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Leide unter Angstzständen und Panikattacken

L
Guten Abend liebe Community,

seit einiger Zeit leide ich wieder unter Panik Attacken und Angstzuständen. Die Panik Attacken fangen schon damit an, das ich im Bus sitze mit anderen Schülern und mir der Schweiß unterläuft und ich herzrasen bekomme und kaum noch Luft. Ich wache auch jeden morgen auf und habe totale Angst und sitze zittern auf meinem Bett, inzwischen ist es so, das ich mich kaum noch traue rauszugehen. Ich habe einfach totale Angst vor anderen Menschen bekommen.Ein Freund von mir meinte, das ich manchmal wie ein Psychopath wirke. Ich weiß nicht was ich in meinem Leben falsch mache, aber viele Leute sagen mir ich würde abartig mit und grauenvoll mit anderen Menschen umgehen. Ich kann nicht genau sagen, was ich genau falsch mache, aber ich versuche so höflich zu sein wie möglich. Ich sage oftmals meine meinung direkt ins Gesicht und sage den leuten auch direkt meine Meinung und dann sagen mir alle immer, das ich ein Ar. bin und grauenvoll wäre. Dadurch bekomme ich totale Angst und traue mich gar nicht mehr mit anderen Menschen zu reden, da ich einfach zu viel Angst habe wieder etwas falsch zu machen. Inzwischen entwickeln sich andere immer mehr zu fremden Menschen für mich. Es kommt mir so vor als wären es außerirdische für mich.
Ich weiß einfach nicht was mit mir los ist. Bin total alleine und traue mir nichts mehr zu in sachen Menschen. Bin total schüchtern geworden.
Ich werde auch total schnell eifersüchtig und neidisch, wenn ich sehe das andere glücklich sind und in meinem Alter mehr erreicht haben als ich. Dieser Neid schlägt oft in hass um und wir auf mich selber, ich weiß auch nicht mehr wie ich mit dem hass auf mich selber umgehen soll. Ich lerne ab und zu neue Leute kennen und sobald ich merke wie glücklich sie sind werde ich neidisch und bekomme Hass und gehe auf Abstand.

Ich hoffe ihr könnt mir weiter helfen.
Mein Text ist sicher sehr durcheinander, hoffe ihr könnt ihn trotzdem entziffern.

Ich bedanke mich schon mal sehr im voraus.

L.G. LBAUSD

16.09.2018 22:35 • #1


JuliaW
Hallo lieber Lars,

Du schreibst, dass Dir andere Menschen sagen, dass Du grauenvoll mit anderen Menschen umgehen würdest. Ich habe mir gerade Deine Beiträge hier im Forum angesehen und sehe da nichts, was irgendwie darauf hindeuten würde, dass Du ein Ar. wärest oder grauenvoll mit anderen Menschen umgehen würdest. Auf mich wirkst Du eher höflich (Ich bedanke mich schon mal sehr im voraus) und verzweifelt.

Ehrlich gesagt habe ich mich gefreut, von Dir zu lesen, weil ich mich an einen vorhergehenden Post von Dir erinnert habe. Damals schriebst Du von Suizidgedanken und jetzt bist Du noch hier, auch wenn es Dir überhaupt nicht gut zu gehen scheint.

Wenn Du schreibst, dass Du wieder unter Panikattacken leidest, heißt das dann, dass Du das schon mal hattest? Warst Du damit schon mal in Behandlung? Was weißt Du über Angst? Ich frage deshalb danach, weil ich mich sehr intensiv mit dem Thema Angst auseinander gesetzt habe, um einen Weg zu finden mit meinen körperlichen Angst-Reaktionen besser umgehen zu können. Und inzwischen habe ich einige Steuerungsmöglichkeiten gefunden. Was mir dabei wirklich geholfen hat, ist das Wissen über Traumata und deshalb würde ich gern ein paar Infos davon mit Dir teilen. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Informationen eine mögliche Erklärung beinhalten, warum Du totale Angst vor Menschen bekommen hast, und auch, was Du tun kannst, um das zu ändern. Ob es so ist, weiß ich natürlich nicht, doch vielleicht findest Du Dich in Teilen wieder und kannst so neue Ansätze finden, um Deine Situation zu verbessern?

Die Theorie
Ich starte mit etwas Theorie und mache dann ein Beispiel, damit es besser verständlich wird, ok? Nach einer bestimmten Definition ist ein Trauma nichts weiter als eine nervliche Erregungskurve, die an ihren Höhepunkt nicht zu Ende gebracht werden konnte. Die normale Abfolge ist: Auslöser - (nervlicher) Erregungsanstieg - Regulation von innen oder außen - Abklingen der Erregung. Übrig bleibt eine Erinnerung, die einen nicht belastet. In vielerlei Situationen erfolgt die Regulation jedoch nicht. Fortan wird bei jedem erneuten Auftauchen des Auslösers sofort der Hocherregungslevel wieder abgerufen. Das ist erschreckend, weil es von 0 auf 100 geht, und wenn man dann nicht in der Lage ist, es runter zu regulieren, geht es immer so weiter - bis man die Regulation geschafft hat. Das wird beispielsweise in einer Traumatherapie geübt.

Konkretes Beispiel: So funktioniert die nervliche Erregungskurve optimalerweise
1. Auslöser: Du machst die Haustür auf. Dein kleiner Bruder hatte sich versteckt, um Dich zu erschrecken, und springt unerwartet aus dem Versteck hervor.
2. (Nervlicher) Erregungsanstieg: Alarm! Du erschreckst Dich und spürst eine körperliche Reaktion, vielleicht wird Dein Herzschlag schneller. Du merkst, dass die körperliche Alarmreaktion einsetzt und Du bist bereit zu kämpfen oder zu fliehen.
3. Regulation von innen oder außen: Im nächsten Moment erkennst Du, dass keine echte Gefahr droht. Du denkst Dir: Es ist nur mein kleiner Bruder und Du weißt, dass es keine Notwendigkeit gibt für Kampf oder Flucht.
4. Abklingen der Erregung: Die körperliche Alarmreaktion wird nicht mehr gebraucht. Du regst Dich wieder ab. Vielleicht grummelst Du Deinen Bruder an oder ihr spielt Fangen oder was ihr auch immer tut in so einem Moment. Am Ende fühlst Du Dich wieder so entspannt wie vorher.

Was möglicherweise passiert sein könnte
Bei einem Trauma wird diese Abfolge beim Punkt 2. (Nervlicher) Erregungsanstieg unterbrochen und der Körper hat keine Gelegenheit das Nervensystem wieder runterzufahren. Wenn Du jetzt beispielsweise die Mobbing-Erfahrung nimmst, von der Du in einem anderen Beitrag geschrieben hattest, dann ist möglicherweise genau das passiert. Vielleicht musstest Du in diesen Situationen bleiben, konntest in der Schule nicht weglaufen und Dein Nervensystem war die ganze Zeit hoch aktiviert (wie ein Radar), um rechtzeitig die Gefahr erkennen zu können (was eine ganz natürlich körperliche Schutz-/ und Überlebensfunktion ist). Vielleicht gab es niemanden, der Dir geholfen hat und Dir vermittelt hat: Jetzt bist Du in Sicherheit. Jetzt kannst Du Dich entspannen. Es hat Auswirkungen, wenn Du Dein Nervensystem nicht wieder runterfahren kannst nach so einer Erfahrung. Und selbst, wenn Du Dich dann doch irgendwann beruhigst, das nächste Mal reagiert es schneller und stärker. Und so kann es sein, dass es mit jedem Mal weiter zunimmt, wenn Du nicht einschreitest und durch die Regulation von innen oder außen das Abklingen der Erregung einleitest. Das ist wie eine Spirale in die nervliche Hoch-Aktivierung. Wenn der Körper nicht mehr runterfahren kann, stresst das den Körper und eine Reaktion darauf sind häufig Angst und am Ende vielleicht sogar Panikattacken - vor allem, wenn man nicht versteht, was da eigentlich gerade passiert. Nach einem Unfall oder Kriegserlebnissen ist das sehr offensichtlich, wenn es nach und nach passiert, ist das schwieriger zu erkennen. Es kann auch sein, dass Du die Erfahrung schrittweise verallgemeinert hast: zuerst sind es die mobbenden Schüler, dann reagiert Dein Körper schon auf alle Schüler an Deiner Schule oder Jugendliche im allgemeinen und irgendwann sind es alle Menschen rundherum. Wenn das Nervensystem nicht mehr runterfahren kann, kann das passieren. Dasselbe Muster kannst Du natürlich auch mit anderen Erfahrungen in Deinem Leben durchdenken. Denn oft ist es nicht nur das eine, sondern eine Mischung aus mehreren Faktoren, was es noch undurchsichtiger werden lässt.

Es ist möglich, das zu ändern
Falls Du Dich darin wiedererkennst, ist wichtig zu wissen: Du kannst das wieder rückgängig machen. Der Körper und das Nervensystem sind lernfähig. Und das sage ich aus Erfahrung. Falls Dich dazu was interessiert, frag gerne.

Das ist es, was mir spontan eingefallen ist, als ich Deine Zeilen las. Natürlich kann es auch ganz anders sein, denn ich sehe hier ja nur einen ganz kleinen Ausschnitt Deiner Geschichte. Hilft Dir das irgendwie?

Liebe Grüße,
Julia

17.09.2018 16:11 • x 3 #2


A


Hallo LBAUSD,

Leide unter Angstzständen und Panikattacken

x 3#3


L
Hallo liebe Julia,

ich bedanke mich recht herzlich für deinen sehr hilfreichen Beitrag.
Ich bin und kann auch meistens sehr höflich sein.
Nur sobald ich merke, das mich jemand hintergeht oder mich nicht richtig leiden kann, werde ich sehr bösartig. Ich bin der Meinung, das ich mich dann nur Wehre. Andere meinen das ich dann ein totales Ar wäre. Ich erleb es oft selber, das ich jemandem dann doch kennen lerne und ihn am Anfang richtig nett finde, jedoch auf Abstand gehe, sobald man sich etwas besser kennt. Dühle mich dann bedroht und unter Druck gesetzt. Breche dann oft nach kurzer zeit den Kontakt zur Person ab, da ich angst bekomme und mich bedriht fühle, da derjenige dann meiner Meinung nach zu viel weiß und ich dann Panik bekomme, das er mir schaden möchte.
Ich sage oft mir geht es gut und sage oft es freut mich, das es dir gefallen hat und solche Dinge eben, kann es aber nicht fühlen. In dem Moment sage ich es zwar bin innerlich aber total traurig und kann mich nicht so richtig für denjenigen freuen. Das macht mich auf Dauer kaputt, das ich es nicht zeigen kann wie es mir wirklich geht.

Ich finde es schön , das du dich freust, das ich noch da bin und du von mir hörst.
Es tut gut so etwas von anderen zu hören:)

Ich hatte früher bereits Panik Attacken. Ich litt sehr lange Zeit darunter. Wurde aber damals nur mit Medikamenten behandelt, seit der Arzt meinte ich brauche sie nicht mehr, wurde es wieder schlimmer. Seitdem ist es noch schlimmer als vorher. Ja ich war bereits in Behandlung deswegen.

Ich bedanke mich recht herzlich für den langen, ausführlichen und sehr informativen Text. Ich werde es mal ausprobieren und schauen ob es klappt, werde die in ein paar Tagen auf jeden Fall eine Rückmeldung geben, inwieweit es mir geholfen hat. Ich finde es total toll, wie viel Mühe du dir gegeben hast, hier einen so tollen Text zu zaubern und schreiben:)

Du hast recht, ich schaffe es kaum herunterzufahren.
Ich war gestern in den Westfalen Hallen in Dortmund und habe mir eine Show von Ranga Yogeshwar angeschaut und war zwar abgelenkt, aber könnte mich trotzdem kaum drauf konzentrieren was gesagt wurde und war gedanklich total abwesend und meine Gedanken kreisten wieder.

Ich habe inzwischen die Mobbing Erfahrung auf alle anderen verallgemeinert. Sehe inzwischen in jedem Menschen das böse. Dadurch kann ich nicht mehr unterscheiden, ob es jemand gut meint und wirklich helfen möchte oder nicht. In der Schule war es auch so, das ich mein Nervensystem nicht runterfahren könnte, weil ich nicht weg konnte und 6 Stunden oder länger mit Schülern in einem Gebäude war. So ist es auch, sobald ich raugehe. Sobald mehrere lenschen um mich herum sind, habe ich das gefühl nicht fliehen zu können, und mein Nervensystem bleibt in alarmbereitschaft.
Selbst wenn ich zuhause im Bett bin oder Fernsehen schaue kann ich nicht abschalten.

Hinzu kommt, das ich eine Psychose habe, mir wurde eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Dadurch habe ich nur noch mehr das Gefühl, das ich verfolgt werde. Ich bekomme zwar Medikamente, sie helfen auch, aber 100% helfen sie auch nicht. Dadurch, das ich jede Nacht Alpträume bekomme, verstärkt sich mein Gefühl, das mir alle etwas böses wollen.

Du hast recht, ich bin verzweifelt. Ich habe einfach das Gefühl, egal was ich mache oder tue, ich wirke auf andere Menschen immer unsympathisch und man möchte nichts mit mir zu tun haben. Am Anfang sind die Leute dann oft nett zu mir und nach einer gewissen Zeit merke ich dann das sie sich verändern und absagen zu mir nehmen, inzwischen ist es aber so, das ich oft nach ein paar Tagen in Sportvereinen schon Abstand nehme und im Bus immer direkt von anderen Menschen weg setze.
Ich mag es nicht mal in den arm genommen zu werden. Sobald mich jemand anfasst, sage ich direkt, das ich es nicht möchte. Ich mag es überhaupt nicht mehr angefasst zu werden oder Körperkontakt zu haben.

Ich bin in vielen Dingen total anders. Mein Musikgeschmack finde viele grässlich und meinen sie wären total sch...und fragen sich wie man soetwss hören kann. Ich habe bei meinem Opa mit 14 Jahren Die Flippers entdeckt und fand sie direkt total schön und höre sie seitdem nur noch, das ist auch ein Grund warum ich oft gemobbt wurde. Ich finde es an der Band total schön, wie sie aus ihrem Leben erzählen und wie sympatisch sie sind. Ich war in der O2 World bei ihnen auf dem Abschiedskonzert und das war eine so tolle Atmosphäre da und man hat gesehen, da sind keine Menschen die auf aussehen achten, sondern dass es ihnen um den Spaß geht und um die Freude und sie wirklich wahre Fans sind.
Man hat auch gemerkt, das Die Flippers es mit total viel Liebe und Freude gegeben haben , dass Konzert.

Ich hoffe du kannst mich jetzt noch etwas besser verstehen.

Dein Text hat mir auf jeden Fall geholfen. Bin dir sehr dankbar dafür und werde versuchen etwas davon umzusetzen.

Ich freue mich darauf, wieder von dir zu hören.

Mit vielen lieben Grüßen

Lars

18.09.2018 16:02 • x 1 #3


JuliaW
Hallo lieber Lars,

als ich Deine Antwort gelesen habe, habe ich mich richtig gefreut, dass Du mit meinem Beitrag etwas anfangen konntest. Weißt Du, ich mag es sehr, wenn ich anderen helfen kann. Ich war ziemlich lang alleine unterwegs, habe viel gelesen und ausprobiert. Manchmal, wenn ich verzweifelt war und nicht mehr weiter wusste, habe ich mir gesagt, dass ich das nicht nur für mich mache, sondern auch für andere, für die diese Informationen und Erfahrungen vielleicht nützlich sein könnten. Das hat mir die Stärke gegeben weiterzumachen. Ich habe mich auch manchmal gefragt, ob ich mir das vielleicht nur einbilde, doch an Deiner Reaktion sehe ich, dass das nicht nur Einbildung ist und das ist natürlich doppelt schön.

Ja, ich habe mich gefreut, dass Du wieder geschrieben hast, denn ist ja nicht selbstverständlich. Das muss man sich mal überlegen, mit was für Symptomen Du lebst und was das für eine Einschränkung in Deinem Leben bedeutet. Es gehört viel Mut und Stärke dazu, jeden Tag wieder aufzustehen und weiter zu leben. Wobei das eher Überleben ist als Leben. Doch mir scheint, dass Du noch Hoffnung hast. Ich fand diese Aussage von Dir bemerkenswert und klasse:
Zitat:
Ich werde es mal ausprobieren und schauen ob es klappt, werde die in ein paar Tagen auf jeden Fall eine Rückmeldung geben, inwieweit es mir geholfen hat.

Deine Rückmeldung fände ich vor allem deshalb interessant, weil dann sichtbar wird, ob es Dir geholfen hat oder was vielleicht noch hilfreich sein könnte. Manches funktioniert und anderes eben nicht. Und manchmal ist es sogar so, dass etwas an einem Tag funktioniert, am anderen nicht mehr und am nächsten Tag wieder. Das ist wie ein Weg, den man geht. Man geht Schritt für Schritt und es gibt eben auch Rückschritte. Das fand ich am Anfang besonders frustrierend. Gerade hatte ich etwas gefunden, das mein Leben etwas erleichterte, und schon war es wieder weg. Doch davon darf man sich nicht einschüchtern lassen oder deshalb die Flinte ins Korn werfen. Es heißt dran zu bleiben und sich einfach wieder auf den nächsten Schritt zu konzentrieren. Das ist mit der Zeit immer einfacher geworden. So wie es ja eigentlich mit den meisten Dingen ist, die man übt, funktioniert es ab einem bestimmten Punkt immer besser. Rückschritte sind halt Teil des Deals und es ist einfacher, wenn man sie einkalkuliert. Dann können sie einen nicht mehr runterziehen.

Ich kenne nicht alle Symptome, die Du hast, doch einige. Beispielsweise dies:
Zitat:
Sobald mich jemand anfasst, sage ich direkt, das ich es nicht möchte. Ich mag es überhaupt nicht mehr angefasst zu werden oder Körperkontakt zu haben.

Das ging mir genauso. Und ich schreibe in der Vergangenheitsform, weil es sich inzwischen wieder deutlich verändert hat und ich Nähe und Körperkontakt wieder viel stärker zulassen kann. Ich vermute, dass ich mich auf die Suche gemacht habe, weil ich ursprünglich zu der Sorte Mensch gehörte, die andere Menschen schon zur Begrüßung in den Arm nimmt und auch sonst keine Probleme mit Körperkontakt hatte. Und dann war alles anders. Ich habe mir gedacht: Wenn es einen Weg rein gab, muss es auch einen Weg wieder rausgeben. Bei meiner Suche bin ich auf das Thema Selbstregulation gestoßen. Davon hatte ich ja im letzten Beitrag schon geschrieben, dort habe ich es formuliert als Regulation von innen oder außen. Da die Regulation von außen definitiv ausfiel, weil ich es einfach nichts und niemanden mehr gab, das mir innere Sicherheit brachte, sondern Kontakte mit anderen das Gegenteil bewirkten und meine Nervensystem noch höher drehte, habe ich mich auf die Selbstregulation konzentriert.

Was ich über die Selbstregulation herausgefunden habe
Am einfachsten ist es mit dem Beispiel von Mutter und Kind zu erklären: Ein kleines Kind fällt hin, schürft sich dabei leicht die Haut auf, erschrickt sich und rennt weinend zur Mutter. Die Mutter nimmt das Kind in den Arm und spricht beruhigend mit ihm. Sie weiß, dass die Welt von dieser kleinen Schürfwunde nicht untergeht, weil sie die eigene Erfahrung hat, dass der Schmerz nachlässt und die Haut wieder zuwächst. Sie weiß das und deshalb ist sie selbst auch nicht beunruhigt und das vermittelt sie ihrem Kind durch Worte und vor allem auch durch die Umarmung. Dadurch reguliert sie das Nervensystem des Kindes. Der Alarmzustand, in dem das Kind sich befunden hat, lässt nach und das Nervensystem des Kindes fährt wieder runter. Meistens dauert es dann nur wenige Minuten und das Kind rennt wieder durch die Gegend, manchmal noch mit einer dicken Krokodilsträne auf der Wange. Doch das Nervensystem ist reguliert, das Kind ist wieder voll auf die Außenwelt konzentriert und spielt mit anderen oder entdeckt die Welt. Das wird vielleicht nicht jeder so erlebt haben, doch das ist wie es optimalerweise funktioniert. Das ist die Regulation von außen. Und in gewisser Weise liefert das auch die Blaupause für die Regulation von innen (Selbstregulation).

Selbstregulation oder: Sich selbst der beste Freund sein
Mir war klar, dass ich mir selbst diese Mutter sein müsste. Und in gewisser Weise steckt die auch schon in jedem von uns, denn ich vermute, dass ich nicht alleine damit bin, mir selbst gut zuzureden und Mut zu machen. Im Prinzip geht es darum, sich selbst der beste Freund zu sein. Du hattest ganz oben im ersten Beitrag geschrieben, dass Du die Hoffnung hattest, dass Deine Freunde für Dich da sein würden, und dann das Gegenteil erlebt. Genau das kann Dir mit einem inneren besten Freund nicht passieren. Er kann vielleicht übertönt werden vom inneren Kritiker oder all den anderen Teilen in uns, die auch gerne mal ihren Senf zu Situationen dazugeben (und dies oft in nicht sonderlich erbaulicher Weise tun), doch dann ist es die Frage, worauf Du Dich konzentrierst. Freundlich, geduldig und wohlwollend mit mir selbst umzugehen wie ein guter Freund es machen würde, ist etwas, was mir wirklich geholfen hat. Der Weg ist schon herausfordernd genug, da braucht man nicht noch die eigene Selbstsabotage.

Selbstregulation über Gedanken und den Körper
Was mir außerdem geholfen hat: Inspiriert von verschiedenen Büchern habe ich mir mein Inneres in drei Ebenen vorgestellt: Gedanken, Gefühle, Körper. Ich habe auf jeder dieser Ebenen nach Einflussmöglichkeiten gesucht, um die nervliche Anspannung zu regulieren. Und letztlich lautete meine Fragstellung, auf welcher Ebene ich in welcher Art am besten regulierend eingreifen könnte. Ich habe unterschiedliche Möglichkeiten gefunden und habe dazu auch schon mal was hier im Forum geschrieben. Wenn Dich das interessiert, schau mal hier: angst-wieder-depressiv-zu-werden-rueckfall-vermeiden-t24827.html

So, an dieser Stelle mache ich erstmal eine Pause und koche etwas. Ist ja auch schon eine ganze Menge
Ich würde gerne später noch auf ein paar andere Punkte aus Deinem Beitrag eingehen und melde mich dann nochmal.

Und wenn Du Fragen hast, frag bitte. Ich schreibe das hier ja aus meiner eigenen Erfahrung und ich bin mir sehr bewusst, dass jeder Mensch einzigartig ist. Ich freue mich, wieder von Dir zu hören.

Viele liebe Grüße,
Julia

19.09.2018 11:54 • x 2 #4


JuliaW
Hallo lieber Lars,

ich werde Dir hier ein paar Gedanken aufschreiben zu einzelnen Punkten aus Deinem letzten Beitrag. Schau einfach, ob Du damit etwas anfangen kannst:

Du und Dein hochaktiviertes Nervensystem in Beziehung zu anderen Menschen
Zitat:
Das macht mich auf Dauer kaputt, das ich es nicht zeigen kann wie es mir wirklich geht.

So etwas würde auf die Dauer jeden Menschen kaputt machen und es wirkt sich auch nicht sonderlich positiv auf Beziehungen aus. Denn so gut man es auch versteckt, Menschen merken unbewusst und z.T. auch bewusst, wenn die Reaktion des Gegenübers nicht echt ist (wenn also Worte und Körpersprache nicht zusammenpassen). Vielleicht kennst Du das auch, dass Du manchmal weißt, dass Dein Gegenüber eigentlich gar nicht das meint, was er sagt? Das ruft Unsicherheit hervor und der andere weiß dann nicht einmal, wo das herkommt. Das kann ein Auslöser für eine Fluchtreaktion sein (= die Situation verlassen, sich so schnell wie möglich von Dir entfernen) oder aber für einen Angriff (= wütend werden und das an Dir auslassen). Möglicherweise könnte das auch manche Verhaltensweisen Dir gegenüber erklären?

Und es gibt noch eine Sache: Hast Du schon mal von den Spiegelneuronen gehört? Das sind Nervenzellen im Gehirn. Es gibt dazu wissenschaftliche Forschung, die besagt, dass diese Spiegelneurone der Grund sind, warum wir uns in andere Menschen einfühlen können. Wenn wir beobachten, dass ein anderer Mensch wütend ist, spiegeln diese Nervenzellen die Körperhaltung und die Mimik und sehr wahrscheinlich spüren wir dann ebenfalls Wut in uns. (Das könnte auch einer der Gründe sein, warum das Geschehen in Spielfilmen miterleben, warum wir Angst bekommen oder mit den Helden weinen). Falls Du darüber mehr wissen möchtest, kann ich dieses Buch empfehlen: Warum ich fühle, was du fühlst: Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone von Joachim Bauer (https://www.amazon.de/Warum-f%C3%BChle- . _1?ie=UTF8). Was hat das mit Dir zu tun? Du bist es gewohnt, mit diesem hoch aktivierten Nervensystem zu leben. Doch andere Menschen, die mit Dir in Kontakt kommen, merken einfach nur, dass ihr Aktivierungspegel steigt und wissen nicht warum. Das Ergebnis wäre dasselbe wie oben beschrieben: sie haben den Impuls zu fliehen oder Dich anzugreifen oder tun etwas, um das in sich zu unterdrücken (weil fliehen oder angreifen keine sinnvolle Option für sie darstellt) und fühlen sich schlecht. Wenn sie dann das nächste Mal überlegen, ob sie etwas mit Dir unternehmen wollen, erinnern sie sich (unbewusst) an das schlechte Gefühl und sagen ab oder melden sich dann nicht mehr. Wie klingt das für Dich? Es ist eine Theorie, die für mich funktioniert hat. Ob es so ist, vermag ich nicht zu sagen, doch ich konnte mir damit einiges erklären und dann auch entsprechend eine Lösung dafür finden.

Zitat:
Du hast recht, ich bin verzweifelt. Ich habe einfach das Gefühl, egal was ich mache oder tue, ich wirke auf andere Menschen immer unsympathisch und man möchte nichts mit mir zu tun haben.

Meine Frage hierzu kannst Du nach den obigen Ausführungen wahrscheinlich schon fast erraten: Was wäre, wenn es nicht Du bist, der unsympathisch ist und mit dem andere nichts zu tun haben wollen, sondern Dein hoch aktiviertes Nervensystem? Ich würde behaupten, dass Du gar nichts an Dir zu ändern bräuchtest, es würde reichen, wenn Du Dein hoch aktiviertes Nervensystem wieder runterfahren könntest. Ich erlebe Dich hier im Forum als höflich, empathisch und interessiert an anderen. Wenn Du Dich innerlich sicher fühlen könntest, wäre das wahrscheinlich Dein normales Verhalten. Du würdest aus dem Überlebensmodus zurückkommen ins Leben. Und wenn ich lese wie Du über das Abschiedskonzert Deiner Lieblingsband schreibst
Zitat:
Ich finde es an der Band total schön, wie sie aus ihrem Leben erzählen und wie sympatisch sie sind. Ich war in der O2 World bei ihnen auf dem Abschiedskonzert und das war eine so tolle Atmosphäre da und man hat gesehen, da sind keine Menschen die auf aussehen achten, sondern dass es ihnen um den Spaß geht und um die Freude und sie wirklich wahre Fans sind. Man hat auch gemerkt, das Die Flippers es mit total viel Liebe und Freude gegeben haben, dass Konzert.

dann denke ich, dass Du all das in Dir hast, um mit anderen Menschen gut klarzukommen, Freunde zu haben und ein angenehmes Leben zu leben so wie Du es Dir wünschst.


Panikattacken und Therapiemöglichkeiten
Zitat:
Ich hatte früher bereits Panik Attacken. Ich litt sehr lange Zeit darunter. Wurde aber damals nur mit Medikamenten behandelt, seit der Arzt meinte ich brauche sie nicht mehr, wurde es wieder schlimmer. Seitdem ist es noch schlimmer als vorher. Ja ich war bereits in Behandlung deswegen.

Ich habe folgendes verstanden: Du warst in Behandlung, hast aber keine Angst- oder Traumatherapie gemacht, sondern nur Medikamente verschrieben bekommen? Wenn es so wäre, dann würde das bedeuten, dass die Symptome unterdrückt, doch die Ursachen nicht behoben wurden. Ein Trauma läuft weiter, so lange bis das Nervensystem die Reaktion zu Ende bringen kann. Die Frage lautet: Wie kannst Du das hinbekommen? Du kannst das auf eigene Faust probieren und gleichzeitig würde ich an Deiner Stelle überlegen, ob Du nicht vielleicht einen Therapeuten findest, dem Du vertrauen kannst und der Dir dabei hilft. Bei der Traumatherapie gibt es ganz unterschiedliche Ansätze. Falls Du Dich damit befassen möchtest, kannst Du hier Informationen dazu finden:


Das war die Traumatherapie, dann gibt es noch eine andere Therapieform, die möglicherweise unterstützend hilfreich sein kann. Sie heißt Sensomotorische Körpertherapie und es geht dabei um die körperliche Seite von Angstzuständen und Depressionen in Form von chronischen Verspannungen der Muskulatur und des Bindegewebes. Hier ist das sehr gut erklärt: https://koerpertherapie-zentrum.de/down . ession.pdf. Dieses PDF habe ich hier gefunden: https://koerpertherapie-zentrum.de/beha . ssion.html, dort gibt es bei Interesse noch mehr Informationen sowie eine Therapeutenliste.

Vielleicht helfen Dir diese Informationen, noch mehr Klarheit in das Chaos zu bringen? Ich wünsche Dir sehr, dass Du es schaffst, Stück für Stück wieder mehr Sicherheit fühlen und Dein Nervensystem runterregulieren zu können. Und ich freue mich darauf, wieder von Dir zu hören - und zwar unabhängig davon, ob Du Dir all das angeschaut, durchgelesen und ausprobiert hast. Schreib einfach

Viele liebe Grüße
Julia

19.09.2018 21:44 • x 1 #5


Psychogirl54321
Ich weiß nicht ob du diese Nachricht noch lesen wirst oder ob es dir mit diesem Thema wieder gut geht aber egal.
Mir geht es ähnlich wie dir. Ich z.b bin nur höflich zu anderen Mitmenschen weil ich das sein muss. Mein Neid ändert sich auch oft in Hass und ich gehe daher auch auf Abstand. Ich kann mit dieser Nachricht zwar nicht viel helfen aber ich wollte dir nur sagen das du mit solchen Gefühlen nicht allein bist. Und dein Beitrag hat mir auch etwas geholfen. Also Danke das du ihn geschrieben hast.

13.03.2020 04:41 • #6

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