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Depression nicht anmerken lassen

blossom79
Hallo Ihr,

vermehrt habe ich das Problem, dass ich immer öfters zu hören bekomme, dass man mir gar nicht anmerkt, wie sch. es mir geht.
Ich hab es immer damit abgetan, dass das jahrzehntelanges schauspieltraining sei.

Aber auch Ärzte haben manchmal das Problem bei mir.
So kurz vor der Reha denke ich mir, ist doch sch., wenn alle denken es geht mir gut, aber in mir drin ist es so dunkel, dass ich dem Ganzen nur noch ein Ende setzen will.

Kennt das noch jemand von Euch? Dass ihr als eigentlich gesund empfunden werdet?

14.03.2022 09:44 • x 4 #1


M
Ja, das kenne ich sehr gut. Ich habe auch die Tendenz, wenn ich wieder beim Arzt bin die ganzen Beschwerden runterzuspielen und zu sagen, dass es mir wieder besser geht. Warum? Keine Ahnung. Das hilft mir jedenfalls nicht. Der Arzt kann nicht in meinen Kopf hinein schauen. Wenn ich sage alles ist gut, dann geht er auch davon aus, dass alles gut ist.

Ich habe mich dazu entschieden - zumindenst bei Ärzten und Therapeuten - eine 180 Grad Wende einzulegen. Eher ein bisschen übertreiben, eher auf die Tränendrüse drücken, sagen wie schlecht es einem geht, lieber einmal öfter hingehen. Damit gleiche ich die Tendenz wieder aus. Außerdem bleibt man beim Arzt im Gedächtnis. Er merkt, dass es dringend ist.

Ich glaube es ist auch ein Merkmal der Depression, dass man seine Beschwerden selbst herunterspielt. Neulich gab es einen interessanten Bericht bei Stern TV über Kurt Krömer, einen deutschen Comedian, der sich selbst als Depressiver geoutet hat. Zu finden bei Youtube. Darin erzählt er, dass er noch ein paar Tage vor seinem Klinikaufenthalt Liveauftritte und Fernsehauftritte absolviert hat. Er stand die ganze Zeit im Rampenlicht. Niemand hat ihm seine Depression angemerkt.

14.03.2022 10:25 • x 3 #2


A


Hallo blossom79,

Depression nicht anmerken lassen

x 3#3


Stromboli
Hi blossom
Dein Anliegen teilen bestimmt ganz viele Depressive mehr, als ihnen lieb ist. Ich kenne es aus meinem Leben auch sehr gut.
Ich denke, es ist für Depressionen oft geradezu typisch, denn sie entstehen dadurch, dass man gezwungen wird, eine heile Fassade aufzusetzen, gute Miene zu einem bösen Spiel zu machen und seine wahren Gefühle so zu unterdrücken und abzuspalten, dass man sie schliesslich überhaupt nicht mehr wahrnehmen kann. Man hat nur gelernt das gute Kind zu sein, weil man nur so scheinbar geliebt oder wenigstens akzeptiert wurde. So spielt man diese Rolle weiter, auch wenn es in der Seele finster und tot ist.
Du hast damit ganz viele Leidensgenossen und -genossinnen.
Herzlich Stromboli

14.03.2022 12:25 • x 6 #3


blossom79
Ich bin ja seit fast 2 Jahren krank geschrieben. Das erste halbe Jahr wegen der Bandscheibe, aber egal.
Meine Eltern wissen dass ich schon so lange daheim bin.
Gestern sagte ich Ihnen, dass ich nächste Woche in Reha gehe. Meinte meine Mama ganz verdutzt: "warum"
Das hat mir so einen Stich ins Herz verpasst.

14.03.2022 12:44 • x 3 #4


A
Hey Blossom,
Ja, das kenne ich gut. Wahrscheinlich noch aus der Kindheit antrainiert keine Drama Queen zu sein.
In letzter Zeit kann ich aber fast auf Knopfdruck losheulen (muss aber dazu sagen, dass gerade echt eine üble Phase ist) und irgendwie scheu ich auch nicht mehr davor vor Freunden oder Ärzten die Tränen zurück zu halten. Als Kind hätte mir das gut getan das Zulassen zu können. Umso wichtiger jetzt.

Kurt Kromers Bericht mag ich mir Mal anschauen.

Liebe Grüße
Alma

14.03.2022 20:56 • x 1 #5


Uerdinger
Hi blossom
Ja, das kenne ich auch gut

Ich könnte @Stromboli jetzt hier kopieren weil ich jedes seiner Worte hier unterstütze. Ich selbst binkein Mann vieler Worte. Hab schon an anderer Stelle hier geschrieben , dass ich Freunden und Geschwistern gegenüber meine Depressionen anspreche, das aber garnicht richtig wahrgenommen wird....
LG
Uerdinger

16.03.2022 21:28 • x 2 #6


DragonSoul
@blossom79

Hallo blossom,

ich teile die Sicht von Stromboli, dass Du hier ganz vieler derer finden, die das erleben.

Du schreibst dass ist jahrzehntelanges Schauspieltraining... genau das ist das Problem. Wer das Jahrelang tut um sich selbst zu schützen kommt da schwerlich wieder raus.

Aber ich verstehe Dich total gut. Mich macht das manchmal rasend, wenn ich mich dann mal öffne und erzähle wie es mir geht und dann kommt ein Schulterklopfen Du bist stark du machst das schon.... und nur weil das innere mit dem Äußeren nicht übereinstimmt.
Bei meiner ersten Reha wurde ich gefragt ob jetzt keine Lust mehr hätte arbeiten zu gehen....

Bleib dran.... irgendwann kommt der / die Menschen in Dein Leben, die Dich wirklich sehen können.
Wir können leider die Menschen um uns herum nicht ändern.

30.03.2022 14:07 • x 2 #7


ZeroOne
Ich kenne das auch, fürchte allerdings, dass sich daran nicht viel ändern wird.

Die Menschen sind so und wenn man nicht alleine als Einzelkämpfer mit seiner Erkrankung durchs Leben ziehen kann, dann besteht Maskenpflicht, um sozial nicht einfach vom Tellerrand gewischt zu werden.

Ich denke, dass Unverständnis des Gegenübers die mildere Stufe ist. Rückzug, Einstellen des Kontakts und Ignoranz ist für mich der heftigere Level. Und das erlebt man nicht nur bei gesunden Mitmenschen, sondern auch bei Weggefährten, wenn man plötzlich nicht mehr freundlich, zielstrebig, zugewandt und tight rüber kommt.

Also steht Maske tragen an. Und ich vermute: je öfter und länger man diese für andere trägt, desto schwerer wird es, sie vor sich selbst abzusetzen.
Und desto mehr leidet die eigene Genesung darunter.

31.03.2022 05:30 • x 2 #8


Lilly-18
Das Maske tragen macht im Alltag natürlich Sinn. Schließlich geht es ja niemanden etwas an, wie es einem geht. Aber im vertrauten Freundes- und Familienkreis sollte man schon offen sein können.
Natürlich gebe ich auch nicht alle meine Gefühle ungefiltert preis, aber ich lüge nicht mehr. Das ist schon mal ein erster Schritt und sicher auch Übungssache.
Ich habe eine schwer depressive Freundin, da höre ich schon an ihrer Stimme, wie es ihr geht. Wenn es ihr wieder sehr schlecht geht, lässt sie nur ihren Mann und ihren Papa zu sich vor. Sie sagt dann, ich melde mich wieder, wenn es mir besser geht. Das kann ich gut akzeptieren, denn ich weiß, das tut sie auch. Ich biete meine Hilfe an, mehr kann ich nicht tun. Wir können über ihre Erkrankung sprechen und sie bestimmt, wie viel sie preis gibt.
Wie gesagt, das ist Übungssache. Wenn du dich verstellst ziehst du die falschen Menschen an.

31.03.2022 06:02 • x 1 #9


A
Zitat von ZeroOne:
Also steht Maske tragen an. Und ich vermute: je öfter und länger man diese für andere trägt, desto schwerer wird es, sie vor sich selbst abzusetzen.
Und desto mehr leidet die eigene Genesung darunter.

Ja, absolut. Ich erlebe es aktuell, wie gut es tut, die Maskerade nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die Furcht vor den Reaktionen im Umfeld kann sehr heftig sein. Ich habe mich derzeit zweimal geoutet. Meine ältere Tochter atmete auf und war froh, dass ich endlich ehrlich war. Mein älterer Sohn reagierte mit Unverständnis und zum Schluss auch mit Abwehr. Das will ich gar nicht wissen.
Es kann schon sein, dass sich eine Änderung im Familiengefüge ergibt. Aber soll ich um den vermeintlichen Zusammenhalt willen weiterhin meine perfekt einstudierte Rolle spielen? Ich gebe zu, die Entscheidung zum ersten Schritt, die Maske Stück für Stück ein wenig mehr abzusetzen, macht mir Angst. Aber ich werde es tun.

31.03.2022 07:50 • x 1 #10


Uriel
Ich weiß nicht wie es mein Psychiater gemacht hat. Ich kam ins Sprechzimmer und gloeich Sag nichts, dir geht es sch.. Dabei habe ich versucht ein fröhliches Gesicht zu machen. Den konnte ich einfach nicht betrügen. Der wusste wie es mir geht. Da hatte der eine sehr feine Antenne.
Mein jetziger Psychiater merkt auch, wenn es mir nicht gut geht, aber er lässt sich nichts anmerken. Da ich keine Krankschreibung brauche, ist das auch in Ordnung.

31.03.2022 09:15 • #11


K
Hey,

ja, Du befindest Dich in guter Gesellschaft. Der schlimmste Satz, den ich hören muß, ist: Du siehst aber gut aus!
Stimmt, durch gepflegte Kleidung und ein gepflegtes Äußeres kommt keinem Außenstehenden der Gedanke, daß irgendwas nicht
stimmen könnte.
Und da wir ja alle sicher schon oft gehört haben: Reiß Dich zusammen. Oder: Anderen geht es auch schlecht oder schlechter,
fallen wir am Besten gar nicht auf. Weder durch Äußerlichkeiten noch durch Äußerungen. Und funktionieren prächtig weiter.
Bis nichts mehr geht. Dann sind alle um einen herum sehr erstaunt.
Nichts herunterspielen, versuchen Worte zu finden und seinen Zustand so gut wie möglich beschreiben. Und wenn es mal länger dauert, bis man sich ausdrücken kann, dann ist das eben so. Kein Mensch ist gleich. Keine Depression vergleichbar.
Selbst meine Phasen waren und sind immer wieder anders und wollen immer neu beschrieben und entdeckt werden.
Nun mir und auch den Ärzten.
Und nur weil etwas mal für eine Depression ungewöhnlich ist, heißt es nicht, daß es nicht sein kann oder darf.
Ich habe gerne zur Antriebslosigkeit eine furchtbare Unruhe.

31.03.2022 11:00 • #12


A


Hallo blossom79,

x 4#13


Jedi
Hi @ZeroOne

Zitat von ZeroOne:
Also steht Maske tragen an. Und ich vermute:
je öfter und länger man diese für andere trägt, desto schwerer wird es, sie vor sich selbst abzusetzen.

Und desto mehr leidet die eigene Genesung darunter.

Stimmt absolut Zero - Ich finde, dass es zu einer zentralen Erkenntnis gehören sollte !

LG Jedi

31.03.2022 11:39 • x 2 #13

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