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Depression droht meine Ausbildung kaputt zu machen

O
Hallo zusammen,
um mein Problem zu schildern, erstmal etwas zu meiner Backstory: viele würde meine Kindheit wohl als behütet bezeichnen, aber im Nachhinein hat vieles zu meiner Depression beigetragen. Zu meiner Familie hatte ich nie ein enges Verhältnis. Meine strengen Eltern haben immer viel gearbeitet und war eigentlich nie zuhause. Aufgrund des Altersunterschiedes zu meiner Schwester hatten wir immer unterschiedliche Interesse, wodurch wir uns auch nie nahe standen. Durch einige Umzüge und Mobbing war auch in der Schule sozial isoliert und hatte kaum Freunde. Nach dem Abi zog ich fürs Studium in eine andere Stadt. Dort fing dann meine neu gewonnen Freiheit damit, die ganze fehlende Liebe und soziale Isolation die ich bisher erlebt habe in mit Essen zu kompensieren. Essstörung und Depression waren die Folge, wodurch ich es auch nicht schaffte mein Studium zu Ende zu bringen. Deswegen drohten mir meine Eltern den Geld zu zu drehen und musste ohne Uniabschluss zurück in die Heimat und mit einer Ausbildung anfangen, um nicht auf der Straße zu landen, da ich bisher weder einen Abschluss noch über eine Arbeit, die für mich finanziell über Wasser halten konnte (Stundentjobs reichen halten nicht für immer), vorzuweisen.
Nun zu meiner aktuellen Lage: ich bin meiner Ausbildung im 2. Lehrjahr, bin aber damit total unzufrieden. Das Arbeitsklima im Betrieb ist schrecklich: ständige Lästereien, ausbildungsfremde Aufgaben, kein Ausbilder der bei Fragen helfen könnte, klare Anweisung wer was machen soll werden ignoriert damit unliebsame Aufgaben an Azubis weitergegeben werden können etc. Ich könnte die Liste ewig weiter führen. In der Schule tue ich mich schwer, weil die ganzen Themen mir zu schwierig sind, trotz Lernens. Zusätzlich bauen meine Eltern psychischen Stress auf, dass ich im Leben noch nichts erreicht hätte und abnehmen muss. Anstatt mich auf konstruktive Weise zu unterstützen höre ich nur Vorwürfe und Beleidigungen, obwohl ich dank meines Azubi-Gehalt mittlerweile zumindest soweit finanziell unabhängig bin, dass ich mit vielen Einsparungen alleine leben kann. Letztes Jahr habe ich auch eine Therapie angefangen um meine Essstörung und Depressionen in den Griff zu bekommen. Jedoch war es zeitlich immer schwierig, weil ich wegen der Arbeit viele Überstunden machen muss. Zum anderen hat es meine familiären Probleme verschlimmert, weil meine Familie dachte es lässt sich alles über Nacht lösen. Außerdem haben die meine Psychologin hinter meinem Rücken angerufen und versucht alles was die über mich noch nicht wissen herauszufinden, was natürlich zu mehr Stress geführt hat. Das ganze war mir unwohl, dass ich aus zeitlichen und familiären Gründen leider abbrechen. Die andere Azubine bei mir auf der Arbeit, mit der ich mich angefreundet habe, empfindet die ganze Situation auf der Arbeit ebenfalls als schlimm und wir überlegen beide zu gehen. Als die Chefs durch Zufall letzte Woche herausgefunden haben, dass ich zumindest gehen will, gab es mega Stress. Die haben auf sehr unhöfliche Weise mit zur Schnecke gemacht. Die Vorwürfe waren, dass ich es sowieso zu nichts bringen würde und meine Leistungen hätten sowieso schon seit Sommer nachgelassen (die haben das nur erst jetzt zum Thema gebracht weil ich überlege zu gehen). Ich habe versucht klarzumachen, dass es mir aufgrund momentaner gesundheitlicher und privater Gründe schwer fällt mein komplettes Potenzial auszuschöpfen, was zu widersprüchlichen Aussagen der Chefs geführt hat. Der ganze Stress entstand nur weil ich überlege zu gehen.
Ich habe keine Familie oder Freunde, die mir hilfreich zur Seite stehen könnten. Ich bin gefangen in einem Strudel von Fressattacken, Selbsthass, Verzweiflung und weiterer negativen Gefühle, weil ich nichts erreicht habe, sowie Vorwürfen und Unterdruck setzen von anderen. Leider weiß ich nicht mehr weiter und sehe momentan kein Licht am Ende des Tunnels. Das war in einem langen Text die Kurzversion von mir (sorry dafür). Falls jemand hilfreiche Ideen für mich hat, wäre ich sehr dankbar.

10.02.2020 21:13 • x 1 #1


Mo1901
Hallo Olivia,
du lebst in einer schwierigen Situation.Das tut mir sehr Leid!
Egal wie schwer du es hattest oder hast, du besitzt Stärke damit klar zukommen. Und dieser Stärke muss dir BEWUSST werden.
Einen neutralen Wegbegleiter wie ein Therapeuten lege ich dir sehr ans Herz. Aus eigener Erfahrung weiß ich das eine Therapie unheimlich aufbauen und stärken kann!
Vor allem:
Was möchtest DU in deinem Leben?
Wo liegen DEINE Talente?
Was bereitet DIR Freude?

Mir sagte mal eine Verhaltenstherapeutin :
Gehe deinen eigenen Weg, und du wirst automatisch Wegbegleiter finden die zu dir passen!
Dieser Tipp nahm ich mir zu Herzen und ich muss sagen sie hatte Recht.

Liebe Grüße
Mo1901

11.02.2020 08:44 • x 2 #2


A


Hallo Olivia2020,

Depression droht meine Ausbildung kaputt zu machen

x 3#3


ZeroOne
Hi @Olivia2020 !

Ich kann mich @Mo1901 nur anschließen - sie hat die wesentlichen Fragen toll auf den Punkt gebracht:
Zitat von Mo1901:
Was möchtest DU in deinem Leben?
Wo liegen DEINE Talente?
Was bereitet DIR Freude?


Vielleicht kannst du über diese Fragen auch mal deine aktuelle Berufsausbildung beleuchten: Hast du die Ausbildung nur aus der Not heraus bekommen, oder interessiert dich der Beruf tatsächlich und kannst du dir vorstellen, dich in diesem Bereich (oder ähnlichen) später mal weiter zu entwickeln? Oder ist es eine gute Basis für was Neues, was dich danach interessiert?

Es ist natürlich blöd, dass das Arbeitsklima in deiner Firma nicht besonders ist und die Chefs wohl noch weniger. Andererseits schreibst du, dass du schon im zweiten Lehrjahr bist. Hast du aufgrund deines Abis Lehrzeitverkürzung? Wenn ja, dann bist du doch eigentlich schon auf der Zielgeraden, oder?

Daher würde ich persönlich versuchen, wenn in diesem Beruf meine Zukunft sehen würde (bei anderen Arbeitgebern, oder als Basis für was Neues) und noch genug Kraft aufbringen könnte, die Ausbildung auf den letzten Metern noch zum Abschluss zu bringen.

Auch hat @Mo1901 bestimmt damit recht:
Zitat:
eine Therapie unheimlich aufbauen und stärken kann!

Ich nehme nicht an, dass deine aktuelle Therapeutin deinen Eltern etwas über dich erzählt hat - das würde sie in Teufels Küche bringen. Wenn du zu ihr aber kein gutes Therapieverhältnis aufbauen kannst, dann lohnt sich vielleicht die Suche nach einer Alternative (wenn sich das in deiner Region zeitnah umsetzen lässt)?

Halt die Ohren steif!

LG
ZeroOne

11.02.2020 09:25 • x 1 #3


maya60
Hallo Olivia, Willkommen im Forum! Ich bin beeindruckt, wie klar, verständlich und strukturiert du schreibst, dein Blick ist ganz klar auf deine Situation - und die Zusammenhänge, die du machst, sind für mich absolut nachvollziehbar! Da kann ich mir dich gut in einem Studium vorstellen und nur die psychischen Probleme haben den Abschluss verhindert und der familiäre Druck!

Du hast auch sehr klar geschrieben, dass ein völlig distanziertes Familienverhältnis mit abwesenden Eltern von Anfang an dir vorenthielten, was jeder Mensch braucht, um psychisch gesund aufzuwachsen. Deine Eltern haben ihre Aufgabe der zuverlässigen Beziehungspersonen für dich nicht ausreichend erfüllt.

Das ist nicht deine Schuld.

So wuchsest du mit großen Mängeln auf und leider neigen Kinder dazu, sich das selber anzukreiden und zu meinen, sie sind es nicht wert, genug elterliche Zuwendung zu bekommen und dass mit ihnen selber stattdessen etwas nicht stimmt. Ich kenne das alles selber.Und so, völlig verunsichert, erfuhrst du auch schulisch Mobbing.

Ich bekam auch zuwenig elterliche Liebe und Zuwendung und wurde zwar nicht gemobbt, aber hatte schon während meiner Jugendzeit sicherlich depressive Probleme und ein ganz ganz schlechtes Leistungsselbstbild, so dass ich noch heute Albträume davon habe, mein Abi nicht zu schaffen.
Wäre nicht meine Freundin gewesen, die mit mir lernte, hätte ich womöglich vor lauter Selbstunsicherheit das Abi geschmissen, dabei schaffte ich es ohne weiteres und half meiner Freundin soviel wie sie mir.


Wenn du dann nach der Schule zum Studieren gehst und da ganz auf dich alleine gestellt bist, dann kommt das mangelnde Selbstvertrauen und der Mangel an Zuwendung so richtig raus! Das ist eine klassische Erfahrung, die viele kennen, ich auch. Auch ich litt unter Depressionen und Fressanfällen und wurde nur deshalb nicht übergewichtig, weil ich hyperaktiv bin und alles wieder abzappelte.
Aber: Du bist das weder schuld noch alleine mit solchen Erfahrungen noch siehst du dich realistisch. Eine Depression verändert Denken, Wahrnehmung, Gefühle und Handeln.
Schau, du schreibst so klar und fokussiert, aber du fühlst dich chaotisch und schuldig und als ob du nichts weißt. Doch dein posting zeigt: Du weißt viel. Und du finanzierst dein Leben selber, Respekt! Du hast dich nicht hängen lassen nach deinem Studiumsabbruch! Du lebst nicht chaotisch, sondern mit schwerer Erkrankung selbstverantwortlich, auch wenn du dich ganz anders fühlst.

Es geht hier gar nicht um Schuld, denn oft haben distanzierte Eltern selber gravierende Mängel erlitten, die ihnen gar nicht bewusst sind, aber nur mit Gelddruck und Forderungen an dich, das ist jedenfalls alles andere als eine liebevolle elterliche Unterstützung! Mach dir das immer klar! Deine Eltern haben nicht Recht und du Unrecht!

Darum ist es jetzt abolut wichtig, dass du, wenn sie dir gut tat, zurück zu deiner Theapeutin gehst und unbedingt die Psychotherapie fortführst! Oder dass du dir eine neue Theapie suchst! Das ist sehr wichtig! Und gehe bitte zu einem Psychiater, um festzustellen, ob du Medikamente brauchst, wie schwer deine Erkrankung ist.

Mach deinen Weg weiter wie dir auch schon hier von anderen geraten wurde! Dein Inneres weiß doch, was los ist, das zeigt dein Text!

Ich würde auch, wenn es eben geht, wie Zero schon schreibt, die Ausbildung beenden! Der blöde Spruch Lehrjahre sind keine Herrenjahre gilt leider oft, auch ich habe während meiner praktischen Ausbildungsjahre oft geflucht! Und auch wenn du deinen Lehrberuf gar nicht magst, halt durch und schau danach, wie es weitergeht.
Solange du dein eigenes Geld verdienst, kannst du jederzeit nebenberuflich oder später wieder ein Studium aufnehmen, wenn du willst, dort zählt eine Berufsausbildung auch sehr, denn die zeigt, dass du nicht lebensferne Ideen hast, dass du berufserfahren bist, das hilft dir nach einem Studium bei der Jobsuche!


Ein Tipp, um nicht abzubrechen, den ich jedesmal beherzigt habe, sonst hätte ich meinen Uniabschluss und meinen Berufsabschluss auch nicht: Immer zu zweit lernen und Prüfungen machen! Meine Versagensangst aber Leistungsstärke und die Angstlosigkeit und Leistungsstärke meiner Freundinnen und deren Nervenstärke haben alles zum guten Abschluss gebracht! Und zwar für beide!

Aber du musst dazu parallel unbedingt sofort deine Erkankung behandeln lassen! Denn sonst fehlt dir einfach nötige Kraft.

Sobald du dich gesünder fühlst, ziehe bitte daheim aus, denn du brauchst mehr Distanz zu deinen distanzierten Eltern!

Liebe Grüße! maya

11.02.2020 10:15 • x 4 #4

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