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Lilian
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Hallo liebe Mit-Forumianer, ich bin Lilian, und ich bin depressiv. Ich möchte euch, wenn ihr mögt, mal meine Geschichte erzählen. Bin mittlerweile 46, unbepartnert und – eigentlich – nicht wirklich böse deswegen. Der Gedanke, jemanden ständig um mich herum zu haben, ist für mich grauslig. Ich mag gern für mich sein, meine Ruhe haben, tun, was ich will wann ich es will. Auf der anderen Seite bin ich halt allein. Mein letzter Versuch einer Partnerschaft ist 15 Jahre her, damals wollte ich es einfach mal ernsthaft versuchen. Hat 4 Jahre gedauert, bis ich einsehen musste, dass das nicht gereicht hat. Seitdem kann ich es auch nicht mehr versuchen. Das macht mich irgendwo traurig, irgendwo zuck ich aber mit den Schultern und denk mir, dann ist das eben so und erzwingen kann man eh nix.
Ich habe noch Restfamilie – meine Mutter, 75, und derzeit noch gottseidank gut drauf. Eine Tante lebt im Ausland. Das wars. Ich habe nie Kinder gewollt und nie bekommen. Auch darüber bin ich irgendwie diffus traurig darüber, irgendwie aber auch nicht. Ich denke nicht, dass ich eine gute Mutter gewesen bin, ich kann mit Kindern einfach nichts anfangen, konnte ich nicht mal, als ich selbst noch eins war. Ich war kein Wunschkind. Ich habe das Leben meiner Mutter damals ganz schön durcheinandergewirbelt. Meine Kindheit war, soweit ich mich erinnern kann, okay.
Ich war aber immer unter Erwachsenen, habe früh Sprache und Vokabular gelernt und bin damit bei anderen Kindern nicht immer gut angekommen.
Ich habe früh Verantwortung für mich selbst übernommen, meine Mutter überließ mir die Wahl meiner Schule – welches 11-jährige Kind kann entscheiden, ob die empfohlene Schule auch die richtige ist? Sie war es nicht. Ich habe mich drei Jahre rumgequält in einer Schulform, die ich gehaßt habe, mit Mitschülern, die mobbten und vor denen ich Angst hatte. Aber ich habe nie „Bauchschmerzen“ gehabt, denn das gabs nicht bei uns. Das war so eine implizite Sache, nichts Ausgesprochenes. Ich weiß heute, dass ich damals schon depressiv war – welches Kind hört mit 13 Jahren Alexandra und liest Stephen King?
Schulwechsel weil sitzengeblieben, neuen Mut fassen, jetzt durchstarten, Pläne machen, richtig reinhängen! … und ganz knapp scheitern. Irgendwie was anderes machen, berufsbildende Schulen, weil der Berufsberater das vorschlägt, selber keine Idee.
Die erste Liebe, bis über beide Ohren verliebt, zum ersten Mal dieses Gefühl, im siebten Himmel schweben - missbraucht, ent-täuscht… Gefühle beiseitegeschoben, das Leben geht weiter, muss ja, andere Mütter haben auch schöne Söhne …
Meinen Vater habe ich kennengelernt, als ich 18 war, habe ihn erst gesucht und dann aufgesucht, in solchen Sachen war ich immer spontan. Wir haben lang und breit geredet. auch mit meiner Mutter. Damals wollte er nachdenken, wie es weitergehen soll, mit uns, ihm und mir ... er denkt heute noch. Ich habe nie wieder was von ihm gehört.
Eine Ausbildung machen, die ich nicht wirklich wollte, weil die eigenen Pläne wieder mal nicht klappten. Hatte Superzeugnisse, hier ging mir auf einmal alles leicht von der Hand. Dann das richtige Arbeitsleben, immer irgendwie nicht „Richtig“ gefühlt.
Ich habe noch zwei weitere Berufsausbildungen hinter mir, für eine davon habe ich mein Abitur nachgeholt und studiert, arbeite derzeit selbstständig im sozialen Bereich,
Ich habe zwei Freunde, die beide etwa 400 km weit weg wohnen. Eine davon habe ich seit sechs Jahren nicht mehr gesehen, weil es einfach mit der Zeit nicht klappt. Die andere sehe ich vielleicht ein Mal im Jahr. Das war mal anders, aber wie das so ist, der Freundeskreis hat sich langsam aufgelöst, weil ein jeder nach Studium etc. seiner Wege gegangen ist, sich um die eigene Familienplanung kümmerte, anderswo Jobs bekam usw.
2001 ist dann meine Depression ernsthaft ausgebrochen, noch im Studium, zu viel Belastung auf zu vielen Ebenen, keine wirkliche Ruhephasen mehr. Dazu noch verknallt gewesen, Liebe auf den ersten Blick, einseitig, aber das war mir klar.
Zähne zusammenbeißen und durch. Mit akuter Depression Vollzeit gearbeitei, Diplomarbeit geschrieben, mit Geht-so-Ergebnis, aber immerhin!
Ich habe lange Zeit gekämpft, bin schließlich 2005 in Therapie. Das war sehr anstrengend, ich habe große Schwierigkeiten, meine festgewachsene Maske zu lüften. Es half ein bißchen, war aber höllisch anstrengend. Damals wollte ich aber noch raus aus dem Loch. Nach drei Jahren dann wurde die Therapie beendet, da die Kasse nicht mehr zahlte.
Worauf will ich mit all dem hinaus? Ich mag nicht mehr. Nicht mehr kämpfen, nicht noch einen Tag, noch eine Woche, ein weiteres Jahr. Ich mag nicht mehr hören, das Leben sei schön, lebens-wert. Ja, es gab Phasen, da habe ich das geglaubt, da war ich neugierig, was noch kommt. Zwar depressiv, aber ich hatte da immer noch eine Kleinigkeit, die ich noch erledigen wollte, eine Geschichte zu schreiben, ein Telefonat zu führen. Ich will aber nicht mehr. Es gibt da diesen Spruch „Willst du Gott zum Lachen bringen, erzähle ihm von deinen Plänen“. Pläne, Zukunft, was für ein Witz. Ich habe mir zwar verdammt viel erkämpft, aber wofür? Ich bin einfach müde. Will schlafen und gut ist. Fühle mich sehr zynisch, muss aber in meinem Beruf Zuversicht und Empathie ausstrahlen. Irgendwie schaffe ich das auch, aber es kostet. Meine Depression, die ist geblieben. Ich habe mich damit abgefunden, fühle nicht, dass es einen Sinn macht. Ich habe auch keine Lust mehr auf Kämpfen und Kopf-hoch-das-wird-schon.
Ach, ja – ich habe Dauerschmerzen wegen Arthrosen und Fibromyalgie, kann oft nicht schlafen. Bin gegen stärkere Schmerzmittel allergisch. Habe so verrückte Arbeitszeiten, dass ich die Klassiker an Angeboten wie zB Aquafitness oÄ nicht annehmen kann. Das würde auch wieder verlangen, dass ich vor die Tür gehe, mit Leuten spreche, sozial aktiv werde. Ich kann das aber einfach nicht mehr, habe das über die Jahre so oft ausprobiert.
Ich habe dies alles aufgeschrieben, weil ich es einmal aussprechen wollte, nicht zu einer Freundin oder einer Therapeutin, sondern so. Auch für mich, um zu sehen, wie es klingt.
Es klingt nach Depressionen, und Aufgeben, und lebens-müde. Es klingt nach verdammt viel Zynismus und das-Glas-ist-halb-leer. Das macht mich irgendwo noch traurig, aber ich weiß auch nicht, wo ich noch Kraft hernehmen soll. oder warum ich das sollte.
Vielleicht hat hier jemand noch eine Idee?
Viele Grüße und vielen Dank fürs Lesen.
Lilian
Ich habe noch Restfamilie – meine Mutter, 75, und derzeit noch gottseidank gut drauf. Eine Tante lebt im Ausland. Das wars. Ich habe nie Kinder gewollt und nie bekommen. Auch darüber bin ich irgendwie diffus traurig darüber, irgendwie aber auch nicht. Ich denke nicht, dass ich eine gute Mutter gewesen bin, ich kann mit Kindern einfach nichts anfangen, konnte ich nicht mal, als ich selbst noch eins war. Ich war kein Wunschkind. Ich habe das Leben meiner Mutter damals ganz schön durcheinandergewirbelt. Meine Kindheit war, soweit ich mich erinnern kann, okay.
Ich war aber immer unter Erwachsenen, habe früh Sprache und Vokabular gelernt und bin damit bei anderen Kindern nicht immer gut angekommen.
Ich habe früh Verantwortung für mich selbst übernommen, meine Mutter überließ mir die Wahl meiner Schule – welches 11-jährige Kind kann entscheiden, ob die empfohlene Schule auch die richtige ist? Sie war es nicht. Ich habe mich drei Jahre rumgequält in einer Schulform, die ich gehaßt habe, mit Mitschülern, die mobbten und vor denen ich Angst hatte. Aber ich habe nie „Bauchschmerzen“ gehabt, denn das gabs nicht bei uns. Das war so eine implizite Sache, nichts Ausgesprochenes. Ich weiß heute, dass ich damals schon depressiv war – welches Kind hört mit 13 Jahren Alexandra und liest Stephen King?
Schulwechsel weil sitzengeblieben, neuen Mut fassen, jetzt durchstarten, Pläne machen, richtig reinhängen! … und ganz knapp scheitern. Irgendwie was anderes machen, berufsbildende Schulen, weil der Berufsberater das vorschlägt, selber keine Idee.
Die erste Liebe, bis über beide Ohren verliebt, zum ersten Mal dieses Gefühl, im siebten Himmel schweben - missbraucht, ent-täuscht… Gefühle beiseitegeschoben, das Leben geht weiter, muss ja, andere Mütter haben auch schöne Söhne …
Meinen Vater habe ich kennengelernt, als ich 18 war, habe ihn erst gesucht und dann aufgesucht, in solchen Sachen war ich immer spontan. Wir haben lang und breit geredet. auch mit meiner Mutter. Damals wollte er nachdenken, wie es weitergehen soll, mit uns, ihm und mir ... er denkt heute noch. Ich habe nie wieder was von ihm gehört.
Eine Ausbildung machen, die ich nicht wirklich wollte, weil die eigenen Pläne wieder mal nicht klappten. Hatte Superzeugnisse, hier ging mir auf einmal alles leicht von der Hand. Dann das richtige Arbeitsleben, immer irgendwie nicht „Richtig“ gefühlt.
Ich habe noch zwei weitere Berufsausbildungen hinter mir, für eine davon habe ich mein Abitur nachgeholt und studiert, arbeite derzeit selbstständig im sozialen Bereich,
Ich habe zwei Freunde, die beide etwa 400 km weit weg wohnen. Eine davon habe ich seit sechs Jahren nicht mehr gesehen, weil es einfach mit der Zeit nicht klappt. Die andere sehe ich vielleicht ein Mal im Jahr. Das war mal anders, aber wie das so ist, der Freundeskreis hat sich langsam aufgelöst, weil ein jeder nach Studium etc. seiner Wege gegangen ist, sich um die eigene Familienplanung kümmerte, anderswo Jobs bekam usw.
2001 ist dann meine Depression ernsthaft ausgebrochen, noch im Studium, zu viel Belastung auf zu vielen Ebenen, keine wirkliche Ruhephasen mehr. Dazu noch verknallt gewesen, Liebe auf den ersten Blick, einseitig, aber das war mir klar.
Zähne zusammenbeißen und durch. Mit akuter Depression Vollzeit gearbeitei, Diplomarbeit geschrieben, mit Geht-so-Ergebnis, aber immerhin!
Ich habe lange Zeit gekämpft, bin schließlich 2005 in Therapie. Das war sehr anstrengend, ich habe große Schwierigkeiten, meine festgewachsene Maske zu lüften. Es half ein bißchen, war aber höllisch anstrengend. Damals wollte ich aber noch raus aus dem Loch. Nach drei Jahren dann wurde die Therapie beendet, da die Kasse nicht mehr zahlte.
Worauf will ich mit all dem hinaus? Ich mag nicht mehr. Nicht mehr kämpfen, nicht noch einen Tag, noch eine Woche, ein weiteres Jahr. Ich mag nicht mehr hören, das Leben sei schön, lebens-wert. Ja, es gab Phasen, da habe ich das geglaubt, da war ich neugierig, was noch kommt. Zwar depressiv, aber ich hatte da immer noch eine Kleinigkeit, die ich noch erledigen wollte, eine Geschichte zu schreiben, ein Telefonat zu führen. Ich will aber nicht mehr. Es gibt da diesen Spruch „Willst du Gott zum Lachen bringen, erzähle ihm von deinen Plänen“. Pläne, Zukunft, was für ein Witz. Ich habe mir zwar verdammt viel erkämpft, aber wofür? Ich bin einfach müde. Will schlafen und gut ist. Fühle mich sehr zynisch, muss aber in meinem Beruf Zuversicht und Empathie ausstrahlen. Irgendwie schaffe ich das auch, aber es kostet. Meine Depression, die ist geblieben. Ich habe mich damit abgefunden, fühle nicht, dass es einen Sinn macht. Ich habe auch keine Lust mehr auf Kämpfen und Kopf-hoch-das-wird-schon.
Ach, ja – ich habe Dauerschmerzen wegen Arthrosen und Fibromyalgie, kann oft nicht schlafen. Bin gegen stärkere Schmerzmittel allergisch. Habe so verrückte Arbeitszeiten, dass ich die Klassiker an Angeboten wie zB Aquafitness oÄ nicht annehmen kann. Das würde auch wieder verlangen, dass ich vor die Tür gehe, mit Leuten spreche, sozial aktiv werde. Ich kann das aber einfach nicht mehr, habe das über die Jahre so oft ausprobiert.
Ich habe dies alles aufgeschrieben, weil ich es einmal aussprechen wollte, nicht zu einer Freundin oder einer Therapeutin, sondern so. Auch für mich, um zu sehen, wie es klingt.
Es klingt nach Depressionen, und Aufgeben, und lebens-müde. Es klingt nach verdammt viel Zynismus und das-Glas-ist-halb-leer. Das macht mich irgendwo noch traurig, aber ich weiß auch nicht, wo ich noch Kraft hernehmen soll. oder warum ich das sollte.
Vielleicht hat hier jemand noch eine Idee?
Viele Grüße und vielen Dank fürs Lesen.
Lilian