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Depressive bipolare? Mutter

B
Guten Abend,
wir sind auf der Suche nach Hilfe. Es geht um meine Mutter (59J). Ich versuche die Situation so gut es geht zu schildern, wobei ich auch nicht mehr alles 100% chronologisch wiedergeben kann.

Angefangen hat alles im Jahr 2020 - mag Zufall sein, aber ca. mit Beginn der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungsmaßnahmen. Ihr seelischer/psychischer Zustand hat sich extrem verschlechtert. Meine Mutmaßungen waren a) Wegfall von sozialen Kontakten/Aktivitäten (z.B. Lauftreff, Sportverein, mit ihren Geschwistern, teils auch wegen Streit) und b) der Tod ihrer geliebten Katze (war ihr ein und alles, und größtes Hobby).

Geäußert hat es sich anfangs durch rapide Stimmungsschwankungen, sie hatte schlechte Laune, oder hat grundlos am Telefon geweint bzw. konnte mir nicht sagen was los ist bzw. gar kein Wort rausgebracht oder sogar aufgelegt. Manchmal hat sie den Hörer gar nicht mehr abgenommen, mir aber gleichzeitig über WhatsApp konfuse, teils sehr bösartige oder suizidale Nachrichten geschickt. Kontaktaufnahme war nicht möglich - wir leben räumlich getrennt. Sie lebt mit ihrem Partner seit über 20 Jahren zusammen, der von der Situation mittlerweile auch nur noch gebeutelt wird und mir auch schon mitgeteilt hat, dass er bald nicht mehr kann. Sie hat sich oft einfach im Bett verkrochen, geweint und wollte niemanden hören. Darauf folgten dann wieder Tage (teils 1 Tag nach diesen Zusammenbrüchen) wo sie eine übertrieben gut gelaunte Stimmung hatte „Mir geht es gut“, „Passt alles“, „Ich komme zurecht“, „Heute ist so ein schöner Tag“. Richtig geglaubt habe ich ihr das nie.

Letztendlich wurden ihre schlechten Phasen immer häufiger, sie hat mich mit sehr bösen Nachrichten bombardiert (Dinge die keine Mutter ihrem Kind schreiben/sagen würde). Gleichzeitig wurde erwartet, dass ich rund um die Uhr zur Verfügung stehe, aber mit mir reden wollte sie nicht. Stattdessen wurde nur wieder gesagt „Alles gut“ „Mach dir keine Sorgen“. Auf Nachfrage bei ihrem Lebensgefährten hat der ein anderes Bild berichtet, nämlich dass sie wieder weinend im Zimmer sitzt und nichts auf die Reihe bekommt. Gleichzeitig hat sie extrem abgenommen da sie nichts mehr essen konnte (von etwas Übergewicht, hin zu 40 kg bei 170cm, nur noch Haut und Knochen). Dazu kommen noch extreme Schlafstörungen (kein Schlaf, den ganzen Tag im Bett, oder sehr früh nachts wieder aufstehen).
Sie lebte in ihrer Fantasiewelt, hat mir Dinge erzählt die gar nicht stimmten oder die Realität total verdreht. Z.B., dass ihr Partner den Job gekündigt hat (hat er nicht, habe ihn gefragt), dass er mit einer anderen Frau eine Affäre hätte, und sehr viele Corona-Verschwörungstheorien (sie lässt sich nicht impfen, Regierung sind alles Lügner, wir werden vergiftet, etc.). Zur Schutzimpfung konnte ich sie irgendwann überreden, aber danach hat sie sich eingebildet, dass die Impfung ihr schadet und an ihrem Zustand schuld wäre.

Wir waren natürlich die ganze Zeit über sehr beunruhigt und haben auch versucht sie dazu zu bewegen einen Arzt aufzusuchen. Ich hatte von Anfang an eine Depression im Hinterkopf, habe ihr das auch gesagt, gemeint sie müsste sich nicht schämen, und dass sie Hilfe braucht. Es half aber nichts, sie hat es vehement abgelehnt einen Arzt zu sehen. Irgendwann hatte sie einen so schlimmen Zusammenbruch (Herbst 2022), dass ihr Partner sie in eine psychiatrische Klinik gebracht hat. Dort wurde sie wohl nur aufs nötigste versorgt und kam wieder nach Hause (war auch ihr Wunsch). Mit sehr viel Anstrengung und Gesprächen haben wir sie dann doch in einer Klinik angemeldet. Am Tag der Einweisung wollte sie aber nicht mehr und hat geschrien, geweint und die Sache wurde abgeblasen da wir sie nicht zwingen konnten mitzufahren. Noch mehr Gespräch haben dann dazu geführt, dass wir nach 2 Wochen einen weiteren Versuch gewagt haben. Hier ist sie tatsächlich in die Klinik gefahren (mit ihrem Lebensgefährten) aber gegen Abend war sie wieder zuhause. Sie meinte nur „Sie gehört da nicht hin“, „Die spinnen alle“, „Sie ist nicht krank“. Außerdem hätten die Ärzte 3 Promille Alk. in ihrem Blut gefunden. Das kann ich mir gar nicht erklären, sie trinkt nie Alk.. Evtl. hat sie es auch erfunden, wer weiß. Ich war jedenfalls etwas enttäuscht davon, dass die Ärzte sie einfach wieder gehen haben lassen, aber man kann einen freien Menschen nicht einsperren. Seit Herbst 2022 war sie dann auch durchgehend arbeitsunfähig (Bürojob der ihr eigentlich Spaß macht).

Nach langem Hin und Her hat sie Anfang 2023 begonnen Escitalopram zu nehmen. Sie war nochmal in der Klinik und ein Arzt hat es irgendwie geschafft, dass sie zustimmt. Die ersten 4 Wochen waren ganz schlimm. Es ging ihr schlecht, die Stimmung war noch immer auf dem Tiefpunkt, kein Appetit, und sie meinte „Das wirkt nicht, ich nehme es nicht mehr.“. Leider wurden wir von den Medizinern etwas allein gelassen (mein Eindruck, ich weiß nicht was sie denen erzählt hat), aber sie meinte immer sie hätte keinen betreuenden Arzt, sie würde alle paar Wochen zu ihrem Hausarzt gehen (der in meinen Augen kein Fachmann ist). Von Bekannten mit Depressionen war mir ein anderer Ablauf bekannt – regelmäßige Termine alle 4 Wochen mit Gesprächen über das Befinden. Ich habe ihr immer nahgelegt, dass sie eine Gesprächstherapie beginnen soll. Sie wollte das aber nicht. Leider gibt es in unserer Region auch kaum niedergelassene Fachärzte bei dem man mal „schnell“ einen Termin bekommt. Die Wartezeit ist mehrere Monate, da es akut ist/war half uns das wenig.

Irgendwann Februar/März 2023 hat sich die Stimmung dann rapide aufgehellt, sie war gut drauf, hat viel unternommen, war aktiv und ist sogar in den Urlaub gefahren. Wir haben schon gedacht, dass sie es geschafft hat, aber dann kam im Mai wieder der Einbruch. Bei einer Routinekontrolle gab es im Blutbild eine Abweichung (sehr niedrige Blutplättchen) und seitdem ist sie im Panikmodus. Sie hat es auf die Tabletten geschoben („Gift“). Zunächst hat sie mir erzählt sie nimmt nur noch eine halbe am Tag. Ich habe gebeten, dass sie das mit dem Arzt abstimmt, wollte sie nicht. Beim nächsten Gespräch hat sie mir erzählt sie nimmt nun gar keine mehr (Partner hat es bestätigt). Jetzt behauptet sie uns gegenüber aber weiterhin sie würde sie noch nehmen was nicht stimmt. Seit ca. 4 Wochen fällt sie in die alten Muster zurück: Depression, Weinen, Abkapseln, Niedergeschlagenheit, Lustlosigkeit, Verschicken von seltsamen und bösartigen Nachrichten, Hängen in der Vergangenheit. Ihr Partner und ich wissen nicht mehr was wir tun können. Sie erzählt mir Märchen, dass er sie rausgeworfen hätte. Wenn ich mit ihm spreche, bin ich ein „Verräter“ der hinter ihrem Rücken agiert. Das Leben macht ihr keinen Spaß mehr, sie will nicht mehr leben, usw. Nach wie vor ist ein direkter Kontakt per Telefon nicht möglich, weil sie nicht rangeht, aber gleichzeitig kommen im Minutentakt WhatsApp Nachrichten. Mit ihrem Partner spricht sie auch nicht wirklich, macht ihm nur Vorwürfe, er wäre an allem schuld etc. Er ist auch kurz vorm Burnout, weil die Situation ihn überfordert und möchte eigentlich räumlichen Abstand.

Was können wir tun? Wer kann uns helfen? Ich verliere so langsam den Glauben an Kliniken, da man sie immer wieder gehen lässt. Wir machen uns Sorgen, uns belastet die Situation aber auch extrem. Ich bin schon soweit, dass ich den Kontakt abbrechen möchte weil es mich blockiert, und sich negativ auf meine Arbeit und Partnerschaft auswirkt.

11.06.2023 19:27 • #1


Catalie
Die Situation klingt wirklich erschreckend. Tut mir leid, dass es deiner Mutter so schlecht geht. Ich verstehe deine Hilflosigkeit. Leider ist es aber so, dass alle Therapien der Welt nichts helfen, wenn der Betroffene keine Hilfe annimmt. Ich verstehe, dass es frustrierend für euch ist, dass man sie in der Klinik immer wieder gehen lässt, obwohl es ihr offensichtlich schlecht geht. Leider gibt es dazu keine Alternative, nur wenn sie eigen- oder Fremdgefährden ist, kann man sie gegen ihren Willen in der Klinik behalten, aber auch immer nur für eine kurze Zeit, dann müsste es eine richterliche Verfügung geben. Nun muss man auch verstehen, dass die klinikkapazitäten sehr begrenzt sind und es eben viele Menschen gibt, die Hilfe suchen und auch bereits sind mitzuarbeiten, so dass man Klinikplätze nicht mit Menschen blockieren kann, die dies nicht wollen, auch wenn das für deine Mutter blöd ist. Dir und euch bleibt nur, ihr immer wieder Hilfe anzubieten, für sie da zu sein und zu hoffen, dass sie das Angebot irgendwann annehmen kann. Ganz wichtig ist aber auch, dass du gut auf dich aufpasst. Auch wenn es hart klingt, aber Selbstschutz ist sehr wichtig, wenn man mit psychischkranken Angehörigen zu tun hat. Vielleicht wäre eine Selbshilfegruppe für Angehörige etwas für dich oder eine Therapie? Auch dem Partner deiner Mutter würde ich raten selbst eine Therapie zu machen. Es ist so wichtig, selbst klar zu bleiben und zu lernen, sich selbst zu schützen, auch wenn das manchmal Trennung oder vorübergehenden Kontaktabbruch bedeutet. Es nutz deiner Mutter nichts, wenn du oder ihr Partner auch noch krank werdet, ihr könnt ihr nur beistehen, wenn ihr gut für euch sorgt und selbst stabil bleibt.
Ich wünsche euch das beste und pass gut auf dich auf.

11.06.2023 20:09 • x 3 #2


buddl1
... das Geschriebene, es könnte auch meine Mutter sein, von der da so berichtet wird.
meine hat ihren Lebenswillen aufgegeben, unternahm vor 2 Jahren einen untauglichen suizidalen Versuch.
verschloss sich innerlich, wartet auf den letzten Tag und will alle mit in diesen Sog ziehen.
ein Arzt oder eine Klinik ist da kaum noch eine Hilfe.
sie hat schlicht und einfach mit ihrem Leben abgeschlossen.
sie warf ihre eigene Tochter aus dem Haus, mit mir spricht sie nur noch selten, wenn ich sie wöchentlich besuche.
ihr Mann, kommt dann extra auch wöchentlich zu mir, damit er mal raus kann, Luft ablassen, er ist zum Hausdiener mutiert und ich muss froh sein, dass er das so hinnehmen kann...
es ist zu akzeptieren wie es ist, damit man nicht selbst darin versinkt.
alles wurde versucht, aber
wenn ein Schwan stirbt, dann trauern alle Tiere
- mehr als zuschauen nicht mehr möglich ist, weil wir dieselbe Sprache nicht mehr sprechen können.
buddl1,

12.06.2023 06:56 • #3

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