Hallo, liebe Monty, auch ich leide unter binge eating disorder.
Vor vielen Jahren machte ich aufgrund der Tatsachen, die du hier schilderst, eine Gruppentherapie. Sämtliche Eßstörungen wurden dort bedient. Halt auch die meinige, die ich nie einordnen konnte. Ich hatte und habe viele Diäten hinter mir, weil ich durch das Hineinstopfen sehr sehr viele KGs zugenommen habe. Quasi habe ich mich verdoppelt. Ich weiß genau, wann meine Eßstörung begann, nämlich in der Schwangerschaft vor 25 Jahren ! mit meinem ersten Sohn, ich lebte damals mit meinem Exmann weit von der Heimat entfernt.
Auch heute leide ich mitunter unter meinen Anfälllen, obwohl ich jahrelange Therapie hinter mir habe. Mir ist heute klar, dass ich immer wieder auf die Sucht zurückgreifen muss, aber lange nicht mehr so wie damals. Jedoch begleitet sie mich nach wie vor. Es ist etwas Vertrautes, was mir immer Trost und Wärme gegeben hat, und trotz aller Versuche, eine Ersatzbefriedigung zu erlernen, ist das Gewohnte nicht wegzureden. ES meldet sich einfach - zuweilen. Heute kann ich sehr gelassen damit umgehen, kann das auch gut vor anderen erklären, auch bei Ärzten, die mich dann nach einem Statement von mir einfach in Ruhe lassen. Niemand bedrängt mich mehr, dass ich abnehmen MUSS.
Ich habe mir meine Diagnose damals erst zunächst auch angelesen, wie du, weil ich das Gefühl hatte, mit mir stimmt etwas nicht. So geriet ich in die Gruppentherapie. Dort wurde von der Verhaltenstherapeutin diagnostiziert. Mit dieser Aussage bin ich dann zu meiner Hausärztin, seither habe ich die Diagnose mit der Eßstörung offiziell. Oft folgt man ja erst diesem Gefühl, dass etwas nicht stimmt.
Dass du zwischendurch mal abnimmst, kenne ich auch von mir. Irgend etwas passiert, dass man so viel Kraft in sich mobilisieren kann, dass eine Abnahme gelingt.
Kein Sättigungsgefühl zu haben gehört mit zu der Eßstörung BED. Ich kenne das so gut ... es ist grad so vertraut.
Ich finde es gut, dass du hier schreibst, dich mit dir auseinandersetzt.
Eine begleitende Therapie kann klären, warum du dieses Eßverhalten brauchst, sie kann u. U. aufdecken, wo deine Seele trauert.Es kann ein langer Weg werden, den Zugang zu sich zu finden, dessen sollte man sich bewußt sein.
Ich möchte mich auch meiner Vorschreiberin anschließen, ich finde es gut, wie sie sinniert. Ich finde es persönlich auch so schade, dass viele Frauen sich ihrer Weiblichkeit nicht bewußt sind, nach Perfektionismus streben. Dazu gehörte ich auch, lange Zeit.
Heute kann ich wesentlich gelassener mit mir und meinem Körper umgehen, und ich bin wirklich dick. Therapie hat zumindest bei mir bewirkt, dass die ES nicht so mehr greift. Zum Reduzieren reicht es nicht. Ich habe im Moment auch gar nicht mehr die Kraft, das Thema anzugehen. Im Moment will ich es auch nicht wirklich, weil ich meine Kraft für andere Dinge brauche. Auch habe ich gelernt, mich gesund zu ernähren. Das beruhigt mich zumindest. Ich habe meinen Weg gefunden. Ich mag mich. Ich finde mich weiblich und attraktiv. Das war jedoch nicht immer so, siehe oben.
Aber es macht keinen Sinn, auf der Zahl deines Gewichts herumzureiten, weil du dein persönliches Unwohlsein hier schilderst. Ich empfinde dein GEwicht auch nicht als abnorm. Jedoch quält dich diese Stopferei und das Ergebnis dessen.
Vielleicht lernst du irgendwann, dich im Spiegel zu betrachten und dich schön zu finden, dazu gehört es, die eigene Weiblichkeit zu entdecken und Freude an ihr zu haben.
Wenn du Fragen hast, frage, aber ziehe dich nicht zurück. Du hast einen guten Anfang gemacht und du gehst hier niemandem auf den Keks. Manchmal dauert es ein wenig, bis jemand antwortet. Manche antworten nicht so, wie du es im Moment brauchst. Manchmal wird gar nicht geantwortet, weil man wahrscheinlich ob seiner Situation sprachlos ist. Manchmal ist man so dünnhäutig. Ich kann das gut verstehen.
Ich brauchte meine Eßstörung, weil ich mich nicht akzeptierte, weil ich unsicher war, weil ich mich häßlich fühlte, weil ich mich nicht schlau genug fühlte. Ich litt unter meinem mangelnden Selbstwert. Ich brauchte sie, weil ich traurig war, weil ich nicht aus meiner Haut konnte, weil ich aus dem Ergebnis meiner Erziehung und Erwartungshaltung anderer immer unsicherer wurde. Ich brauchte meine ES, weil ich nicht wollte, dass mich mein Mann berührte, ich wollte nicht anziehend sein. Ich lief nur mit gesenktem Blick herum und hörte die Menschen um mich herum über mich lachen, mit dem Finger auf mich zeigend. Zumindest war meine Einbildungskraft so präsent. Ich brauchte meine ES, weil man mir nicht zuhörte, so, wie ich mich äußerste, ich brauchte sie, weil mich die, auf die es ankam, nicht wirklich wahrnahmen. Ich war die mit den spinnerten Träumen und Vorstellungen, die auf irgend einer Wolke lebte.
Durch die Therapie konnte ich ganz vieles ablegen oder mich bestärken, dass ich richtig bin, wie ich bin. Hab Mut ...
LG
Angelika