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Wie erlebt ihr gerade diese ungewöhnliche Zeit

Irgendeine
Zitat von Frederick1:
Selbst musste ich lernen, das es verantwortungslos ist, andere Menschen für meine Probleme verantwortlich zu machen.

Das halte ich für eine gewagte These. Ich denke, das Mobbing seit frühester Kindheit für sehr viele meiner Probleme verantwortlich ist.

16.04.2020 23:29 • x 3 #886


Irgendeine
Zitat von traumaland:
Hier das Beispiel: es gab sogar paar Momente in meinem Leben, da dachte ich, ich hätte Glück. Doch irgendwie wurden diese Dinge immer komisch und negativ.

Als ich auf die weiterführende Schule ging, dachte ich, dass das Mobbing besser werden würde. Fehlanzeige.
Ich dachte, ich würde das Gymnasium schaffen. Fehlanzeige.
Ich habe meinen Realschulabschluss nur, weil Deutschland ihn mir auf Basis von 12 abgeschlossenen Schuljahren quasi geschenkt hat.
Ich dachte, ich mache ganz normal eine Ausbildung. Fehlanzeige, weil ich zwischendurch immer wieder in der Klinik war und deswegen mein Examen nicht geschafft habe.
Andere machen in der Zeit ein ganzes Medizinstudium.
Und so geht das schon ewig. Andere, mit denen ich damals in die 12. Klasse war, haben jetzt schon ihre Intensivfachweiterbildung. Ich hab noch nicht mal mein Krankenpflegeexamenn geschafft. Es ist zum Kotzen.
Zitat von traumaland:
Komisch bin ich schon, aber nicht auf eine asoziale Art und Weise.

Okay, ich formuliere es anders: Du hast bemerkt, dass auch andere komisch sein können. Ich dacjte immer, alle außer mir wären normal.

17.04.2020 00:31 • x 3 #887


A


Hallo Jedi,

Wie erlebt ihr gerade diese ungewöhnliche Zeit

x 3#3


T
@irgendeine
Ja, ich wurde gemobbt von meinen ''Eltern''. Genauer gesagt, meiner Stiefmutter und mein Vater - naja - hat se machen lassen. Mir wurde eingetrichtert, ich wäre böse und schlecht. Und genauso wurde ich behandelt. Wenn ich nicht grad im Keller eingesperrt war (Waschkeller, komplett dunkel, Lichtschalter außen), dann hatte ich Zimmersitting. War wohl zu gut für mich, im Zimmer zu sitzen, auf die Ration Brot am Tag zu warten, denn schließlich sollte ich morgens aus dem Haus und abends wieder kommen.
Noch heute kann ich die Stadt Essen nicht betreten, ohne heftige Flashbacks zu haben. Dieses Gefühl von früher...
Ich hatte kein Zuhause. Keine Zuflucht. Keine Geborgenheit. Bis ich irgendwann ins Heim kam. Von da an war ich immer der neue. Etliche Heimwechsel, etliche Schulwechsel, denn mein Vater konnte mich gar nicht weit genug weg haben.
Das erste Heim war ein Kinderheim, heute frag ich mich, ob es nicht eher ein Tierheim war. Wir wurden auch da kurioserweise nicht besser behandelt.
Ganz ehrlich, in diesem Heim war die Schule meine Zuflucht. Ist schon seltsam, wenn man sich in der Schule mehr Zuhause fühlt.

Das nächste Heim stand nach 3 Jahren dort auf dem Plan. Wieder weiter weg. Wieder eine neue Umgebung.
Aber da habe ich was anderes gesehen. Dort hatten die Kinder alle Eltern und Kontakt. Sie erhielten stets Geschenke, Pakete und Besuch.
Ich fand deren Eltern nett und insgeheim habe ich mir gewünscht, diese auch als Eltern zu haben.

Aber mein Weg verlief allein.
Besonders gut, an Wihnachten allein im Heim zu sitzen, weil alle anderen zu ihren Eltern gefahren sind.

Irgendwann wurde ich vom letzten Heim auf die Straße gesetzt. Auch nicht das beste Heim gewesen. Da war ich 17 und auf der Straße. Klar, beim Jobcenter kannst du schon Antrag stellen, aber unterschreiben erst mit 18. So musste ich 2 Monate rumkriegen.


In einem Heim gab es viele Krisengespräche und bis heute kann ich die nicht nachvollziehen. Scheinbar war ich ein Problemkind und habe nicht gemacht, was ich sollte.
Irgendwie wurde da was getriggert, was meine Stiefmutter mir eintrichtern wollte. Ich versteh es bis heute nicht.
Dabei geht es nicht um Pflichten, sondern um Verhalten.
Ich habe mich aber nicht falsch verhalten. Jedenfalls gab es Situationen, wo ich was geerntet habe, was ich gar nicht gesät habe. Ab da wurde mir bewusst, dass das Leben alles andere als fair ist und nichts einfach richtig wird, weil man darauf vertraut.

Beim Jobcenter dann die ganzen Maßnahmen machen, schräge Leute kennenlernen...

Jedenfalls war das gesamte Leben der Weg ins Heute: der Weg ins Nichts - der Bedeutungslosigkeit.

Heute weiß ich nicht wohin. Keine Wurzeln, keine Perspektive, keine Möglichkeiten. Alles schwarz um mich herum.
Und die Zeit rennt.
Und diese 10 Jahre haben immer noch nichts verändert. Ich steh immer noch am selben Punkt.

Wenn es Schnittstellen gäbe - irgendwas, wo man ansetzen könnte. Aber es gibt eben nichts.

Ich habe keine Eltern, auf die ich mich immer verlassen kann, keine alten Bekannten/Freunde von damals, nichts Vertrautes und kaum eine Möglichkeit, irgendwo einen Weg raus zu finden.
Nichts, was irgendwie Halt geben würde.


Zitat von Irgendeine:
Okay, ich formuliere es anders: Du hast bemerkt, dass auch andere komisch sein können. Ich dacjte immer, alle außer mir wären normal.


Naja, nee. Ich bemühe mich, irgendwie normal zu sein. Oder jemand zu sein.
Ich wünschte, das Sozialsystem für Kranke wäre etwas sozialer. Dann hätte ich direkt mal einen Ansatz, um weiter zu kommen.

17.04.2020 01:36 • x 8 #888


Irgendeine
Zitat von traumaland:
Ich habe keine Eltern, auf die ich mich immer verlassen kann, keine alten Bekannten/Freunde von damals, nichts Vertrautes und kaum eine Möglichkeit, irgendwo einen Weg raus zu finden.
Nichts, was irgendwie Halt geben würde.

Weißt du, wenn ich sowas lese, denke ich immer, dass ich es ja noch gut getroffen hab. Und wenn ich sowas über dein Leben schreibe, denke ich immer daran, wie ich mich fühle, wenn mir mal wieder ein Therapeut sagt, mein Fall wäre kompliziert. Nämlich deprimiert. Also tut mir leid, wenn ich dich deprimiert habe.

Bei mir war es eigentlich genau anders rum. Ich hatte ein sicheres zu Hause, sowie fürsorgliche Großeltern.
Also eigentlich theoretisch eine schöne Kindheit.
Dafür war es draußen, sprich in der Schule, schlimm. Ich habe das so gut es geht verdrängt. Ich weiß nur noch, dass es schlimm war.
Man hat nicht umsonst mit 10 Su*zidpläne.
Es gab eigentlich nie physische Gewalt. Aber die psychische war schlimmer.
Jahreslanges Mobbing zerstört einen. Aber das weißt du ja selber.
Mein Selbstbewusstsein existiert gefühlt nicht. Deins scheinbar auch nicht.
Dazu dann noch der von mir beschriebene psychopathische Ex-Freund.
Manchmal weiß ich gar nicht mehr, ob Dinge wirklich passiert sind oder sie meiner Phantasie/meinen Albträumen entsprungen sind.

Ich denke sehr oft darüber nach, warum ich so einen an der Waffel habe. Das Mobbing und der Psychopath waren das einzig schlimme. Zwischendurch gab es ja auch Zeiten, in denen ich Freunde hatte und das Problem nur die Magersucht und die Depressionen waren.
Ich habe von damals noch genau einen Freund.

Bisher konnte mir diese Frage auch noch kein Therapeut beantworten. Ich sollte eigentlich dankbar sein.
Aber ich hab nun mal einen an der Waffel.
Zitat von traumaland:
Naja, nee. Ich bemühe mich, irgendwie normal zu sein. Oder jemand zu sein.

Ich versuche auch, normal zu wirken. Ich weiß leider oft nicht wie man sich normal verhält. Das muss ich mir abkucken.
Deswegen wirkt mein Verhalten halt manchmal komisch.

17.04.2020 02:36 • x 4 #889


T
Zitat von Irgendeine:
Weißt du, wenn ich sowas lese, denke ich immer, dass ich es ja noch gut getroffen hab. Und wenn ich sowas über dein Leben schreibe, denke ich immer daran, wie ich mich fühle, wenn mir mal wieder ein Therapeut sagt, mein Fall wäre kompliziert. Nämlich deprimiert. Also tut mir leid, wenn ich dich deprimiert habe.


Nein, du deprimierst mich nicht.
Ich mein, mein Leben ist für mich kein Geheimnis, ich kenne es ja. Und du hast das auch alles nicht losgetreten. Ach, du kannst eigentlich gar nichts dafür.

Zitat von Irgendeine:
Es gab eigentlich nie physische Gewalt. Aber die psychische war schlimmer.

Bei mir gab es auch physische. Das erste Heim, die Erzieherinnen waren nicht sehr zimperlich. Solch menschenverachtenden Menschen als Pädagogen zuzulassen ist schon irgendwie hart.
Irgendwie scheint es sehr viele davon zu geben, denn ich hatte das in zwei Heimen so, dass da die Leitung echt kurios war.

Zitat von Irgendeine:
Jahreslanges Mobbing zerstört einen. Aber das weißt du ja selber.

Ja, bei mir kommt ja noch oben drauf, dass es von Leuten kam, die Schutzbefohlene waren.
Das Urvertrauen ist dahin.


Zitat von Irgendeine:
Mein Selbstbewusstsein existiert gefühlt nicht. Deins scheinbar auch nicht.

Und wie es nicht existiert.
Wie denn auch? Konnt sich ja nicht entwickeln. Noch heute rätsle ich, wer ich eigentlich bin. Also wer ich wirklich bin.

Zitat von Irgendeine:
Ich denke sehr oft darüber nach, warum ich so einen an der Waffel habe. Das Mobbing und der Psychopath waren das einzig schlimme.

Es war eine sehr prägende Erfahrung.
Resilienz und die Dauer der Ereignisse.

Zitat von Irgendeine:
Ich versuche auch, normal zu wirken. Ich weiß leider oft nicht wie man sich normal verhält. Das muss ich mir abkucken.
Deswegen wirkt mein Verhalten halt manchmal komisch.

Ich guck mir auch vieles ab.

Was sogar so gut klappt, dass ich die Pflege in Kliniken immer davon abbringen musste, zu glauben, dass es bei mir nicht so schlimm wäre.

Natürlich kann ich nicht alles überspielen, aber ich weiß auch, wie man sich zurückzieht.

17.04.2020 03:09 • x 3 #890


S
Guten Morgen
@ irgendeine
@ Traumaland

Es ist für mich schwierig etwas zu schreiben, Ich möchte nicht verletzen oder von oben herab schreiben.
kein anderer Mensch kann den eigenen erlittenen Schmerz im Ganzen innerlich nachvollziehen.
Er kann es nur versuchen zu verstehen.
Bin einfach geschockt und traurig wie Kinderseelen zerstört werden können.
Und wie schwierig sich dadurch die Teilnahme an diesem sogenannten normalen Leben gestaltet - auch mit großer Mühe nahezu unerreichbar scheint.
dieser Traumatische Faden im Leben, der wie Pech an einem klebt.
Da gibts es nichts schön zu schreiben.
Das ganze Heilungssystem ist für mich auch äußerst fragwürdig mit ihren Angeboten, Methoden
Und Wirksamkeit für das gewöhnliche Leben.
Großes Glück ist in diesem Zusammenhang schon an einen guten Therapeuten zu geraten.

mir hat einer mal ein sehr gutes Bild mitgegeben:
jeder Mensch ist wie ein Baum, derjenige der gute Wurzeln hat wird zwar durchgeschüttelt aber die Wurzeln bleiben bei Lebenskrisen und Gewitter verankert.
Der andere mit keinen stabilen Wurzeln droht bei jeder Lebenserfahrung/ Krise zu entwurzeln.
empfundene Lebensbedrohung.

und ich glaube daran, dass sie ( Täter ) nicht alles in einem zerstören konnten und das dort der winzig kleiner Ansatz ( Licht) in einem selbst ist, um doch diesem Leben für sich etwas abgewinnen zu können.

Sich dem zuwenden, was noch da ist in einem und heil geblieben ist.

@ Traumaland, ich kann es jetzt noch besser nachvollziehen, dass du so sehr unter den Corona- Maßnahmen leidest .

17.04.2020 08:34 • x 8 #891


Ilse77
Liebe @Shana1967 ,danke für deinen Beitrag. Mich hat das geschriebene auch den ganzen Vormittag beschäftigt und du hast meine eigenen Gedanken sehr gut formuliert. Ich habe in meiner Zeit in der Klinik viele Menschen mit schwerer Traumatisierung in der Kindheit kennengelernt und es ist hart, nicht helfen zu können mit all der Liebe im eigenen Herzen. Ich wünsche allen den Mut, dennoch wieder Vertrauen zu Menschen zu finden und den Schmerz zu verkraften, falls es sich als Irrtum herausstellt in manchem Fall. Lg ilse77

17.04.2020 08:52 • x 1 #892


S
@ Ilse, ja irgendwo - bei irgendjemanden
und im kleinen ist es wichtig wieder das Vertrauen zu erlernen.
- für mich war es ganz wichtig
Mir selbst zu vertrauen,
Dann ist es nicht mehr so wichtig,
dass ich den meisten Menschen nicht unbedingt
vertraue.

17.04.2020 09:03 • x 4 #893


L
um das ganze nochmal abzurunden. Ich vertraue auch keinem mehr. Menschen können gemein und hinterhältig sein. Habe ich oft erlebt, aber im Gegensatz zu vielen anderen ziehe ich mich nicht zurück, sondern gehe in die Offensive.


PS ich wurde auch von klein auf entwurzelt, aber ich brauche kein Mitleid, auch nicht von euch. Ich sehe es eben anders, hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner! Und damit fahre ich persönlich ganz gut!

Weil letztendlich kann ich mich nur auf mich selbst verlassen!

17.04.2020 09:19 • x 1 #894


Dani82a
Ich überlege in der jeweiligen Situation, ob es was bringt, mich in die Offensive zu begeben.
Wenn ich eine Person vor mir habe, die von ihrer Meinung vollkommen überzeugt ist und evtl auch noch aggressiv, bringt auch eine Offensive nichts.
Somit hat ein sich zurückziehen nicht unbedingt mit Schwäche zu tun, sondern mit überlegtem Handeln.

17.04.2020 09:24 • x 6 #895


S
Ja LaLuna,
Menschen hilft kein Mitleid
Mitgefühl ist jedoch ein ganz
feiner menschlicher Wesenszug.

Ich bin zwar sehr irritiert wenn mir Mitgefühl begegnet
Es ist für mich eine Herausforderung
Aufrichtiges Mitgefühl anzunehmen.

Und doch berührt es mich letztendlich sehr,
Wenn jemand sich einfühlt in mich und mitschwingt.
Ich bin nicht allein.

17.04.2020 09:27 • x 8 #896


Dani82a
@Shana1967

Das hast du sehr schön geschrieben!

Empathie ist etwas, was nichts mit Mitleid zu tun.
Es ist mehr die Fähigkeit zuzuhören und dem Gegenüber das Gefühl zu geben, verstanden zu werden.

17.04.2020 09:29 • x 6 #897


S
@ dani

Und gesehen zu werden...

17.04.2020 09:32 • x 4 #898


Dani82a
@shana: oh ja! Danke für die Ergänzung.

17.04.2020 09:33 • #899


A


Hallo Jedi,

x 4#15


L
Zitat von Dani82a:
Es ist mehr die Fähigkeit zuzuhören und dem Gegenüber das Gefühl zu geben, verstanden zu werden


Ich bin Arzthelferin mit Leib und Seele, ihr braucht mir nichts zu erzählen, rein gar nichts!

17.04.2020 09:36 • #900

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