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Burnout und bald Wiedereinstieg im Arbeitsleben

kalle68
Hallo liebe Forum Mitglieder,

ich habe eine brennende Frage auf dem Herzen und möchte euch, um eure Meinungen und Erfahrungen bitten.

Ich arbeite seit 18 Jahren ohne Unterbrechung im öffentlichen Dienst und bin seit Mai 2019 an Burnout erkrankt. Im Juni/Juli 2019 war ich 5,5 Wochen krank geschrieben und danach habe ich bis zum Ende Dezember 2019 durchgearbeitet.

Anfang Januar 2020 sollte wieder Arbeitsbeginn sein und, da ich an mir noch nie dagewesene extreme Unruhezustände gesehen habe, habe ich mich vom Psychiater krank schreiben lassen und seit dem bin ich auch ohne Unterbrechung krank geschrieben.

In der Zeit in der ich krank geschrieben bin versuche ich zu Ruhe zu kommen. Anfang meiner Krankschreibung hatte ich ein echtes Problem ruhig zu bleiben, weil ich immer und sofort was machen wollte, sofern ich an irgend welche Arbeit dachte, da ich bei der Arbeit für mein schnelles Arbeiten, Prä­zi­si­on und handwerkliches Geschickt bekannt bin, daher auch Burnout.

Jetzt nach 13 Wochen Krankschreibung habe ich nicht dieses krankhafte Verlangen, wenn ich an Arbeit denke, dass ich auch sofort machen muss. Mir ist auch klar geworden, was ich mir in den 18 Jahren an Stress angetan habe. Früher habe ich mir nie Kopf darüber gemacht sondern, wenn Arbeit anstand wurde erledigt und auch länger gearbeitet.

Meine Arbeitskollegen mit denen ich 18 Jahre verbracht habe, habe ich zuletzt Ende Dezember 2019 gesehen und seit dem kein einziges mal mit einander telefoniert oder gesehen. Ich verspüre keine Freude und auch kein Verlangen die ein einziges mal anrufen zu wollen und die anscheinend mir gegeben über auch. Und hier ist mein Problem tief in mir empfinde ich Groll und Zorn gegen sie. Die Unternehmenskultur dieser Arbeitsstelle würde ich chaotisch, unorganisiert, arbeitswütig bezeichnen gepaart mit Gleichgültigkeit und Ignoranz. Dazu kommt, dass an dieser Arbeitsstelle großzügig Alk. (B.,Schnap.) konsumiert und von Bereichsleiter unter dem Tisch gekehrt wird. Er trinkt mit. Wer wie viel Arbeit hat und macht weiß nur der Kuckuck und die rechte Hand weiß nicht was die linke Hand tut. Mir geht es wo weit gut, aber sobald ich innerlich mit Gedanken bei der Arbeitsstelle bin überkommt mich unerklärliche Unruhezustände.

Bald, wenn Coronavirus nachgelassen hat werde ich von der Klinik (6 Monate Wartezeit) einen Termin bekommen und anschließend werde ich mein Arbeitsleben wieder aufnehmen. Früher habe ich so gut wie alles hingenommen und hatte nie ein Streit und habe nie nein gesagt. Diese Arbeitsstelle kennt mich so als einen ja sagenden Arbeitstier. Jetzt weiß ich, dass das ein großer Fehler war, denn lieber streiten, Unklarheiten beseitigen und Verhältnisse klären als wenn man so tut als sei alles in Ordnung und in sich hinein fressen. Nach der Reha werde ich (hoffentlich) einen anderen gesünderen Bewusstsein erlangen und hier ist meine Frage.
Mach es Sinn den Rest des Arbeitslebens (noch 15 Jahre) an der selben Stelle mit den selben Menschen weiter zu führen. Als ein Burnout Mensch mit Rehabilitation kann ich zu meinen alten Gewohnheiten nicht mehr zurückkehren, aber ich weiß, dass die Kollegen und Leiter unverändert ihre Gewohnheiten in Zukunft weiterpflegen werden. Erwartet mich psychische Isolation, Abgrenzung, Resignation wenn ich mich verändere und die alten Gewohnheiten ablege ?
Oder macht es ehr Sinn einen Neuanfang in einem besseren gesünderen Arbeitsumfeld zu starten wo man von vornherein Fronten und Grenzen klärt ?
Jetzt habe ich meine Psychiaterin, Gewerkschaft, BEM Verfahren und eventuell Gutachten Klink auf meine Seite.

Habt ihr so was ähnliches durchgemacht, seit ihr doch an der selben Stelle geblieben, wenn ja ist es gut gegangen oder bereut bzw Arbeitsplatz gewechselt und wie waren eure Erfahrungen ?

Für eure Erfahrungsberichte und Ratschläge danke euch schon mal vom ganzen Herzen und in diese Corona Zeit wünsche ich uns allen Gesundheit.
LG

06.04.2020 12:42 • x 1 #1


ZeroOne
Hi @kalle68 !

Ich habe vor einigen Jahren ähnliches erlebt - allerdings in der Privatwirtschaft. Daher kann ich nicht beurteilen, was im öffentlichen Dienst möglich ist.

Ich habe damals mehrere Eingliederungsversuche unternommen - zuerst über das Hamburger Modell / Krankenkasse, dann nochmal über den IFD.

Diese sind gescheitert: zum Einen, weil mein damaliger Arbeitgeber nicht wirklich daran interessiert war, mich vernünftig einzugliedern und an der Arbeitssituation etwas zu ändern. Zum anderen glänzten die weiteren BEM-Beteiligten mit Untätigkeit und Inkompetenz.

Aber zum Dritten - und das ist eigentlich der wichtige Punkt - ging es mir wie dir: mir wurde immer klarer, dass ich - unabhängig von meinem Gesundheitszustand - gar nicht mehr an diesen Arbeitsplatz, zu diesen Vorgesetzten, diesen Kollegen und dieser Arbeit zurück will.

Die missglückten Eingliederungsversuche und der psychische Stress haben mich gesundheitlich dann fast noch weiter zurückgeworfen, als alles andere zuvor. Erst dann habe ich mich entschieden, mich gegen den Arbeitgeber zu entscheiden, ferner rechtlich gegen ihn vorzugehen (was andere Gründe hatte, aber Erfolg brachte) und beruflich ganz neue Wege einzuschlagen, die mit meinem Gesundheitszustand und meinen Neigungen vereinbar waren.

Rückblickend hätte ich mir aber eine Menge Leid ersparen können, wenn ich diese Erkenntnis bereits vor den Eingliederungsversuchen erlangt hätte und mich früher - gleich nach der ersten Burn-Out-Therapie - nach was anderen umgesehen hätte, wie mir übrigens auch in der Klinik angeraten wurde. Vielleicht kann man dir im Rahmen deines Klinik-Aufenthalts auch Alternativen aufzeigen, die ganz interessant für dich sein könnten?

Zitat von kalle68:
Jetzt habe ich meine Psychiaterin, Gewerkschaft, BEM Verfahren und eventuell Gutachten Klink auf meine Seite.


Das ist doch schon mal ein riesen Vorteil, wenn du so gute Unterstützung von mehreren Seiten hast! Wie gesagt: ich kenne mich im öffentlichen Dienst nicht aus, aber es sollte doch auch die Möglichkeit geben, dass man dich nicht auf dem gleichen Arbeitsplatz, sondern in einem anderen Team mit einem anderen Aufgabengebiet unterbringt, oder?

Ich persönlich (aber das ist nur meine Meinung!) würde, wenn ich noch 15 Jahre Arbeitsleben vor mir hätte, als erstes versuchen, ob ich intern bei meinem aktuellen Arbeitgeber in einem anderen Bereich ein geeignetes Arbeitsumfeld bekommen könnte, bevor ich ins große Haifischbecken springen würde und mich auf dem freien Arbeitsmarkt nochmals von Null an beweisen müsste.
Was ich aber auf keinen Fall mehr machen würde wäre, mich mit aller Gewalt an meinen alten Arbeitsplatz zurück zu zwingen und dafür die Gesundheit noch weiter ruinieren, obwohl mir eigentlich klar ist, dass ich das gar nicht will.

Hoffe, diese Gedanken helfen dir ein wenig weiter. Wenn nicht, dann vergiss sie einfach.

LG
ZeroOne

06.04.2020 13:38 • x 2 #2


kalle68
Hallo ZeroOne,

Zitat:
Ich habe vor einigen Jahren ähnliches erlebt - allerdings in der Privatwirtschaft. Daher kann ich nicht beurteilen, was im öffentlichen Dienst möglich ist.


Ich komme ursprünglich von der Industrie aus der Privatwirtschaft. Ich habe sehr lange gebraucht, um mich im öffentlichen Dienst einzuleben, weil die Arbeitsmentalität anders ist. Man sieht bei uns viele Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen die total entspannt oder gelangweilt umhergehen und wiederum sieht man manche Mitarbeiter die hektisch und gestresst schnell grüßen und weiter ziehen. Entweder hat man eine Sorgen ärmer Stelle oder eine Stelle mit vielen Sorgen. Ich bin im Bereich Bildung und Lehre tätig, jedoch nicht als Dozent sondern als technischer Mitarbeiter dh rund um die Uhr mit Studenten und Dozenten zutun. Die Möglichkeiten im öffentlichen Dienst sind in Abhängigkeit von Qualifikation und Fachrichtung gegeben. Im schlimmsten Fall kann sogar eine Zwangsversetzung beantragt oder veranlasst werden.

Zitat:
Ich habe damals mehrere Eingliederungsversuche unternommen - zuerst über das Hamburger Modell / Krankenkasse, dann nochmal über den IFD.

Diese sind gescheitert: zum Einen, weil mein damaliger Arbeitgeber nicht wirklich daran interessiert war, mich vernünftig einzugliedern und an der Arbeitssituation etwas zu ändern. Zum anderen glänzten die weiteren BEM-Beteiligten mit Untätigkeit und Inkompetenz.


Im Dezember 2019 hat sich das BEM Team bei mir gemeldet, weil ich insgesamt über 6 Wochen krank geschrieben war. Ich habe mich für ein BEM Verfahren entschieden und so habe ich mich hingesetzt und alles aufgeschrieben, was mir bedrückt, was meiner Meinung falsch läuft und was man anders machen müsste. Dieses Schreiben habe ich von der Gewerkschaft Korrektur lesen lassen, weil ich mich rechtlich absichern wollte und so wurde im BEM Vorgespräch auch vorgetragen. Die BEM Sachbearbeiterin hatte mit dem Leiter wohl unter 4 Augen Gespräch und das alles ist in die Wege geleitet.

Zitat:
Aber zum Dritten - und das ist eigentlich der wichtige Punkt - ging es mir wie dir: mir wurde immer klarer, dass ich - unabhängig von meinem Gesundheitszustand - gar nicht mehr an diesen Arbeitsplatz, zu diesen Vorgesetzten, diesen Kollegen und dieser Arbeit zurück will.


Und das macht mir am meisten Sorge. In den 13 Wochen Krankschreibung sehe ich, wie viel Stress ich geladen bin und dass der Körper und Seele viel länger braucht als man denkt zu Ruhe zu kommen. Ich hatte mit meine Kollegen nie ein Streit, aber dann fragt man sich woher diese tiefe Bitterkeit herkommt. Unser Bereich ist sehr groß und länglich, zwischen mir und meinen Kollegen und Vorgesetzten ist die räumliche Entfernung ca. 40 Meter. In meinem Bereich bin ich für vieles Zuständig und ohne Planung und Organisation war es eine Frage der Zeit bis man zusammen bricht. Ich habe versucht mich mit Händen und Füßen klar zu machen, dass die massiv zunehmende Arbeitsmenge und Komplexität kontrolliert werden sollte. Die sah immer sowohl bei Kollegen als auch bei Bereichsleiter eine gewisse Gleichgültigkeit und Ignoranz. Da war saufen und dumm schwätzen viel wichtiger als die Arbeit. Und als mein Bereich so einen arbeitswütigen Cyborg artigen Typen von Dozenten übergeben würde habe ich mich für lange Krankschreibung entschieden. Es ist sehr schmerzhaft, wenn man sieht, dass Kollegen und Bereichsleiter sich in ihren Berich zurückziehen, sich tod stellen Ich glaube von guten kollegialen Verhältnissen kann keine Rede sein.

Zitat:
Die missglückten Eingliederungsversuche und der psychische Stress haben mich gesundheitlich dann fast noch weiter zurückgeworfen, als alles andere zuvor. Erst dann habe ich mich entschieden, mich gegen den Arbeitgeber zu entscheiden, ferner rechtlich gegen ihn vorzugehen (was andere Gründe hatte, aber Erfolg brachte) und beruflich ganz neue Wege einzuschlagen, die mit meinem Gesundheitszustand und meinen Neigungen vereinbar waren.


Ich bin in meinem Bereich so stark eingespannt, dass ich kaum Zeit habe mal andere Bereiche zu besuchen und andere Kollegen kennen zu lernen. Deine Worte erinnert mich an das Gespräch mit der Betriebspsychologin. Sie hatte auch gesagt, dass ich vielleicht was anderes entdecken werde und was anderes machen werde. Ich bin ja erst mal auf die Reha auf die ich seit über 6 Monaten warte gespannt.

Zitat:
Ich persönlich (aber das ist nur meine Meinung!) würde, wenn ich noch 15 Jahre Arbeitsleben vor mir hätte, als erstes versuchen, ob ich intern bei meinem aktuellen Arbeitgeber in einem anderen Bereich ein geeignetes Arbeitsumfeld bekommen könnte, bevor ich ins große Haifischbecken springen würde und mich auf dem freien Arbeitsmarkt nochmals von Null an beweisen müsste.


Beim BEM Vorgespräch hatte ich mehr mals angedeutet, dass ich nichts dagegen hätte auch mal in einem anderen Bereich zu arbeiten. Im schlimmsten Fall werde ich zum alten Arbeitsplatz mit neuen BEM Regeln zurückkehren aber ich werde meine alten Gewohnheiten nicht mehr ausüben, wie lange ich das durchhalten kann werde ich sehen. Zwischen zeitlich werde ich mich wo anders um sehen.

Zitat:
Hoffe, diese Gedanken helfen dir ein wenig weiter. Wenn nicht, dann vergiss sie einfach.


Ich danke Dir vom ganzen Herzen für all Deine Worte, denn sie sind sehr hilfreich für mich.
LG

06.04.2020 17:01 • x 1 #3

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