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Online Selbsthilfegruppen?

Sunny_Days
@Depressed: warst du mal in einer Selbsthilfegruppe?
Das ist keine Gruppentherapie.
Ich denke es ist wichtig, sich zu Anfang gemeinsam auf die Form, Regeln und Gruppenwerte zu verständigen.
Und diese auch gemeinsam zu formulieren. WAS ist jedem wichtig und wie formulieren wir das?
Werte können sein: Wir achten darauf, dass die Atmosphäre in der Gruppe eine Wertschätzende ist. Oder ein bekannter NLP Grundsatz: Jedes Verhalten hat eine positive Absicht.
Was bedeutet, wenn sich jemand zb scheinbar GEGEN etwas verhält, laut wird oder einen Gefühlsausbruch hat, der andere herunterzieht, ist die wichtigste Frage: Welche positive Absicht verfolgst du damit?
Oder Wir sind alle Lernende im Umgang miteinander und unseren Gefühlen.
Und: Wir dürfen Fehler machen. Im Umgang miteinander. In der Kommunikation. Wenn dies jemand bemerkt, darf dies geäussert werden. Und ähnliches, was 'der Gruppe' eben wichtig ist.
Ich möchte nicht darüber reden. ist zu akzeptieren. Wir achten sorgfältig darauf, ob ich mit Nachfragen ('bohre') jemanden überfordere oder es hilfreich ist. Jeder ist für sich selbst verantwortlich in dem was er der Gruppe sagen möchte. usw. usw.

Daraus leiten wir dann konkrete Regeln ab:
Die beinhalten zb Verschwiegenheit. Konsequenzen, wenn dies nicht eingehalten wird. Umgang mit schwierigen Situationen und unmittelbaren Konflikten.
Dazu gehören auch die von dir zitierten schwerwiegenden Situationen. Die eine Selbsthilfegruppe vermutlich überfordern würde, käme das öfter vor. (Meine Einschätzung.)

Es gibt Selbsthilfegruppen, die machen Therapieerfahrung als Voraussetzung. Wenn es um Depressionen geht ist zb die Regel sinnvoll: konkrete Suizidabsichten gehören in professionelle Hände. Wenn die jemand äussert, wie können wir diesen Übergang in Begleitung sicherstellen und den/diejenige jetzt im akuten Fall nicht alleine lassen? Oder Panikattacken etc.?

All das spricht bei einer online Selbsthilfegruppe schon für eine grundsätzliche Bereitschaft sich (mit Kamera) zu zeigen. Zumindest wäre das einer meiner wichtigeren Wünsche. (Ich habe online Unterrichtserfahrung und das ist meine zentrale Erfahrung, dass ohne Mimik und Gestik sehr viel verloren geht.) Wäre ein erstes Treffen nur 'akkustisch' sinnvoll?

Und auch sich auf Organisatorisches zu verständigen. Wie oft, wie lange trifft man sich, welche Software wird benutzt usw. Wie zb gibt es eine 'Leitung' oder gibt es bei jeder Sitzung eineN ModeratorIn, was genau ist deren Aufgabe usw. Oder meldet sich immer zwei freiwillig für die Gestaltung der Eingangs- und Schlussrunde? Wie viele sollten es sein? Wie genau setzen wir die Verschwiegenheit um? Und was einem noch so alles, was hier ja schon anklingt, einfällt.

Und das ist dann die erste (Vor-)Phase der Gruppe. Natürlich muss man sich ja auch erst mal kennenlernen. Das ist ganz normal.

Ich würde dies auf 2-3 Treffen à 60-90 min mit unbegrenzter Teilnehmerzahl ansetzen.
Später glaube ich dass so maximal 8-10 Teilnehmer ganz gute Zahl wären, wenigstens 4-5.

Die Mitglieder die sich dann einigen können, können dabei sein. Diejenigen, die für sich wesentliche Punkte nicht abgedeckt sehen, für die sind dann andere Möglichkeiten sinnvoller.

Ich persönlich sähe da jetzt keine Alters-Ausschlusskriterien. Außer natürlich man selbst fühlt sich da nicht wohl. Jede Gruppe hat eine Konsolidierungsphase. UND auch eine Konfliktphase. (DAS vergessen viele. Da 'muss' man durch. Meistens.)

Ich selbst war zweieinhalb Mal in einer. Die 'halbe' hat sich neu gegründet, begleitet von der Caritas (glaube ich, weiß ich nicht mehr, ist ewig her ...) aber zunächst nur was Räume zur Verfügung stellen anbelangt - und dann haben sich insbesondere zwei Mitglieder miteinander SO zerstritten, die eine versuchte dann mich reinzuziehen, was ich aber nach sehr heftigen Diskussionen unterbrach indem ich dann mit Einverständnis der anderen die Caritas Mitarbeiterin zu Hilfe bat - inzwischen hatte diejenige es allerdings geschafft größeren Unmut zu säen und die Gruppe fiel dann auseinander noch bevor sie richtig startete. Das passierte in der Gründungsphase und die Caritas Mitarbeiterin meinte danach auch, dass sie so eine Konflikteskalation extrem selten erlebt hat.

Die beiden anderen Gruppen waren auch sehr unterschiedlich. Die erste war eine private Initiative eine Mischung aus gemeinsamen Unternehmungen und persönlichem Gesprächskreis abwechselnd bei jedem zuhause. Entstanden aus einem Gruppenaufruf bei der psychologischen Beratungsstelle der Uni. Keiner von denen kannte sich vorher. Ich kam hinzu nachdem sie bereits einige Monate lief. Davon habe ich heute noch eine (inzwischen entferntere) Freundin nach über 20 Jahren. Die andere war auch ein recht gutes Erlebnis, sie gab es in wechselnden Konstellationen auch bereits seit Jahren. Sie habe ich nach nur einem dreiviertel Jahr dabei seins wegs Umzug in eine weiter entfernte Stadt verlassen. Wir waren sehr unterschiedlich, trafen uns nur zu den Gruppenterminen. Die Atmosphäre war durchweg gut und alle gaben aufeinander acht. Davor habe ich probehalber eine besucht, die nach den Prinzipien der Emotions Anonymous strukturiert war, da stellte ich nach zweimaliger Teilnahme fest, das ist nichts für mich.

Ich glaube, für mich wäre die Essenz einer neuen Gruppe das: wir geben alle aufeinander acht, dass die Atmosphäre in der Gruppe geprägt ist von Achtsamkeit gegenüber sich und den anderen, Wertschätzung und wir kommunzieren miteinander so gut wie wir können und sind bereits dazu zu lernen.

03.08.2022 11:01 • x 1 #16


Plottwist
Ich finde die Idee auch interessant (bin m, 39). Ich nutze in anderem Kontext Jitsi als Online-Plattform (z.b. kostenlos auf dem Server von Freifunk München). Dort kann man sehr unkompliziert eine Online-Konferenz eröffnen und dann können Leute beitreten, ob unter ihrem echten oder einem frei gewählten Namen kann sich jeder aussuchen (und auch bei jeder Sitzung wieder ändern). Datenschutz ist dort glaube ich sehr gut, allerdings ist es nicht ganz so stabil wie andere Plattformen.
Grundsätzlich finde ich interessant, ob es eher eine Gruppe sein soll, in der man einfach miteinander quatscht (=sozialer Austausch) oder ob es eher eine krankheitsorientierte Richtung haben soll (Wie geht es mir, Was belastet mich gerade usw.) oder ob beides möglich sein soll.
Und sonst denke man muss es einfach ausprobieren, ob es passt oder nicht .

03.08.2022 13:41 • x 2 #17


A


Hallo mdabber,

Online Selbsthilfegruppen?

x 3#3


maya60
Ich habe seit Jahrzehnten die Erfahrung gemacht, dass Selbsthilfekontakte Gold wert sind. Mal in Form gegenseitiger Gleichbetroffenheit und Unterstützung bei Prüfungen, mal in Form eines großen Selbsthilfeforums bei der Erziehung unseres behinderten Sohnes und in diesem Forum bildeten sich automatisch regionale Gruppen, die sich PNs schrieben oder in den Chat gingen oder sich Mails schickten, die telefonierten und sich regelmäßig in der regionalen Gruppe zum Essengehen trafen oder anders sortiert privat trafen.
Das war Gemeinschaft, Freundschaft, Entlastung durch Gleichbetroffenheit und Weitergabe von zentral wichtigen Tipps und Infos fachlicher Art für unsere kids. Noch heute habe ich eine Freundin aus dieser Zeit, wenn wir uns auch nur noch selten sehen und unsere kids mittlerweile erwachsen sind und wir auch mittlerweile in unterschiedlichen Bundesländern wohnen.
Aber noch heute schaue ich für fachliche Tipps in das alte Forum und tausche mich dort aus, wenn nötig, auch wenn es vor allem für Eltern behinderter Kinder da ist, aber die Kinder der ersten Generation sind ja nun erwachsen und deren Werdegang auch nicht ausgeschlossen.

Auch im Bereich meiner psychischen Erkrankungen habe ich von Selbsthilfeforen sehr profitiert und konnte andere ebenso unterstützen. Da gab es für mich gute, schlechte und mittelmäßige Foren, dieses hier zähle ich persönlich zu den guten.

Von daher kann ich mir denken, dass aus diesem Forum heraus bei gleichen Interessen sich auch von selber wie damals bei meinem Elternforum Chatten, PNs, Mails, regionale Treffen oder gar überregionale Treffen ergeben haben und ergeben je nach Bedürfnis, gemeinsamer Chemie und Interesse und Engagement.

Als ich damals in eine Selbsthilfegruppe der Eltern auch regional ging, da war das eine logische Folge, weil es ja hier in der Region gerade die behindertengerechten Angebote gab, über die man schrieb und hier auch die Ärzte, Therapeuten, Kliniken usw. Und hier auch die anderen Eltern, die mal mit Gleichbetroffenen am Rande ihrer Kräfte abends rausgingen und sich gut taten statt zu kritisieren, zu fordern, zu rechtfertigen.

Wenn dann eine so hohe Loyalität da ist, wird einfach nicht Missbrauch mit dem Wissen über andere getrieben. So habe ich das erlebt.

Allerdings finde ich es bei psychischen Erkrankungen immer wichtig, selbstreflektiert zu sein und nicht die Krankheitssymptome für die Realität zu halten und damit zu verfestigen. Also Opferhaltung bringt niemanden weiter und wenn eine ganze Community vorwiegend in der Opferhaltung bleibt, verlasse ich das Forum und finde es für mich schlecht. .
Auch können Selbsthilfegruppen nicht Therapieersatz sein, das dürfen sie nicht mal.

Ich verstehe auch alle Befürchtungen von @Depressed und habe oft hier im Forum gedacht, wenn hier Streit entstand, der viel zu lange immer wieder aufflackerte und Einzelne oder Grüppchen als Urheber hatten, bis die denn mal das Forum verließen: Gut, dass es hier anonym ist. Das hätte ich jetzt auch nicht von der, dem, denen gedacht am Anfang.

Meine Erfahrung ist aber, dass sich dann erst gar keine näheren Beziehungen ergeben. Denn die erfordern schon Engagement, das ein bisschen durchhält und nicht nur Konsum der Vorteile und wenn dieses Engagement entsteht und bleibt und sich lohnt, dann sind die Gruppenmitglieder auch offen und fair und für die Gruppe da.

Darum, hätte ich jetzt im Alter noch ein Interesse an Selbsthilfekontakten näherer Art als hier im Forum täglich (was ich nicht habe), würde ich es erstmal mit Chats, PNs, Mails und Austausch über und mit den ganz unterschiedlichen Profilen hier versuchen bzw. wäre sicher, das ergäbe sich auch einfach von selbst mit Offenheit.

Es lohnt sich sehr!

Herzliche Grüße von maya60

03.08.2022 16:05 • x 4 #18


Kate
Gut auf den Punkt gebracht @maya60

03.08.2022 16:29 • x 1 #19


gho
Gibt es noch die Bestrebung der online Selbsthilfegruppe?
Wäre auch sehr interessiert.

23.12.2022 00:43 • #20


Dys
@gho Das Thema scheint seit August letzten Jahres wohl nicht weiter von Interesse gewesen zu sein. Ich denke es ist auch nicht so einfach, mehrere Menschen unter einen zeitlichen Hut zu bringen. Vielleicht böte sich er Chat dieses Forums an, um erste Versuche zu starten. Voice gibts da zwar nicht, aber dort könnten Interessierte sich ja erstmal unverbindlich austauschen, in Echtzeit.

01.01.2023 07:20 • #21

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