Ich konnte viele, viele Jahre meine Depression nicht annehmen, nicht zu ihr stehen, dass sie zu meinem Leben dazu gehören soll.
Im Rückblick weiss ich, dass ich auch vor der Diagnose schon depressive Phasen hatte. Habe sie aber verdrängt, weil meine Mutter auch Depressionen und Angstzustände hat und so wie sie wollte ich nicht sein.
Es ist in unserer Familie nie anerkannt worden, mittlerweile schon, dass meine Mutter psychisch krank ist. Meine Oma sagte immer:Angstzustände, sowas kenne ich nicht, das gibt es nicht! Damit war dann die Sache für meine Oma erledigt und meine Mutter, tja, die war alleine mit ihrer Krankheit und als Kind habe ich sowieso nicht verstanden was da jetzt los ist und glaubte letztendlich meiner Oma, bei der ich auch aufgewachsen bin.
Es ging immer nur um Leistung in unserer Familie, Annahme duch Leistung. Du bist nur etwas Wert, wenn du etwas leisten kannst, wenn du die Leistung erbringst die wir von dir erwarten. Du musst dich anstrengen, gib niemals auf und sei nicht schwach, sei stark.
Ja und dann bekam ich selber die niederschmetternde Botschaft -Depression-, ich wäre vor Scham am liebsten in den Erdboden versunken. Das saß tief, sehr tief und dann diese Gelähmtheit, Antriebslosigkeit, Erschöpfung, Schmerzen, Verspannungen.
Was war ich denn jetzt noch wert, nichts mehr, denn so hatte ich es ja gelernt.
Wenn ich dann mal gute Tage hatte, habe ich mich immer und immer wieder übernommen mit dem Ergebnis, dass es mir die nachfolgenden Tage wieder sehr schlecht ging. Und so ging das Jahr um Jahr.
Ich wollte sie weghaben diese blöde Depression, ich wollte mein altes Leben wieder haben, Kraft haben, Energie haben, Leistung bringen können, aber Fehlanzeige.
Irgendwann habe ich dann verstanden, dass ich langsamer machen muss, Pausen einlegen muss um mich auszuruhen, nicht alles an einem Tag schaffen muss, z.B. das Bad putzen. Dann merkte ich, hey, das geht, es geht dir viel besser damit. Dann kamen Rückschlage, das gehört dazu, aber es funktionierte.
Dann merkte ich erst wie cool das ist, Aufgaben auch langsam auszuführen, ich lernte die Ruhe zu genießen und mich daran zu freuen, ich lernte Pausen zu machen und ich lernte immer mehr es anzunehmen, mich anzunehmen.
Heute hab ich ein -ja- zu meiner Erkrankung, sie begleitet mich, sie gehört zu mir, sie weisst mich immer wieder in die Schranken wenn ich mal wieder über das Ziel hinaus geschossen bin, sie zwingt mich auch zur Ruhe. Ich habe gelernt mit ihr zu leben, das war ein langer Prozess, aber heute bin ich dankbar, nicht für die Erkrankung, aber für das was sie aus mir gemacht hat.
Ich bin viel gelassener und selbstbewusster geworden, ich kann Menschen verstehen die auch an dieser Erkrankung leiden, was ich vorher nicht konnte und ich kann -nein- sagen, wenn ich etwas nicht tun möchte oder kann, was ich auch vorher nicht konnte.
Das Wichtigste für mich, ich bin genauso viel wert wie vor der Erkrankung. Mein Wert liegt nicht an dem was ich leisten kann, sondern darin, dass ich geliebt und angenommen bin, so wie ich bin.
LG, Robbe
06.02.2021 12:28 •
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