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Antriebslosigkeit und Chaos in der Wohnung

D
Ich liege nun schon seit Stunden wach und kann nicht schlafen.

Ich leide schon seit längerem an Depressionen. Der Grund dafür ist wohl, dass ich mich immer bemüht habe, etwas aus meinem Leben zu machen, aber kläglich gescheitert bin. Ich habe eine Ausbildung und ein gutes Abi. Ich wollte eigentlich gern noch studieren, musste aber abbrechen, weil ich es mir einfach nicht leisten konnte. Nun lebe ich trotz Ausbildung von einem 400,- Job und Hartz IV. Ich habe immer auf eine Familie verzichtet, weil ich Karriere machen wollte. Nun bin ich 40, mittellos und mutterseelenallein. Mit Männern habe ich nur schlechte bis ganz schlimme Erfahrungen gemacht.

Mein einziger Halt und auch mein einziger Grund zu leben, ist mein Hund. Er zwingt mich, morgens aufzustehen und rauszugehen.
Ansonsten würde ich wohl nur an den Tagen, an denen ich arbeiten muss, aufstehen. Hinzu kommt diese bleierne Müdigkeit, die mich schon nach dem Frühstück überkommt. Ich könnte wohl problemlos 14 bis 18 Stunden am Tag schlafen.

Wenn ich versuche meine Wohnung in den Griff zu bekommen, fühle ich mich schlapp und obwohl ich irgendwie rumwurschtle, bekomme ich nichts auf die Reihe. Ich bin ganz stolz, wenn ich ein Zimmer halbwegs in Ordnung habe. Doch schon nach ein paar Tagen sieht es wieder schlimm aus.

Ich war schon mehrmals beim Neurologen, doch der bietet mir nur Hilfe an, wenn ich eine Zeit lang stationär im Krankenhaus bleibe. Das kann ich aber nicht, weil ich meinen alten kranken Hund niemandem anvertrauen kann. Der Neurologe würde mir ansonsten nur Antidepressiva geben, aber wie sollen die mir helfen, wenn sich meine aussichtslose Lebenssituation, bzw. mein Umgang damit nicht ändert?

Nun stand mein Vermieter unverhofft vor meiner Tür. Er hat nicht viel gesehen von meinem Chaos, aber wohl ein wenig. Nun habe ich Angst davor, er könnte eine kurzfristige Wohnungsbesichtigung verlangen. Ich bekomme das nicht in ein paar Tagen in den Griff. Was mache ich, wenn er sich kurzfristig ankündigt? Ich würde im Boden versinken vor Scham. Eigentlich bin ich ein ordentlicher Mensch. Ich bin selbst sehr unglücklich über die Situation, aber mir fehlt einfach die Kraft. Er würde wohl wenig Verständnis haben, zumal es ohnehin schon Probleme mit ihm gibt.

Ich fühle mich so hoffnungslos, leer und gnadenlos überfordert. Ich könnte den ganzen Tag heulen, und an vielen Tagen mach ich das auch.
Ich weiss einfach nicht weiter.

Ich habe das Gefühl, dass das Schicksal sich einen schlechten Scherz mit mir erlaubt oder dass Gott (sofern es einen gibt) mich hasst. Ich kann noch so sehr kämpfen, ich kann mir noch so viel Mühe geben das Richtige zu tun, ein guter Mensch zu sein, vernünftig zu sein... in meinem Leben geht einfach alles schief, was schief gehen kann. Das ging schon los, als ich noch ein Kleinkind war und fast gestorben wäre und es ging mit den Jahren immer so weiter. Ich musste einen Schicksalsschlag nach dem anderen verkraften, eine besondere psychische Belastungssituation nach der anderen. Ich habe aber keine Kraft mehr zu kämpfen. Und weil sich schon so viele Entscheidungen in meinem Leben als böser Irrtum herausgestellt haben, bin ich auch kaum noch in der Lage, welche zu treffen.
Ich möchte nicht wirklich tot sein, denn ich habe Angst vor dem Tod und ich denke, vor seinem Tod sollte man wenigstens etwas gelebt haben, aber dieses Leben kann ich auch nicht mehr ertragen.

05.12.2012 03:42 • x 5 #1


miezelina
Liebe Dottie,
Dein Neurologe hat nicht unrecht. Ein Klinikaufenthalt kann sehr heilsam sein, gerade wenn es darum geht, schlimme Dinge aus der Vergangenheit zu verarbeiten. Wusstest Du, dass es in Calw eine psychosomatische Rehaklinik gibt, die Hunde für 5€ am Tag mit aufnimmt? Das ist die Klinik Dr. Römer in Calw Hirsau. Da eine Reha allerdings erst nach einem - möglicherweise längeren - Antragsverfahren starten kann, würde ich mir an Deiner Stelle noch überlegen, ob ich nicht doch jetzt schon Antidepressiva nehme. Was die für dich tun können ist folgendes: Die Verzweiflung nimmt ab, dein Antrieb wird gestärkt und du bekommst einen klaren Kopf um in der Reha gut mitarbeiten zu können. Viele hier sind diesen Weg gegangen und die Chancen, dass du dich mit der Zeit besser fühlst, stehen wirklich gut. Sprich mit Deinem Arzt. Ich wünsche Dir eine gute Entscheidung. -
Miezelina

05.12.2012 09:10 • x 2 #2


A


Hallo Dottie,

Antriebslosigkeit und Chaos in der Wohnung

x 3#3


T
Liebe Dottie,
ich habe mir grade die Seite von der Klinik Dr. Römer angeschaut, die klingt wirklich sehr gut ! Habe schon einige Klinikaufenthalte hinter mir, aber da könnte ich mich glaub auch wohl fühlen. Vor allem das Mitbringen der Tiere finde ich klasse !
Was ich gelesen habe ist das auch eine Akutklinik, d.h. mit Krankenhauseinweisung durch Arzt, das wäre vielleicht zunächst der einfachere Weg und geht ein bißchen schneller als das doch oft längere REHA Antragsverfahren. Vielleicht möchtest Du mal mit Deinem NEurologen darüber sprechen ?
Ich weiß, das ist alles nicht einfach. Ich kämpfe seit mittlerweile über 10 Jahren mit psychischen Erkrankungen und der 1. Schritt was zu machen, ist der Schwerste, aber er lohnt sich. Und hier könntest Du auch Deinen Hund mitnehmen, das wäre doch toll ?
Bezüglich den Medikamenten bekämpfen die natürlich nicth die Ursache, aber die Symptome, und das macht das Leben dann doch etwas einfacher und man ist dann auch wieder therapiefähiger. Ich würde es mit den Medikamenten versuchen um die Zeit zu überbrücken. Und es tritt dann auch eine gewisse Erleichterung ein, wenn die Symptome besser werden, die Du so lange schon aushalten musst.
Ich hoffe ich konnte Dir auch ein bißchen Mut zusprechen.
Viele Grüße Trauerklößchen

05.12.2012 11:36 • x 1 #3


M
Liebe Dottie,
deine Gefühle und deinen derzeitigen Zustand können hier sehr viele Leser nachvollziehen, weil sie es aus eigener Erfahrung kennen.
Deine Sorge um dein altes Tier ist verständlich. Und sicherlich gibt es auch Möglichkeiten hier eine Lösung zu finden.
Eine plötzliche Erkrankung oder ein Unfall würden dich auch dazu zwingen, dass du einen Ersatzpfleger finden müsstest.

Neben den wenigen Kliniken, wo man Tiere mitnehmen darf, käme ja vielleicht auch eine Tagesklinik in Frage.
Auch die Einnahme von Medikamente könnte übergangsweise eine Möglichkeit sein. Bei mir selber hat dies bewirkt, dass ich wieder aktiver bin und mehr Freude erlebe...
Zuvor würde ich aber zu einem Psychiater gehen, dem ich einfach mehr Kompetenz zuschreibe, als einem Neurologen. Damit möchte ich den Neurologen nicht zu Nahe treten, aber ich könnte mir vorstellen, dass die verschiedenen Fachgebiete schon andere Erfahrungen mit ihren Patienten haben. (nur meine unmaßgebliche Meinung).


Warum sollte dein Vermieter deine Wohnung besichtigen sollen? Er kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, einen Raum besichtigen. Wenn er meint, dass er dort z.B. ein neues Fenster einbauen möchte... Ansonsten hat er keine Befugnis die Wohnung zu betreten.

Dein Problem deine Wohnung nicht in Ordnung halten zu können, ist mir selber nicht unbekannt. Die Angst vor Besuchern war meist auch bei mir der Anlass für Sauberkeit zu sorgen. Deshalb ist die Angst vor dem Vermieter ja vielleicht doch auch eine kleine Triebfeder aktiv zu werden.
Jeden Tag ein bisschen, immer, wenn die Kraft da ist, sie ausnutzen.
Und dann heißt es sich selber über das Geschaffte zu freuen, sich selber anzuerkennen, wenn man eine Kleinigkeit erledigt hat.
Versuche vielleicht dich selber mit kleinen Dingen zu belohnen, wenn ein Teil aufgeräumt oder gesäubert wurde.
Aber nimm dir nicht zu viel auf einmal vor, denn dies stellt einen zu großen Berg dar, den man sich nicht zu überwinden traut.
Kleine, überschaubare Arbeiten, die du auch in deiner derzeitigen Verfassung schaffen kannst, die solltest du angehen.
Ich wünsche dir viel Erfolg!

05.12.2012 11:42 • x 1 #4


Schneckchen
Liebe Dottie,

da monty gerade alles geschrieben hat, was ich Dir auch hätte schreiben wollen, wünsche ich mir nur, dass Du Montys Antwort in Dich aufsaugen kannst.

Meine beste Freundin aus der Tagesklinik hatte auch ein ähnliches Chaos in der Wohnung, aber hat sich Schritt für Schritt durch Druck (vereinbarte Besuche bei ihr) vorangekämpft. Ich leide unter dem gleichen Problem, da ich als Perfektionistin großgezogen wurde und dann im Chaos versank.

Jetzt leben wir seit einigen Monaten mittels Wochenplan, in dem wir uns ohne Tagesangabe Vorgaben für die nächste Woche machen, die wir erfüllen möchten. Dabei sprechen wir gegenseitig ab, ob unsere Vorgaben realistisch sind. Mal geben wir uns vor genaue Tätigkeiten oder auch Entspannungen durchzuführen, mal steht nichts besonderes an, sodass wir uns sagen, dass wir uns in der Zeit x-mal bewegen wollen oder x-mal etwas tun, was erledigt werden muss.

Dieser Druck tut uns beiden gut, da wir die Tage dann nicht einfach verstreichen lassen, sondern unsere Ziele auch erreichen möchten.

Vielleicht ist das ein Denkansatz für Deine Problemlösung.

Nimm das Angebot von Medikamenten war. Solange der Körper/Seele diese benötigen, solltest Du Dir das Leben nicht schwerer machen, als es bereits ist. Jede Entlastung kann Dir helfen.

LG Schneckchen

14.12.2012 10:07 • x 1 #5


T
Hallo,
ich habe das Gleiche Problem und kannd das voll und ganz nachvollziehen. Bekomme das mit der Wohnung auch nicht hin. Nächste Woche kommt jemand vom sozialpsychiatrischen Dienst um sich das mal alles anzuschauen, wo die Probleme liegen. Bin schon ziemlich aufgeregt, weil es mir trotz allem peinlich ist, dass ich das mit der Whg. nicht gebacken bekomme. Habs auch schon mit Wochenplänen versucht, hat net geklappt. Vielleicht wirklich wenn Druck dann dahinter ist und regelmäßig jemand vorbeikommt.

15.12.2012 21:19 • x 1 #6


F
Zitat von Schneckchen:
Ich leide unter dem gleichen Problem, da ich als Perfektionistin großgezogen wurde und dann im Chaos versank.


Kann mich da auch anschließen. Es ist nicht mal nur das Saugen und Putzen, es ist das Aufräumen bei mir. Ich breite alles in der Wohnung aus, damit ich es wiederfinde. Heute MUSS ich wegräumen, weil morgen jemand kommt und bei mir putzt. Das kostet mich zwar 30 EUR, aber im Moment bin ich für jede Hilfe dankbar. Also werde ich gleich anfangen zu räumen....

Schaff dir auch irgendwie liebevollen Druck von außen, frag Freunde, ob sie dir helfen können.

Ich bekomme vielleicht am 2. Weihnachtsfeiertag Besuch von einer Mitpatientin aus der Klinik. Ich mag sie sehr und es wäre mir oberpeinlich, wenn ich nicht einigermaßen die Wohnung im Schuss habe usw.

Also es gibt noch Trigger, von denen man sich bewegen lässt

20.12.2012 09:29 • #7


S
Gehe bitte in die Klinik, glaub mir es wird dir helfen!
Ich will nicht wissen, wie schlimm es mir sonst ergegangen waere,, wenn ich es nicht getan haette.
Ich kann es nur immer wieder betonen! Und glaube mir, dein Hund wird es auch spüren und auch ihm wird es auch damit besser gehen.

13.01.2013 03:30 • #8


Gisi53
Hallo,
da ich wie Dotti damals 2012, nun in der gleiche Situation bin, wäre ich an einem Kontakt interessiert
Welche Möglichkeit habe ich

Lg Gisi53

04.03.2020 11:58 • x 1 #9


Ylva
Ich hab wegen meiner Antriebslosigkeit auch das Problem, meine Wohnung in Ordnung und sauber zu halten.
Kann dann oft nur darauf warten, bis ich einen Motivationsanfall bekomme.
Was immer bei mir hilft ist, wenn ich Besuch erwarte.

09.03.2020 12:12 • x 1 #10


Dani82a
Zitat von Ylva:
Kann dann oft nur darauf warten, bis ich einen Motivationsanfall bekomme.
Was immer bei mir hilft ist, wenn ich Besuch erwarte.


Genau so schaut es bei mir auch aus.
An manchen Tagen wache ich mit Energie auf und nutze diese dann wie bekloppt, um den Haushalt zu machen - danach liege ich dann aber auch wieder k.o. auf der Couch.

Wenn Besuch kommt kann ich wie eine Flitzebogen durch die Wohnung fegen. Was sich aber dann, wenn der Besuch weg ist, ebenfalls in ein ich bin fertig ändert.

24.03.2020 08:59 • #11


Alexandra2
ja, seufz, das kenne ich auch. Nun soll ich lernen, daß ich im Mittelpunkt stehe und nicht die Dinge und Arbeiten. Seit 3 Jahren übe ich das nun, und was anfangs künstlich war, hat sich zu einem Gehtsogefühl entwickelt. Ich mach nur das, wonach mir ist. Und da ich mit meinem Sohn im Reihenhaus lebe, ist immer mehr zu tun, als machbar ist. Es sind einfach zu viele Räume und Arbeiten.
Samstags ist mein Erdgeschoßputztag und Wäsche waschen. Diesen Tag teile ich mir nach Belieben ein. Vor mittags brauche ich gar nicht anfangen, das schaffe ich einfach nicht. Ich will mich nie mehr zwingen, auch das hat mich krank gemacht.
Ich muss akzeptieren, daß ich durch die Krankheit keine Energie mehr habe und jedes Zuviel ein neues Tief einbringt. Und davon habe ich die Nase gestrichen voll. Wenn unverhofft Besuch kommt, entschuldige ich mich damit, daß es mir nicht gut geht. Das ist einfacher, als das Kopfkino laufen zu lassen.
Angefangen habe ich mit der Eieruhr gearbeitet, die erst auf 10 Minuten stand, in 10 Minuten ohne Hektik das machen, was mir wichtig ist. Und nun ist die Belastungsgrenze bei 1 Stunde, dann muss Pause sein.
Ich habe meine Energie wahnsinnig überschätzt bzw. die übliche Erschöpfung unterschätzt. Und dieser selbstgemachte Stress, wenn ich meine Bedürfnisse ignoriere, hält die Depression am Laufen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Deshalb lautet meine Botschaft: Du bist der Mittelpunkt Deines Lebens und deshalb darfst Du das tun, was Dir gut tut.
Liebe Grüße
Alexandra

24.03.2020 11:31 • x 2 #12


A


Hallo Dottie,

x 4#13


Ylva
Das, was mich bei den ganzen unverrichteten Dingen am meisten quält, sind mein schlechtes Gewissen und meine Unzufriedenheit, so zu wohnen.

24.03.2020 14:10 • x 2 #13

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