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Gefühl von Selbsthass - wie lerne ich mich zu akzeptieren?

P
Ich schreibe diesen Thread, weil ich niemanden habe, dem ich meine Gedanken so ehrlich mitteilen kann.
Da hier alles in gewisser weise anonym ist und ich hoffe, hier Leidensgenossen zu finden, habe ich mich dazu durchgerungen, das hier zu schreiben, bevor ich wieder keinen anderen Ausweg aus diesem Schmerz finde und mich selbst verletze.
Wenn ich das hier schreibe, komme ich mir wirklich blöd vor. Vor allem weil ich ja weiß, all meine negativen Gedanken sind nur Hirngespinste.

Ich bin einsam. Manchmal glaube ich, für andere nur eine Belastung zu sein. Wenn ich nicht mehr hier wäre, würde sich niemand daran stören. Das ist sicher nicht wahr, das weiß ich. Trotzdem fühlt es sich so an. Ich möchte damit nicht sagen, dass ich mich tatsächlich umbringen würde. Denn ich möchte leben!

Ich bin erst 23 Jahre alt, habe aber schon mehr mitgemacht, als manche in ihrem ganzen Leben ertragen müssen.
Den Höhepunkt hat es vor 3 Jahren erreicht als meine Mutter plötzlich verstorben ist und ich sie gefunden habe. seitdem habe ich immer wieder mit Panikattacken zu kämpfen. Meine Verlustängste treiben mich zu Zwangsstörungen. Ich bin gebrochen.
Ich lebe mein Leben. Ich habe eine Ausbildung gemacht, mein Fachabitur nachgeholt und studiere nun während ich nebenbei ein wenig arbeite. Ich Reise, gehe aus und bin meistens ganz normal.
Aber dann kommt wieder ein Moment der mich in den Abgrund zieht. Ich weiß, es wird wieder besser und es passiert alles so, wie es sein soll. Trotzdem fühle ich in diesen Momenten nichts als Trauer und Leere. Einsamkeit und Verzweiflung.

Ich lebe und doch ist da immer dieses Gefühl von Selbsthass in mir. Wie sollen andere mich akzeptieren? Ich bin doch weder hübsch noch schlau oder schlank. Eigentlich bin ich ein nichts.
Mit den Depressionen habe ich zu kämpfen seitdem ich 14 bin. Zur Zeit versuche ich nach 9 Jahren endlich meine Antidepressiva zu reduzieren.

Wenn ich nicht mehr weiterweiß und der innere Schmerz zu groß wird, nehme ich ein Messer und verletze mich. Für einen Moment ist dann der Schmerz vorbei. Mein einziger Ausgleich. Habe es in den letzten 9 Jahren mit vielem ausprobiert. Beißen, Kratzen, Schneiden, Kneifen. ich schäme mich für so ein dummes, kindliches Verhalten. Immerhin bin ich keine 15 mehr. Aber manchmal hilft nur das. zum Glück kommt das nur noch selten vor.

Jetzt grade habe ich wieder einen eigentlich kleinen Niederschlag erlitten, der mich aber wieder tief in den Abgrund reißt.
Hoffentlich hält mir hier niemand für bescheuert, weil ich mich grade ausheule, aber ich hab gehofft, es wird mir helfen.

07.10.2019 19:03 • x 3 #1


L
Liebe Prisma,

es tut mir weh das zu lesen und ich schäme mich im gleichen Moment meiner Ängste, wo du diese schlimme Erfahrung leibhaftig erleben musstest, wovor ich am meisten Angst habe. Du bist noch so jung und du hast deine Mutter verloren, plötzlich und unerwartet und du hast sie gefunden! Das ist nicht auszudenken und dein Schmerz ist berechtigt. Das wünscht man niemandem. Ein Trauma!

Dass du deine Gefühle so abwertest ist nicht richtig.

Wieso kannst du dich sonst niemandem mitteilen? Wieso hört dir sonst keiner zu? Es ist wichtig, dass man seine Gedanken mit jemandem teilen kann. Deswegen ist es gut, dass du das hier niederschreibst. Es hat seine Berechtigung.

Wieso leidest du seitdem du 14 bist an Depressionen? Was ist passiert?

Wieso möchtest du deine Antidepressiva reduzieren? Fühlst du dich denn stabil genug? Hast du eine Möglichkeit eine Therapie zu machen?

Ich stelle gerade fest, meine Fragen könnten dich erschlagen. Fühle dich nicht genötigt alles zu beantworten, wenn es zu viel ist, aber nimm dich selbst wichtig! Das möchte ich dir sehr ans Herz legen. Das was du erlebt hast kann man nicht einfach so wegstecken, nein das kann ich mir nicht vorstellen.

Ich bin gerade selbst in keiner guten Verfassung, deswegen weiß ich nicht, wie mein Schreiben auf dich wirkt, aber eines ist sicher richtig, es ist gut, dass du deine Gedanken und Gefühle niederschreibst.

Ich wünsche dir, dass du hier viel Verständnis entgegengebracht bekommst. Du sollst damit alleine sein.

07.10.2019 19:36 • x 4 #2


A


Hallo Prisma_01,

Gefühl von Selbsthass - wie lerne ich mich zu akzeptieren?

x 3#3


L
Ich halte dich nicht für bescheuert, du wirkst auf mich trotz allem sehr stark!

Du hast trotz allem so viel geschafft, das ist nicht selbstverständlich!

Man darf auch mal schwach sein!

07.10.2019 19:42 • x 2 #3


P
Liebe Laluna74,

danke für deine Antwort. Das hat mir gestern sehr geholfen.

Es ist schwer sich jemandem mitzuteilen, der meine Empfindungen nicht nachvollziehen kann.
Außerdem würden sich diese Menschen um mich sorgen und ich möchte niemanden auch noch zusätzlich mit meinen Problemen belasten. Manchmal ist es einfach sich einer aussenstehenden Person mitzuteilen. Aber ich habe schon so viele Therapeuten gehabt. keiner hat mir geholfen. ich hatte bei keinem das Gefühl, wirklich alles sagen zu können. Also habe ich es irgendwann aufgegeben.

Wenn ich wirklich alles auflisten würde, was mich in meine Depression getrieben hat, würde wahrscheinlich ein ganzes Buch daraus werden.
Die Kurzfassung ist die:
Als ich 10 Jahre alt war, ist mein Bruder (damals 23) plötzlich verstorben. Mein Vater (sein Stiefvater) hat meine Mutter nicht wirklich trösten können. Er war damals sehr kühl. Also habe ich 6 Wochen lang jeden Abend meine Mutter getröstet. Hab ihr gesagt, dass alles wieder gut wird, dass sie ja noch mich hat und nicht traurig sein soll. Ich selbst habe ja noch gar nicht wirklich verstanden was das alles bedeutet. Trotzdem habe ich meine Gefühle zurückgestellt, um meiner Mutter zu helfen (was ich auch nicht bereue).
Mit 12 Jahren standen meine Eltern kurz vor der Trennung, da mein Vater eine Affäre hatte. Damals hat mir niemand gesagt was wirklich los ist, aber ich wusste ganz genau was vor sich ging. Wochenlang haben sie sich gestritten und ich hatte solche Angst vor dem Alleinsein. Sie haben sich zusammengerauft, aber ein Jahr später haben sie sich dennoch getrennt. Mein Vater war zwischenzeitlich in einer Klinik um seine Depressionen behandeln zu lassen.
Ich habe zwischen beiden vermittelt und letztendlich kamen sie wieder zusammen.
Trotzdem ging es immer um die Krankheit meines Vaters und ich wurde nicht wirklich ernstgenommen. Meine Mutter hat mich getröstet und versucht mir zu helfen, aber irgendwann hab ich mich so einsam gefühlt. In der Schule hatte ich auch oft stress mit anderen. Durch alles, was ich damals schon durchgemacht habe, war ich immer etwas reifer als andere in meinem Alter. Kinder können so grausam sein! Ich wurde also oft gemobbt und war meist der Aussenseiter.

Mit 14 wollte ich nicht mehr leben, war aber zu feige mir etwas anzutun. Ich habe gehofft, mich würde einfach ein Auto überfahren, damit alles vorbei ist. Meine Mutter hätte es nicht verkraftet, wenn auch ich nicht mehr dagesessen wäre. Also bin ich geblieben.
Meine Kraft war aufgebraucht. oft bin ich früher aus der schule gekommen. Hatte nichtmal die Kraft die Treppe hochzugehen, also lag ich stundenlang unten auf dem Sofa.
Ich habe so oft geweint und wusste nicht wieso. Meine Gefühle waren wie taub. das ging 6 Monate so, dann bekam ich endlich Tabletten.

Mit 15 wurde die Lage in der Schule so schlimm, dass ich die 10. Klasse nicht dort beendet habe, sondern an einer andern Schule. Meine angeblichen Freunde haben sich alle aufhetzen lassen und ich wurde fertiggemacht.

Mit 17 haben sich meine Eltern wieder getrennt. wieder habe ich meinen Vater überredet in eine Klinik zugehen. Er wollte zurückkommen, aber sie haben sich endgültig getrennt. Er ist ausgezogen.
Für meine Mutter tat es mich so unendlich leid, weil sie alles für ihn und unsere Familie gegeben hätte und er sie so hat fallen lassen.
Sie konnte sich unser Haus allein nicht leisten und so hat mein Vater das Haus gekauft. Meine Mutter musste also ausziehen und mein Vater zog wieder ein. Wir haben uns damals überhaupt nicht gut verstanden und meine Mutter war für mich immer das wichtigste. Es war so schlimm für mich von ihr getrennt zu sein, auch wenn ich zu dem Zeitpunkt schon 18 war und sie nur 3 km entfernt wohnte.

Meine Ausbildungsbetrieb war leider auch nicht sehr gut. Mit Psychoterror wurde man regelmäßig zum weinen gebracht. es ist wirklich schlimmer als man es sich vorstellen kann.
Meine Mutter und ich haben dort in der selben Abteilung gearbeitet und auch meinen Freund habe ich dort kennengelernt.
6 Tage vor Beginn des 3. Lehrjahres ist meine Mutter verstorben. Und trotzdem bin ich zur Schule gegangen. Und trotzdem habe ich wieder eine Auszeichnung für besondere Leistung bekommen. Darauf bin ich tatsächlich stolz.

Ich habe abends mit ihr telefoniert und hatte am nächsten Tag immer dieses komische Gefühl. Sie ging nicht ans Telefon und ich war auf der Arbeit. Also habe ich meinen Freund hingeschickt, der wieder zur Arbeit kam, weil sie nicht aufmachte und er den Schlüssel wollte. Ich war völlig fertig und wusste einfach, dass sie nicht mehr lebt. Also bin ich mitgefahren und bin in die Wohnung. Habe damit gerechnet sie im Schlafzimmer zu finden, aber als ich die Tür aufmachte, hab ich ihre Beine schon gesehen.
Ich habe geschrieen, den Notruf gewählt, wie haben versucht sie wiederzubeleben, aber ich wusste das es keinen sinn mehr hat.
es kam mir vor wie Stunden bis der Notarzt endlich da war. Nachdem er mir bestätigte, dass sie tot ist, weiß ich nicht mehr viel. Ich bin zu Boden gesunken und habe nur daran gedacht, wie ich mich am besten umbringen kann, weil ein Leben ohne den wichtigsten Menschen einfach nicht möglich ist.
Sie haben mir Beruhigungsmittel gegeben und dann kam die Polizei (wenn jemand allein stirbt, wird immer erst die Polizei hinzugerufen).
Mein Vater kam, meine Tante, die Eltern meines Freundes.
Das war der schlimmste Tag in meinem Leben. Seit diesem Tag habe ich mich so sehr verändert.
Alles passiert aus einem bestimmten Grund und alles hat auch etwas positives.
Nicht das ich glücklich bin über den Verlust, aber ich habe dadurch beschlossen nach der Ausbildung mein Fachabitur zu machen und zu studieren. Meine Ansichten und Lebenseinstellungen haben sich auch grundlegend geändert. Die Beziehung ging dadurch leider auch in die Brüche.

Das alles ist jetzt 3 Jahre her.
In diesen 3 Jahren ist mein Vater erneut in die Klinik gekommen, da er durch eine verpfuschte OP Probleme mit dem Sehen hatte. Das zog sich über ein Jahr. Er hatte seinen Lebenssinn erneut verloren und ich musste mich zuhause um alles kümmern, in Teilzeit arbeiten gehen und 5 Tage die Woche zur Schule gehen, um meine Fachhochschulreife zu bekommen.

Seit einem Jahr studiere ich jetzt. Es ist alles gut. Mehr oder weniger. aber einsam bin ich dennoch.
Den Kontakt zu meinem Ex-Freund habe ich nie wirklich verloren und vor ein paar Monaten haben wir beschlossen es nochmal zu probieren.
Gestern habe ich es dann beendet, da er sich noch immer nicht sicher ist, ob es das richtige ist mit uns.
Wenn er nach 3 Monaten immer noch nicht weiß, ob es eine gute Entscheidung war, war es wahrscheinlich keine
Gestern habe ich mich also wieder verloren und einsam gefühlt. So fühle ich auch heute.

Es endet immer damit, dass ich einsam und verlassen bin.
Ich möchte reisen, jemanden der mich liebt, eine Familie.
Alles ist so weit weg und es fühlt sich an, als würde ich niemals jemanden finden, der mich liebt.
Ich weiß, eigentlich bin ich nicht hässlich und auch alles andere als dumm. Trotzdem fühle ich mich so wertlos wie ein benutztes Taschentuch. Mich will doch keiner. Wieso auch?

Ich fühle mich gefangen in meiner eigenen Welt. Ich bin allein unter 8 Milliarden Menschen.

08.10.2019 14:02 • x 1 #4

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