Sara_p
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Ich habe mein Studium erst mit 29 beendet. Nach zwei Jahren, die ich mit Jobsuche verbracht habe, habe ich dann einen Anstellung als Marketingreferentin in einem Verband bekommen. Jetzt bin ich bereits 40 und habe weder Kinder noch einen Ehemann. Weil ich in meinem Privatleben versagt habe, war ich in Behandlung und nehme ein leichtes Antidepressiva.
Das Arbeiten in dem Verband hat mir sehr viel Spaß bereitet. Ich hatte eine familiäre Beziehung zu den Kolleginnen und Kollegen und die Zusammenarbeit in meiner Abteilung war sehr angenehm.
Nach 7 Jahren wollte ich aber weg, da die Wertschätzung durch den Chef fehlte. Also habe ich einen Job als Marketingreferentin in einem Konzern angenommen. Schon schnell merkte ich, dass das Betriebsklima in dem Unternehmen ganz schrecklich ist. Man sitzt 9 Stunden wie gefesselt am Platz, es gibt keine Teamarbeit und man unterhält sich zwischendurch kaum mit anderen. Wenn man kurz den Platz verlässt, wird einem deutlich gemacht, dass das nicht so gut ankommt. Wenn man kurz ein Pläuschchen halten will, wird einem zugeraunt, dass man leise sprechen soll, sonst hört es der Chef und das wäre nicht so gut.
Ein weiteres Problem ist mein unmittelbarer Chef. Kennt ihr das, wenn ein Mensch euch nicht grün ist? Wenn mein Chef ins Büro kommt, fühle ich mich unbehaglich, denke, was möchte er jetzt schon wieder und bin froh, wenn er das Büro wieder verlässt. Mein Chef ist ein Mensch, der bei jeder Kleinigkeit rot sieht, sein Gesicht verliert und ausrastet. Das bekam ich in der dritten Woche zu spüren, als ich einem Kollegen bei einer Präsentation geholfen habe. Kurz danach wurde ich von meinem Chef fertig gemacht. Ich muss mir auch eingestehen, dass ich ein Typ bin, der wenig Selbstbewusstsein hat und nicht nein sagen kann, weil ich nicht weiß, was ich mir erlauben darf und was nicht. Ich bin also völlig devot.
Zu dem sich unwohl fühlen kamen ab dann meine Herzrhythmusstörungen verbunden mit Atemnot. Als das Arbeitspensum weiter zunahm, weil mein Chef nach und nach immer mehr Verantwortungsbereiche an mich übertrug, kam es zu einem Punkt, an dem ich dachte, ich kann nicht mehr. Ich hatte zusätzlich Wortfindungsstörungen und fühlte mich völlig ausgelaugt und todmüde. Zudem schlichen sich bei meiner Arbeit Flüchtigkeitsfehler ein, die der Chef mir immer unter die Nase hält. Zusätzlich kam dadurch noch die Angst, etwas falsch zu machen.
Auf der Autobahn auf dem Weg zur Arbeit fallen mir jedes mal fast die Augen zu und ich fuhr auch schon über rote Ampeln. Ich vernachlässige meine sozialen Kontakte und habe auf nichts mehr Lust. Ich fiebere nur noch aufs Wochenende hin und wenn es soweit ist, liege ich nur im Bett und schlafe. Ich bin ständig woanders mit den Gedanken und anderen gegenüber emotionslos. Wenn ich todkranke Menschen im TV sehe, dann denke ich immer, warum haben die so ein kurzes Leben und nicht ich, die nichts in ihrem Privatleben gebacken bekommen hat und nun auch noch einen unerträglichen Job ausübt.
Als ich mich mal zwei Tage krank gemeldet hab, drohte mir mein Chef mit Überstunden. Das erhöht für mich den Druck unverzichtbar zu sein. Schliesslich bleibt alles liegen, wenn ich es nicht abarbeite.
Ich hatte jetzt zwei Wochen Urlaub und habe die Arbeit vor meinem Urlaub nur mit der Aussicht auf die erholsamen Tage ertragen. Ich merke aber, dass ich mich an nichts mehr erfreuen kann. Auch die Reise ins Ausland nicht. Am liebsten schlafe ich und das Aufstehen morgens fällt mir schwer.
Jetzt nähert sich der Urlaub dem Ende zu und ich hatte bei dem Gedanken an die Arbeit einen emotionalen Zusammenbruch. Ich habe das Gefühl da nicht mehr hingehen zu können. Ich breche ständig in Tränen aus. Natürlich schreibe ich Bewerbungen, aber bis man was neues bekommt, was dann auch passt, kann es dauern. Wenn ich an den Chef und dieses Büro mit den Kollegen denke, könnte ich die ganze Zeit heulen. Das ganze spiegelt sich durch meine tiefen Augenränder auch schon im Gesicht wieder.
Meine Freundin meint, ich soll mich länger krank schreiben lassen. Aber wie soll man danach den Kollegen wieder entgegen treten! Mein Kumpel meint ich soll da gar nicht mehr hingehen, entweder kündigen oder mich so lange krank schreiben lassen, bis ich eine neue Stelle habe.
Was mache ich nur? Meine Eltern spielen noch eine große Rolle in meinem Leben. Ich würde sie bei allem maßlos enttäuschen. Sie sagen, dass man da durch muss und sich eben weiterbewerben soll.
Habt ihr einen Rat? Ich habe das Gefühl ich habe keine Lebensfreude mehr und gehe kaputt!
Vielen Dank schonmal im Voraus!