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Depression vom Ehemann - Verständnis für Krankheit schwächelt

Xarna
Guten Abend, ihr Lieben.

Ohne dass ich angefangen habe, schätze ich, dass folgender Text sich sehr in die Länge ziehen wird und ich hoffe, dass es jemanden gibt, der sich trotzdem die Mühe macht und es liest.

Schon länger überlege ich, mich irgendwie in Foren darüber auszutauschen. Dieses Profil hier besteht also schon länger. Doch hat mich immer der Gedanke davon abgehalten aaaach, so schlimm ist es doch gar nicht.
Nun bin ich aber leider an einem Punkt, an dem meine letzte Hoffnung fröhlich winkend an mir vorbei zieht. Also greife ich verzweifelt nach irgendeinem Strohhalm, auch, wenn es nur ein Forum ist.
Was ich mir davon erhoffe, weiß ich selbst nicht. Und selbst, wenn ich es tief in mir drin wüsste, möchte ich es dann hören? Fakt ist, ich muss mich austauschen und kann es nicht mehr aushalten, alles zuzudeckeln.

Also. Worum geht es hier überhaupt?

Ich fühle mich wie ein kleiner Verräter, es auszusprechen oder zu schreiben.
Mein Partner ist depressiv.

Wie lange er es ist schon ist, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich war er es schon vor unserer Beziehung und ich habe es einfach nicht gemerkt, bzw. wurde es durch die rosarote Brille ganz wunderbar kaschiert.
Wir sind jetzt 1,5 Jahre ein Paar, 1 Jahr davon leben wir zusammen. Damit fing wahrscheinlich alles an.
Ich bin die erste Frau, mit der er zusammen lebt und ich schätze, dass ihm jetzt erst viele Probleme seiner selbst bewusst werden, die ihm vorher nicht so aufgefallen waren.

Er hatte eine unglaublich beschissene (entschuldigt den Ausdruck) Kindheit. Seine Mutter heiratet demnächst zum 7. Mal. Schon als er klein war, holte sie sich Alk. und gewalttätige Männer ins Haus. Er kann relativ gut darüber sprechen, dass er nachts oft vor Angst wach lag und mehrfach die Polizei rufen musste. Das ist jetzt die Kurzversion dessen und für die Online-Variante muss das ausreichen.
Zu seinem Vater hatte er emotional eine tiefere Verbindung, wenn auch nicht so tief, wie das Verhältnis Eltern-Kind sein sollte.
Na ja. Irgendwann wird man dann erwachsen und als er endlich den Absprung von zu Hause schaffte, ging er zur Bundeswehr. Auch einen Auslandseinsatz hat er hinter sich gebracht - freiwillig. Mit den Folgen dessen kämpft er zum Teil heute noch.

Ich bin inzwischen schon wieder 3x kurz davor gewesen, den ganzen Text wegzuhauen. Wahrscheinlich ist es einfach zu umfangreich. Trotzdem lasse ich es jetzt so stehen, weil ich denke, dass man manche Inhaltspunkte einfach braucht, um die aktuelle Situation zu greifen.
Schließlich sieht man sich als Partnerin oft in der Position, sich für seinen Partner rechtfertigen zu müssen, bzw. ihn in Schutz nehmen zu wollen.

Trotz allem was er durchmachen musste ist er ein liebevoller Mann. Umsichtig, aufmerksam, fürsorglich, respekt- und humorvoll. . gewesen.
Das alles war mal.

Im Dezember ist sein Vater plötzlich verstorben. Wir wollten ihm zwischen den Feiertagen einen Besuch abstatten. Alles war geplant. Nur die Uhrzeit nicht. Also riefen wir 2 Tage vorher an um diese zu erfragen. Niemand ging ans Telefon. Wir haben uns Sorgen gemacht und sind früher als erwartet angereist. Und da war es auch schon zu spät. Wir fanden ihn in seiner Wohnung, noch ansprechbar, aber nur noch ein Schatten seiner selbst. Ich rief den Notarzt und sein Vater kam ins Krankenhaus, in dem er nur einen Tag später seinem diabetischem Koma erlag. Es war grausam.
Noch nie hatte ich meinen Freund so hilflos, verzweifelt und bitterlich weinen sehen. Wir kamen einfach zu spät.

Noch Wochen später musste ich mit Vorwürfen kämpfen, dass sein Vater noch leben würde, wenn meine Weihnachts-Planung nicht gewesen wäre.
Er fiel in ein tiefes Loch. Verständlicherweise. Doch heute weiss ich, dass der Tod seines Vaters nur das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Er fing an, sein ganzes Leben zu überdenken, stellte unsere Beziehung immer wieder in Frage, machte mir Vorwürfe, nahm mich nicht wahr.
Ich organisierte die Beisetzung und Beerdigung. War für ihn da, gab ihm Halt, hielt ihn nächtelang im Arm, weinte mit ihm.

Es folgten Wochen von Dankbarkeit, dass ich für ihn da war und ihn unterstütze - im Wechsel mit ich will allein sein, Rückzug, Distanz und einem Leben in der Blase.
Neben all dem her arbeite ich Vollzeit als Krankenschwester, bin alleinerziehende Mutter einer 8jährigen Tochter und muss selbst mit meinen Kräften haushalten. Nun ist mein Partner schwer depressiv. Seit 8 Monaten akut. Kommt aus seinem Loch nicht mehr raus. Seine Stimmungen sind stets schwankend. Von Himmel-hoch-jauchzend bis zu ich tu euch nicht gut, ihr seid ohne mich besser dran und ich ziehe euch nur mit runter.
Alles sieht er schwarz. Er ist der festen Überzeugung, dass er früh sterben wird, weil seine Familiengenetik aus seiner Sicht einfach so sei, auch deswegen wolle er keine eigenen Kinder, er wäre wahrscheinlich auch ein schlechter Vater und ohnehin würde alles zu Staub zerfallen, was er anpackt. Niemand könne ihm helfen, es sei sowieso aussichtslos. Er meint, er müsse genauso einsam und allein sterben wie sein Vater. Er würde eh nur alles in den Sand setzen und nichts Wert und schon gar nicht meine Mühen. So sieht er die Welt durch einen grauen Schleier. Ist kaum dazu in der Lage, überhaupt Emotionen zu empfinden. Seinen Alltag hingegen bewältigt er jedoch ganz gut. Geht regelmäßig und pünktlich zur Arbeit, treibt Sport.

Durch meine Augen würdet ihr einen unfassbar attraktiven Mann sehen, der viel durchstehen musste und dabei mir und meiner Tochter trotzdem ein liebevolles Vorbild sein kann. Der uns liebt, der sein letztes Hemd für uns geben würde. Der Lob und Anerkennung zwar schlecht annehmen kann, sich aber insgeheim darüber freut. Einen Mann, der gefühlt 5cm wächst, wenn meine Tochter ihm mit strahlenden Augen erzählt, dass er der stärkste Mann ist, den sie je gesehen hat. Einen Mann, der auch mich unterstützt, wenn ich gestresst von der Arbeit komme. Einen Mann, der das Abendessen zubereitet. Einen Mann, den ich so sehr dafür bewundere, dass er die alltäglichen Dinge so gut meistert, obwohl ihm das Leben so böse zugespielt hat.
Einen Mann, der es wirklich bis zur letzten Haarspitze verdient hat, geliebt zu werden. Genau so wie er ist. Auch mit seiner Depression.
Wir drei bilden die Familie, die er als Kind nie haben durfte.
Ich weiß, dass er uns genau so sehr liebt, wie wir ihn.

Er kann es zwar nicht mehr ganz so gut zeigen, aber ich weiß, wie warm sein Herz ist.

Auch wenn er der festen Überzeugung ist, dass er uns nicht gut tut und wir ohne ihn besser dran wären, ist ein Leben ohne ihn für mich nicht vorstellbar.

Überhaupt verstehe ich seinen Gedanken nicht, er könne uns nicht glücklich machen. Er tut es jeden Tag.
Ich verstehe nicht, wie dieses Monster Depression einen Menschen so kaputt machen und die gesamte Wahrnehmung verändern kann.

Ich halte ihm den Rücken frei, nehme ihm die Dinge ab, die ich abnehmen kann. Kritisiere ihn nicht, stecke zurück, grummle darüber nicht.

Irgendwie hatte ich gehofft, dass seine Stimmung sich über die sonnigen Sommertage etwas bessern würde. Von allein. Dem war nicht so.
Er rutscht immer tiefer.

Entwickelt körperliche Symptome, hat ständig Schmerzen in Knie oder Rücken. Kann deswegen kein Sport machen, was ihn noch mehr runter zieht, weil ihm Bewegung und Fitness sehr wichtig sind. Er ist häufig krank. Halsschmerzen, Erkältung. Schlafprobleme. Kann schlecht ein-und durchschlafen. Ist dadurch gereizt und wenig belastbar.

Aktuell ist es auf dem Tiefpunkt. Arbeit funktioniert gut, aber zu Hause geht gar nichts. Der Griff zum Staubsauger ist zu viel, vom ungemähten Rasen brauch ich gar nicht anfangen, da möchten seine Blicke mich schon töten. Er verkriecht sich in seiner Playstation Welt. Ballerspiele. Darin ist er gut und hat so täglich seine Erfolgserlebnisse. Ich setz mich dazu und feuer ihn an, gelegentlich spiele ich mit, weil ich es liebe zu sehen, wie er sich über seine Siege freut. Sonst freut er sich im Alltag nämlich gar nicht mehr. Bzw wirkt seine Freude über Kleinigkeiten ehr gezwungen, ich tu so, als würde ich ihm sein Schauspiel abnehmen, als Anerkennung, dass er wenigstens versucht sozial kompatibel zu sein. Ich weiß, dass er sich dazu besonders aufraffen muss, weil er am liebsten einfach nur allein sein würde.
Doch wir leben in einer Familie. Da ist Rückzug ehr schwierig, da der Alltag viel Raum beansprucht.

Nun ist er auf dem Trichter, hier ausziehen zu wollen. Weil er nur noch alleine sein will.
Lieben tut er uns aber trotzdem.
Auf der einen Seite will er uns unbedingt in seinem Leben behalten, weil wir ihm Familie und Stablität geben - auf der anderen Seite spricht die Depression und sagt, er sei nicht gut genug für uns, wir wären ohne ihn ohnehin besser dran und er ein hoffnungsloser Fall.

Nun habe ich ihm mehrfach und ausdrücklich nahe gelegt, dass er jetzt an einem Punkt ist, an dem seine Trauer über seinen Vater nicht von alleine besser wird. Habe ihm nahe gelegt, dass er allgemein Dinge aufzuarbeiten hat (Kindheit, Auslandseinsatz. ) und sich unbedingt Hilfe suchen muss. Dass ich ihm gern die helfende Hand dazu reiche, für ihn da bin, ihn unterstütze und nicht aufgebe. Dass unsere Liebe stark genug ist und das aushält.

Dann weint er und sagt, er will keine Hilfe. Er ist Soldat und das sei mit seinem Beruf nicht zu vereinbaren. Er sei keine Weichwurst. Er wüsste, dass er Hilfe braucht, aber es geht nicht und würde ohnehin keinen Sinn machen.

Wir sind jetzt tatsächlich an einem Punkt, an dem er sich aus Liebe trennen will.
Bzw. darüber spricht.
Ich weiß, dass er nur weglaufen will. Seine Mutter hat es ihm schließlich nie anders vorgelebt. Wenn es schwierig wird, haut man eben ab.
Er selbst sagt, dass er es wahrscheinlich bitterböse bereuen wird.
Aktuell fehlt ihm der Antrieb, seine Ideen in die Tat umzusetzen.

Die ganze Zeit über habe ich mich für ihn aufgeopfert, zurück gesteckt, ihm alles abgenommen, seine Launen und Zurückweisungen ertragen. Habe nachts auch heimlich in mein Kissen geweint. Bin am Ende meiner Kräfte. Aber ich will diesen Mann nicht ziehen lassen, weil ich weiß, wie wundervoll er ist.

Muss man einen Depressiven wirklich erst auf den Boden der Tatsachen aufklatschen lassen, bis sie begreifen, was passiert und bis sie sich helfen lassen?

Er hat kaum noch Freunde, weil er sich in seiner Depression nicht mehr drum gekümmert hat. Seine Familie ist ein Haufen Asche. Wenn er jetzt wirklich geht, hat er gar keinen mehr. Und ich ertrage es nicht, ihm dabei zuzusehen, wie er sein eigenes Leben demontiert und meines und das meiner Tochter dabei gleich mit in Scherben wirft.

Fühle mich so unfassbar hilflos. Es ist wie in einem Film, in dem man auf das HappyEnd hofft, obwohl man weiss, dass das Genre Drama ist.

Ich weiß nicht mehr, wie ich ihm helfen soll, wenn er keine Hilfe will. Wenn er unbedingt allein sein WILL.
Ich habe auch noch meine Tochter und meinen Job um den ich mich kümmern muss. Ich kann mich nicht vollends für ihn aufgeben

30.08.2019 22:36 • x 5 #1


Dakota
Zitat von Xarna:
Muss man einen Depressiven wirklich erst auf den Boden der Tatsachen aufklatschen lassen, bis sie begreifen, was passiert und bis sie sich helfen lassen?


Ich denke es gibt nicht den Depressiven, denn jeder Mensch ist anders, jede Depression etc.
Wenn ich lese, was Du schreibst, werde ich total sauer-auf Deinen Mann! Ich bin selbst chronisch krank. Da Du Krankenschwester bist, hast Du vielleicht auch eine Vorstellung von Gesundheit und Krankheit im allgemeinen und vielleichst kannst Du meine Haltung nachvollziehen-dass jemand krank wird/ist, ist nicht das eigentliche Problem, aber die Art und Weise, wie er damit umgeht schon. Wenn jemand einen derart hohen Leidensdruck hat wie Dein Mann, aber keine professionelle Hilfe sucht, dann tut es mir für die Person allein schon Leid, ist dann aber so. Aber in Deinem Fall hängen da andere mit dran, nämliche Deine Tochter und Du! Ich persönlich würde mir da wünschen, dass er wenigstens für Deine Tochter und Dich etwas unternimmt (wenn schon nicht für sich)!
Eines noch: Ich sage selten etwas so deutlich, aber ich bin der Auffassung, dass Du ihm nicht helfen kannst! Das können nur Profis. Du kannst doch auch nicht dem Chirurgen im OP die Arbeit abnehmen. Da haben sich schon viele Angehörige, Freunde, Partner etc. zwecklos dran versucht.
Wäre der gemeinsame Besuch einer Paarberatung eine Option (die ihm ggf. von außen noch mal ganz deutlich sagen würden, dass er was machen muss)?

31.08.2019 06:58 • x 5 #2


A


Hallo Xarna,

Depression vom Ehemann - Verständnis für Krankheit schwächelt

x 3#3


Alexandra2
Liebe Xara,
Herzlich willkommen im Forum.
Du hast alles menschenmögliche getan. Hut ab!
In einer schweren Depression ist man nur noch ein Schatten seiner selbst, empfindet völlig anders, wenn die Schwere nicht alles zukleistert. Argumente prallen ab.
Du könntest Deinen Mann bitten, die Prioritäten anders zu setzen: erst zum Arzt, Behandlung beginnen und DANACH neu entscheiden mit Trennung etc
Die Krankheit könntest Du gleich setzen mit Entstehung durch chronischen Stress, Trauma und unverarbeiteter Trauer. Das Nervensystem unterscheidet nicht, ein Verbrauch der Neurotransmitter ist wahrscheinlich. Die fehlenden lösen die Depression aus. Vielleicht ist dieses Modell eher annehmbar für Deinen Partner? Daß es nicht so einfach ist, wird er selbst herausfinden.
Wenn er das nicht will, gäbe es noch die Möglichkeit eine Kurzzeittherapie zur Trauerbewältigung zu machen oder zu einer Trauergruppe zu gehen. Dort würde er erleben, wie hilfreich es ist, über den Schmerz zu sprechen und bestenfalls von selbst überzeugt werden, doch eine Behandlung zu beginnen.
Und für Dich ist wichtig, glaube ich, selbst etwas für Dein Wohl zu tun. Sport, Schwimmen, Radfahren, Ausflüge, Mädelsabend etc, um auch mal durchzuatmen. Pass gut auf Dich auf.
Liebe Grüße Alexandra

31.08.2019 07:36 • x 4 #3


Xarna
Guten Morgen Allerseits !

Erst mal Danke, für eure Beiträge, möchte da gern einmal drauf eingehen.

Dakota.
Ich bin auch oft sauer auf meinen Mann. Bevor ich mit ihm zusammen gezogen bin, habe ich mit meiner Tochter 6 Jahre lang allein lebt. Ich hatte in der Zeit zwar etwas kürzere Liebeleien, war aber so verängstigt wieder zu scheitern, dass ich niemanden so richtig in mein Herz lassen konnte. Bei meinem jetzigen Partner hingegen hat sich alles so richtig und wunderbar angefühlt, dass wir dann ja auch relativ schnell zusammen gezogen sind. Ich war und bin immernoch total überzeugt davon. Ich habe also mein Sicherheits-Kissen für ihn aufgegeben und mich getraut, mir mit ihm etwas aufzubauen und das ganze auch für meine Tochter zuzulassen. Die ihn übrigens total ins Herz geschlossen hat, sie nimmt ihn so an, wie er ist, sucht seine Nähe und ist ihm im allgemeinen sehr zugewandt. Auch er hat seine Rolle der neuen Verantwortung angenommen und ist darin aufgegangen. Die beiden sind ein Ar. und ein Eimer.
Na ja. nun will er einfach mal eben so abhauen. Mich und meine Tochter in dem Haus sitzen lassen. Ich arbeite schon Vollzeit und weiß gar nicht, wie ich das finanziell alles stämmen soll. Er wirft also auch mich in Zweifel und Existenzängste.Werde nächste Woche mit meinem Chef ein Gespräch führen und hoffe, dass ich eine Gehaltserhöhung bekomme und dann werde ich meine Tochter vom Hort abmelden müssen, um das Haus halten zu können. Wir leben hier zur Miete. Er sagt, ich könnte mich ja auch was Kleineres suchen. Nur hier im Ort werden die meisten Objekte verkauft und nicht vermietet und das, was vermietet wird, ist von der Grundmiete spottbillig, aber die Nebenkosten fressen einen auf, da überwiegend altes Mauerwerk, Durchlauferhitzer etc. . Den Ort wechseln kann (und ehrlich gesagt will) ich nicht. Meine Tochter geht hier im Ort zur Schule, ich habe meine Eltern in der Nähe, die meine Lütte in die Schule bringen und abholen (weil ich ja Vollzeit arbeiten bin). Für mich ist ausziehen also keine Option.
Wir haben uns das hier gemeinsam aufgebaut und auch er trägt Verantwortung dafür, ob er das nun hören will oder nicht.
Meine Tochter weiss nichts von der aktuellen Situation. Aber wenn sie es erfährt, wird es ihr das Herz brechen und während er sich dann weg macht und an sich denkt sitze ich dann mit ihr in den Trümmern seiner Depression und während ich leide, muss ich das Leid meiner Tochter genauso abfangen. Und genau DIESER Umstand macht mich wütend. Dass er uns durch seine Depression gar nicht wahr nimmt. Und mit Argumenten kommt Ja, das wird wahrscheinlich hart für euch, aber ohne mich wird es euch besser gehen Damit belügt er sich selbst! Es wird uns NICHT besser gehen ohne ihn. Und da ist mir das finanzielle schon fast egal, er wird als Mensch und Person fehlen und ein Loch hinterlassen!

Und warum ich noch wütend bin?
Aktuell ist er auf Übung. Also von der Bundeswehr aus ne Woche weg und einen Depressiven, der schon öfters sehr kritische Gedanken geäußert hat, lässt man dort mit Waffen spielen.
Ich seh solche Übungen salopp gesagt als große Klassenfahrt. Die Jungs haben dabei immer eine Menge Spass. Gestern Nacht hat er mir Fotos geschickt, wie sie hart am Feiern sind, er sieht glücklich auf aus den Bildern. Habe ihm dann geschrieben, dass ich es schön finde, dass er die Zeit genießen soll und dass es ihm gut tun wird. Innerlich bin ich aber wütend darüber, dass er da seine Depression mit der Uniform ablegen kann, während ich hier nachts heulend vorm Laptop sitze und im Depression-Diskussion-Forum schreibe.

Eine Paartherapie habe ich ihm auch angeboten. Habe ihm sogar angeboten, eine Therapie bei einem Psychotherapeuten (zumindest erst mal nur ein paar Stunden) privat aus eigener Tasche zu bezahlen, wenn er das nicht über die Bundeswehr laufen lassen will (die dürfen ja nur zu Truppenärzten etc.) Aber egal, was für Ideen und Vorschläge ich bringe, er will es nicht.
Manchmal fühle ich mich so, als würde ich einen Handstand für ihn machen und breit grinsen, während er anerkennend nickend an mir vorbei geht und sagt toller Handstand, aber gar nicht sieht, wie lange ich schon so stehe.
Ich kann machen was ich will, er sieht es nicht.

Aber Danke Dakota, für deine Nachricht!
Es tut einfach gut, sich mal auszutauschen ! Danke Danke !




Alexandra.
Danke dir. Manchmal erkenne ich auch, dass ich alles menschenmögliche getan habe. Aber ich hab auch meine Tiefpunkte an denen ich selbst an mir zweifel und mich frage, ob ich hier die Depressive bin, die Hilfe braucht.
Ich weiß, dass ich unbedingt Dinge tun sollte, die mir gut tun.
Heute Abend bin ich auf eine Feier eingeladen. Ich weiß, dass ich defintiv hingehen werde, aber große Lust habe ich nicht. Ich bin ein Mensch, dem man jede Emotion im Gesicht ablesen kann. Kein Pokerface. Ich habe keine Lust, dass die Leute fragen, was mit mir los ist - zumal ich es ja eh nicht erklären kann, würde man ja die ganze Stimmung mit sprengen. Schauspielern liegt mir aber leider so gar nicht, also werde ich vermutlich meine Lippen an eine Bierflasche hängen und heimlich hoffen, dass sich das euphorisierende Gefühl von ganz allein einstellen wird und DANN hab ich hoffentlich einen schönen Abend und habe mir etwas Gutes getan und kann hoffentlich mal damit aufhören, darüber nachzudenken, wie es ihm wohl geht, wie ich ihm helfen kann oder was ich noch alles hätte tun können.

Anfang September hat er einen Termin beim Truppenpsychologen. Das war eine Auflage von seinem TruppenHausarzt.
Der Psychologe ist aber meines Wissens nach kein richtiger Psychologe, sondern ebenso ein Soldat mit Zusatzausbildung. Mit ihm Reden will er aber nicht. Er sagt mir sogar ins Gesicht, dass er die Hilfe nicht annehmen wird und ich weiß, wie gut er nach Außenhin schauspielern und zudeckeln kann.
Heimlich hoffe ich bloß, dass der Truppenpsychologe die richtigen Fragen stellen wird, auf die er gezwungen ist, wahrheitsgemäß zu antworten. Es bleibt also zu Hoffen, obwohl ich die Hoffnung langsam aufgebe.
Und auch dir Danke ich für deine liebe Nachricht
Ich hätte mich schon längst früher an dieses Forum wenden sollen.


Zumindest weiß ich jetzt, was ich mir aus diesem ganzen Austausch erhoffe.
Beim Eröffnungspost war es mir noch unklar. Aber nun hoffe ich, dass ich dadurch einfach einen klaren Kopf kriege.
Ich danke euch von ganzem Herzen!

31.08.2019 08:37 • x 4 #4


Dakota
Zitat von Xarna:
Und mit Argumenten kommt Ja, das wird wahrscheinlich hart für euch, aber ohne mich wird es euch besser gehen Damit belügt er sich selbst!

Das kann ein Symptom einer Krise (Depression) sein-Selbstzweifel, mangelnder Selbstwert mit der Überzeugung, man sei anderen eine Last etc.
Es kann aber auch Ausdruck einer Persönlichkeit sein. Mich erinnert es ein bisschen an einen Ex-Freund von mir, der war auch bei der Bundeswehr und er traumatisiert durch Einsätze im Balkan-Krieg. Er hat auch immer den harten, lonesome Cowboy gespielt. Weitergebracht hat es ihn nicht.
Geld muss bei Therapien keine Rolle spielen, es gibt auch Beratungsstellen wo man einige Gespräche führen kann etc. etc.
Ich denke das Grundproblem ist, dass er derzeit nichts ändern will. Er sieht die Lösung darin, abzuhauen.
Das ist bitter.
Und ich muss sagen, es tut mir sehr Leid für Deine Tochter und für Dich. Ich weiß, wie sich Machtlosigkeit und Hilflosigkeit in solch einer Situation anfühlt.
Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich wünsche Dir für Dich jetzt vielleicht erstmal Klarheit, Überblick und Analyse der Situation.

31.08.2019 09:14 • x 3 #5


A
Liebe Xara,
nur ein kurzer Eindruck von mir, mich hat es beim Lesen auch sauer gemacht, da schließe ich mich Dakota an. Er übernimmt nicht die Verantwortung für sich, sondern verliert sich eher in Selbstmitleid. Das ist nicht notwendig so bei einer Depression. Mich macht es irgendwie wütend, wenn jemand ständig sowas sagt wie: Ohne mich geht es euch besser. Und du sagst ihm ja schon klar und deutlich, dass das nicht stimmt. Sicherlich ist sein Selbstwertgefühl am Boden. Das ist ein Symptom der Depression. Aber es kommt darauf an, wie man damit umgeht!
Ich würde ihn nicht anfeuern beim Playstation spielen und ich würde ihm auch nicht sagen, er soll schön feiern mit seinen Bundeswehrleuten, wenn ich darüber eigentlich wütend bin.
Am allerwichtigsten ist, dass er sich in Behandlung begibt. Du kannst ihm nicht alles abnehmen, das muss er schon selbst tun. Du kannst ihm da nur ein bisschen Druck machen, auch wenns dir schwer fällt.
Alles Gute.

31.08.2019 09:18 • x 3 #6


Pilsum
Hallo Xarna,

nachdem ich Deinen Text gelesen habe, möchte ich Dir mal versuchen ein
Feedback aus der Sicht eines Mannes zu geben. Möglicherweise tut Dir das etwas weh.
Deshalb hoffe ich noch, dass ich mich irre, bei dem was ich schreibe.

Wie ist Dein Thema Wenn das Verständnis schwächelt gemeint? Bei wem
schwächelt das Verständnis? Kann es sein, dass das gegenseitige Verständnis bei
euch beiden noch etwas schwächelt?


Wenn die Probleme Deines Mannes eigentlich erst so richtig begonnen haben, als ihr
zusammengezogen seid, scheint es so zu sein, dass er mit der häufigen familiären
Nähe des Familienlebens nicht so gut klar kommt, wie Du Dir die Nähe wünschst.
Dies kann er natürlich nicht sagen. Was würde das seiner Meinung nach bedeuten,
wenn er der Frau, die er liebt sagt. Ich glaube, hin und wieder brauche ich etwas mehr Abstand.
Schließlich kennt er ja Deine Sichtweise.
Zitat:
Doch wir leben in einer Familie. Da ist Rückzug ehr schwierig, da der Alltag viel Raum beansprucht.

Damit gestehst Du ihm seinen Wunsch nicht zu.
Wirfst ihm weglaufen vor.

Offensichtlich kann er sich schlecht wehren. Nicht gut nein sagen.
Zitat:
Wir sind jetzt tatsächlich an einem Punkt, an dem er sich aus Liebe trennen will.

Also könnte es sein, dass er das Problem dadurch zu lösen versucht, indem er Dir
sagt. Er möchte lieber wieder allein leben.
Das versuchst Du jedoch aus verständlichen Mitteln möglichst zu verhindern.
Oder gibt es sonst noch grundsätzlich unterschiedliche Dinge, die euer
Familienleben belasten?

Falls Du es nicht als falsch ansiehst, was ich hier sage, könnte ich das ganze gelegentlich noch weiter im
Detail beschreiben.
Nur darf dabei nicht passieren, dass Du Dich dann plötzlich schlecht dabei fühlst.
Die Unterhaltung über solch ein schwieriges Thema muss sachlich bleiben, weil
man sonst keine gemeinsame Gesprächsebene finden kann.

Viele Grüße

Bernhard

31.08.2019 13:47 • #7

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