptieren, dachte immer ich muss helfen, wenn ich nur da bin, etwas tue, tritt eine Besserung ein. Ich bin in Aktionismus verfallen, wollte das Chaos in der Wohnung meiner Mutter richten, bergeweise ungeöffnete Post bearbeitet, mich verantwortlich gefühlt als ,,gute Tochter, immer schlechtes Gewissen, Schuldgefühle usw. um jedes Mal das selbe Chaos wieder vor zu finden, wieder neue Schulden, wieder geklaut, alles noch mehr vermüllt. Noch realitätsferner. Ich mache mittlerweile eine Verhaltenstherapie seit anderthalb Jahren, weil mich das depressiv und aggressiv gemacht hat. Die Thearapie hat auf jeden Fall geholfen, den Zustand (mehr) zu akzeptieren, hinzunehmen. Von ,,Heilung kann ich nicht sprechen:-) Wenn du magst kannst du mir gerne schreiben.
Gute Nacht erstmal!
Desoto

09.09.2018 00:42 • #3


Funnycat
@Marilariferrari

Hallo und guten Abend,

meine Tochter ist seit 10 Jahren an Schizophrenie erkrankt.
Leider war sie zu Krankheitsbeginn sehr uneinsichtig. Konnte ich auch gut verstehen. Wer will schon eine Schizophrenie haben?

Wir hatten eine gute stationäre Einrichtung gefunden. Eine sehr gute Stationsärztin und Oberärztin, die auch uns als Eltern immer miteinbezogen haben. Auch unsere Ängste und Sorgen ernst genommen haben und ein offenes Ohr dafür hatten.

Wir haben einen Vorteil gegenüber anderen Angehörigen. Wir sind beide Psychiatriefachpfleger(in).
Für uns sind also viele fachliche Fragen erst gar nicht aufgekommen.
Leider hatten wir emotional keinen Vorteil dadurch.

Es war eine ganz schlimme Zeit. Mit vielen Schüben, Suizidversuchen, monatelange Klinikaufenthalte. Das volle Programm.
Leider hat das Austesten von geeigneten Medikamenten sehr lange Zeit in Anspruch genommen. Bis das richtige Medikament gefunden war, hat es fast 2 Jahre gebraucht.
Hinzu kam eine Depression, die alles nochmals verschlimmerte.

Dazu kommt noch, dass ich selbst auch an schweren Depressionen leide und dadurch sehr oft sehr eingeschränkt war.

Wir hatten auch alle möglichen Ängste, Schuldgefühle und waren oft völlig verzweifelt.

Aber unser Fazit ist, wir können nur soweit helfen, wie unsere Tochter das auch zulässt. Am meisten hilft ihr, dass sie von uns ernst genommen wird und sie mit uns ihre Nöte teilen kann.
Wir haben es aber nie geschafft sie von ihrer Krankheit zu überzeugen. Ihre Einsicht kam erst Jahre später. Und damit dann auch das entsprechend angepasste Verhalten.

Auch heute hat sie noch manchmal einen Schub. Trotz Medikamenten. Aber sie hat gelernt damit umzugehen.

Liebe Mari, gib nicht auf. Sei einfach da und hör zu und gib das Gefühl, dass du den kranken Menschen sehr ernst nimmst.
Aber achte auch auf dich selbst. Ziehe deine Grenzen und gehe nicht über deine eigenen Kräfte.
Ich wünsche dir und deiner nahestehenden Person alles Gute!

LG, Funnycat

09.01.2019 19:47 • #4

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