PattyD
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das ist mein erster Beitrag und es wird leider gleich ein ganzer Roman - vielleicht hilft mir ja schon das Runterschreiben. Meine Frage wäre, ob ihr das kennt oder ob hier die Depression als Entschuldigung genutzt wird:
Ich bin seit 3 Jahren mit meinem Partner zusammen. Er scheint schon länger mentale Probleme zu haben, die jedoch nie behandelt wurden - was ich damals aber nicht wusste. Zum Zeitpunkt des Kennenlernens wusste ich nur, dass er hin und wieder Schlafprobleme hat und dass er mit dem Studium nicht vorankommt, habe ich damals auf die Verliebtheit geschoben. Drei Monate, nachdem wir zusammenkamen, wurde bei ihm eine mittelschwere Depression diagnostiziert. Und seitdem ist er da nicht mehr wirklich herausgekommen. Da in meiner Familie Depressionen durchaus üblich sind, fiel es mir auch nicht schwer, Verständnis zu haben. Aber das ist das erste Mal, dass ich mit chronischen Depressionen zu tun habe, und es macht mich mürbe.
Ich habe das Gefühl, mein Partner verweigert alles, was ihm helfen könnte, dass es wieder besser wird. Er schleift sich zwar zur Therapie, aber das macht er mir zuliebe und glaubt nicht, dass es etwas bringt. Wenn ich ihn frage, was er mit dem Therapeuten besprochen hat (er macht eine Verhaltenstherapie), ist die Antwort Weiß ich nicht mehr. Wenn ich frage, was denn der Therapeut empfiehlt, heißt es Durchhalten. Bewegung und einen gesündere Ernährung verspottet er, denkt, ich würde alles mit Haferflocken heilen wollen. Er nimmt zwar Antidepressiva, denkt aber, dass sie nichts bringen. Deshalb hat er sie eigenmächtig abgesetzt. Vorschläge, ein anderes Präparat zu probieren oder die Dosis zu erhöhen, lehnt er ab. Ich habe ihn bekniet, er möge doch die Tabletten wieder nehmen. (Er ist dann meiner Meinung nach zumindest etwas weniger aggressiv - er wird bei Diskussionen regelmäßig lauter und hat die einen oder anderen verbalen Ausfälle mir gegenüber. Wenn ich ihm sage, dass mich seine Äußerungen verletzen, heißt es, ich sei so empfindlich, auf dem Bau würde man auch so reden. Ich bin extra mit ihm zum Therapeuten gegangen, um ihm vom Therapeuten sagen zu lassen, dass wir ja nun einmal in einer Beziehung und nicht auf dem Bau sind, mir glaubt er ja nicht). Mit einer Verzögerung von 6 Monaten nimmt er nun wieder die Tabletten, gleiche Dosis, gleiches Präparat, obwohl das ja an seinem Antrieb nichts geändert hat.
Als wir uns kennenlernten, war er noch im Studium. Aufgrund der Depression und einer damit verbundenen Angststörung kann er aber das Masterstudium nicht fortsetzen. Zwischenzeitlich (auch das hat mich etwa 1 Jahr Überzeugungsarbeit gekostet) hatte er einen Job, der Vorteil ist, dass er sowohl über ein abgeschlossenes Bachelorstudium als auch eine Ausbildung verfügt. Es hat aber mit seinem Engagement gehapert, sodass er nach der Probezeit gehen musste - er sagt, die Arbeit habe ihm keinen Spaß gemacht. Zwischenzeitlich, als er den Job hatte und da die Probezeit dem Ende nahe war, sind wir zusammengezogen und haben gemeinsam ein Auto gekauft. Die Idee war, halbe-halbe zu machen mit den Ausgaben. Die Anzahlung für das Auto habe ich übernommen, da er pleite war - er hatte ja zuvor ein Jahr lang von Erspartem gelebt bzw. sich von den Eltern aushelfen lassen (seine Berufsunfähigkeitsversicherung wollte er nicht in Anspruch nehmen). Nun trage ich die gesamten Kosten alleine - da ich einigermaßen gut verdiene geht das, aber trotzdem lege ich jeden Monat ein wenig von meinem Ersparten drauf (er muss noch einen Ausbildungskredit abbezahlen). Und zwar seit 10 Monaten. Da der Mietvertrag für die gemeinsame Wohnung frisch unterschrieben war, als ihm gekündigt wurde, geht die Einrichtung auch auf mich. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat er nicht, da zu wenig in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt.
Das Wieder-Bewerben ist ein Drama für sich. Er hat sich jetzt in den Kopf gesetzt in Beruf xy zu arbeiten, in dem er keinerlei Berufserfahrung hat und jetzt natürlich auch mit anderen konkurriert, die 10 Jahre jünger sind und ihr Studium durchgezogen haben und die letzten 3 Jahre zumindest irgendwas gemacht haben. Daher hagelt es Absagen, was natürlich das Selbstbewusstsein in den Boden rammt. Zu kleineren persönlichen Projekten in diesem Bereich, die man als Arbeitsprobe einreichen könnte, sieht er sich nicht imstande, bzw. die Materialien dazu müssten wir kaufen und er will nicht, dass ich da für ihn Geld ausgebe.
Dazu kommt der Frust wegen des abgebrochenen Masterstudiums, der in einen Hass auf Akademiker mündet - mit dem kleinen Problem, dass ich Akademikerin bin. Ich flehe ihn an, sich doch einen anderen Job zu suchen - in seinem Ausbildungsberuf oder vielleicht auch erst einmal nur ein Aushilfsjob, den meinetwegen auch in Teilzeit. Aber das prallt an ihm ab mit der Begründung, ich hätte gut reden, ich hätte mit meinem Abschluss schon die Schäfchen im Trockenen und außerdem sei er krank. Wenn ich meine, gut, wenn er krank ist, dann sollten wir vielleicht nach anderen Behandlungsmethoden suchen, da die aktuelle offensichtlich nicht wirkt (ich denke vor allem eine Tagesklinik oder stationäre Behandlung wären sinnvoll), wird er böse, dass er so ja seine Karriere vollkommen ruinieren würde.
Es geht mir nicht so sehr ums Geld - ich habe ihm auch angeboten, ihn zu finanzieren, wenn er sein Studium doch beenden möchte, was aber wegen seiner Angststörung nicht geht - sondern darum, dass er einen Grund hat, morgens aufzustehen. Und ich bin ungemein frustriert, dass die Zukunft, die wir gemeinsam geplant hatten, und seine Versprechen mir gegenüber anscheinend nichts wert sind. Außerdem fällt es mir schwer zu verstehen, dass man bei Depression Beruf xy arbeiten möchte, Job z aber nicht geht. Ich weiß, dass Depressionen arbeitsunfähig machen können, aber dass erstens keine alternative Behandlung in Erwägung gezogen wird bzw. diese Unfähigkeit nur selektiv ist, kann ich nicht verstehen.
Außerdem fühle ich mich betrogen - er wusste, dass ich sehr gerne ein Zweitstudium absolviere, Sport mache, wandere, Sprachen lerne, tanze, usw. als wir uns dateten. Damals hat er auch alles mitgemacht und ausprobiert. Jetzt ist alles ein Problem - ich sei sportsüchtig, gierig nach Anerkennung und könnte einfach nicht die Füße stillhalten. Bis auf den Sportverein, bei dem ich dreimal die Woche ins Training gehe, habe ich alles eingefroren. Die letzten Jahre haben wir uns dann mit seinen Hobbys beholfen, um wenigstens etwas gemeinsam zu machen, aber in der aktuellen Situation ist ihm Motorradfahren zu teuer und Tennis spiele ich ihm nicht gut genug. Und ich muss mir anhören, meine Interessen seien langweilig und spießig. Es fällt mir zunehmend schwerer, an meinen freien Tagen nur die Option zwischen Playstation und Serienmarathon zu haben.
Hinzu kommt sein Blick auf die Welt, der mir aktuell zu schaffen macht. Damit meine ich jetzt nicht die insgesamt hoffnungslose Weltsicht, die ja typisch für Depressionen sind. Seit geraumer Zeit äußert er sich immer wieder S. (und manchmal meiner Meinung nach rassistisch). Merke ich das an, meint er entweder, dass die Welt nun mal so wäre oder ich sei zu empfindlich. Zum Glück lasse ich mir nichts einreden, da ich noch genug Kontakt zur Außenwelt zu haben, um zu sehen, dass ich mit meiner Wahrnehmung nicht komplett daneben liege. Aber das ist nicht der Mann, in den ich mich verliebt habe. Er ist den ganzen Tag auf Youtube und anderen Plattformen unterwegs, eine Freundin meint, dass er sich da wohl seine eigene Filterblase geschaffen hat.
Wenn ich ihm sage, dass ich mit der Beziehung derzeit unzufrieden bin, bekomme ich die Antwort, ich hätte eben romantische Disney-Vorstellungen und dass die Situation nun mal so sei. Ich fühle mich nicht ernst genommen.
Die Situation ist festgefahren, ich schreibe für ihn Bewerbungen auf Stellen für den Job xy, obwohl ich nicht mehr an einen Erfolg glaube. Bei 3 potentielle Stellen, die etwas hätten werden können, aber nicht Job xy entsprechen, hat er schon die Einstellung mehr oder weniger bewusst sabotiert, eine potentielle Zusage für Job xy wird er nun absagen, weil das zu weit weg ist (600 km) und er sich einen Alltag alleine in einer fremden Stadt nicht zutraut (wir hatten über eine Fernbeziehung im Falle einer Zusage gesprochen). Aber eine andere Stelle, 180-300 km (zwei Bewerbungen sind am Laufen) entfernt soll es nun richten, das wäre ja nicht ganz so weit weg. Wir müssten nach einem Jahr (ich zahle ja noch Raten) ein anderes Auto beschaffen, da die Reichweite unseres E-Autos nicht weit genug ist, dass er bei einer Fernbeziehung freitagabends pendeln könnte. Da und bei der Kaution eines Apartments in der Stadt geht er davon aus, dass seine Eltern oder ich das übernehme. Seine Eltern zahlen ihm derzeit monatlich die Krankenversicherung.
Ich möchte niemanden in seiner größten Not im Stich lassen, aber nach 3 Jahren bin ich jetzt kurz davor, das Handtuch zu werfen, es sei denn, er schafft in der nächsten Woche eine 180-Grad-Wende, was ja aufgrund der Depression utopisch ist. Wir hatten natürlich auch gute Tage, aber diese werden, seit er arbeitslos ist, immer seltener. Nun also nochmal meine Frage: Hat jemand Erfahrung mit einem chronisch depressiven Partner und vielleicht auch mit dieser selektiven Arbeitsunfähigkeit? Mit diesen Verhaltensänderungen?
Viele Grüße!