Hallo Mona1,
Mich gibts noch. Hatte einige sehr harte Tage durch äußere Einflüsse in Form von heftigem Ärger, der wahrscheinlich auch einen Gesunden locker umgehauen hätte, aber es geht wieder voran.
Ich denke mal, es gibt zwei Grundprobleme bei der pharmakologischen Behandlung von Depressionen:
1. Kine sinnvolle (somatisch basierte) Diagnostik. Das gegenwärtige Regelwerk beschreibt ja eigentlich eher die Störung anhand äußerlicher Kriterien (leicht, mittelgradig, schwer, rezidivierend, chronisch, mit oder ohne Psychose (was das vor allem soll frag ich mich ernsthaft)).
2. Keine direkt wirkenden Medikamente. Alle gegenwärtig auf dem Markt existierenden Medikamente (bis auf Tianeptine) funktionieren über Anreicherungseffekte von Neurotransmittern. Das dieses Konzept nicht wirklich gut funktioniert, zeigen schon die langen Wirklatenzen. Aber auch das Konzept Tianeptine ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Es macht genau das Gegenteil eines SSRI und ist dennoch antidepressiv wirkungsvoll. Auf gut deutsch: Monoamin-Anreicherung (oder dessen Gegenteil) im synaptischen Spalt ist kein direkter antidepressiver Mechanismus, sondern wirkt über sehr weite Umwege.
Manchmal hab ich den Eindruck, dass jeder Wirkstoff bei dem einen oder anderen potentiell antidepressiv wirkt, wenn er nur genügend Wirbel im Gehirn veranstaltet (möglichst ohne dabei den Patienten vor Angst unter die Decke zu jagen). Die physikalischen Verfahren (EKT, TRM) machen ja im Prinzip das gleiche, wirken auch nicht bei jedem, aber bei denen, wo sie wirken, da wirken sie meist ganz gut. Es ist also im Prinzip egal, ob man chemisch oder physikalisch (oder mit Psychotherapie) das Gehirn durchschüttelt.
Die eigentlichen antidepressiven Effekte hat man noch nicht wirklich effektiv im Griff. Ich träume von einem Medikament, welches eine Depression innerhalb weniger Stunden wegblasen kann und kaum Nebenwirkungen hat. Das muss keine Utopie sein. Die chemischen Prozesse im Körper und im Gehirn kann man innerhalb von wenigen Minuten beeinflussen. Ein Benzo wirkt innerhalb von 10..20 Minuten. Das gleiche kann theoretisch auch ein Antidepressivum, wenn man genau wüsste, wo man ansetzen kann (oder es durch Zufall herausfindet, wie meistens in der Pharmakologie). Solche Antidepressiva werden keine Blockbuster sein, es sei denn man findet einen wirklich zentralen und schnell und mit wenig Nebenwirkungen zu beeinflussenden Hebel, der universell bei jeder Depression funktioniert (mit heftigen Nebenwirkungen und Abhängigkeitspotential gibts das schon, z.B. eine Ketamin-Injektion). Ich vermute aber eher, dass es vielleicht eine Handvoll verschiedene Mechanismen gibt, an die man schnelle Wirkungen koppeln kann und die individuell verschieden sind.
Deshalb muss eine somatisch basierte Diagnose her. Am besten eine, aus der eine konkrete Behandlungsstrategie hinsichtlich der zeitlichen und chemischen Abfolge resultiert.
Sinnvoll wäre z.B. solch eine Beschreibung: mittelgradige Depression aufgrund extrem hoher Morgen-Cortisolwerte, hervorgerufen durch eine Übererregung von CRH-Rezeptoren, Auslöser ist ein persönliches Trauma (Ehekrise). Behandlungsempfehlung: Akutbehandlung 1 Tag Medi x, Erhaltungstherapie Medi y
oder: schwere Depression aufgrund eine Überaktivierung der Nebennierenrinde, hervorgerufen durch eine hormonelle Fehlsteuerung, kein äußerer Auslöser
Behandlungsempfehlung: Akutbehandlung 2 Tage Medi z, Erhaltungstherapie Medi soundso
Ich denke auch, dass man sich die existierenden schnell antidepressiven Konzepte mal genauer unter die Lupe nehmen müsste. Was passiert beim Schlafentzug, was bei einem SSRI nicht passiert? Was macht Ketamin, was ein SSRI nicht kann? Offensichtlich kann man die Cortisol-Ausschüttung (also dass, was die Depressions-Symptomatik hervorruft) in Stunden normalisieren, wofür ein SSRI einige Wochen braucht. Ergo, ein SSRI ist einfach zu weit weg vom wirklichen Eingriffspunkt. Kann man die Effekte anders (chemisch oder physikalisch) hervorrufen? Kann man die Effekte über lange Zeit erhalten und stabilisieren?
Was mich persönlich faszinieren würde, wäre ein Antidepressivum, welches gar nicht im Kopf wirkt, sondern direkt an der Nebennierenrinde. Warum hat das noch keiner versucht? Das Cortisol, welches die Symptome herbeiführt, kommt ja nicht aus dem Gehirn. Wozu muss man im Gehirn herumrühren, wenn man auch eine andere Stelle addressieren könnte. Chemie, die im Kopf wirkt, hat meistens auch Nebenwirkungen im Kopf (z.B. Angst, innere Unruhe), welche gerade bei einer Depression eher unangenehm sind. Das könnte man mit einem Körper-Antidepressivum leicht umschiffen.
17.07.2009 21:14 •
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