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Selbsthass und aussichtslosigkeit

M
Kennst jemand dieses Gefuehl des absoluten Hasses, bei dem man sich bei allem, was man tut, wie ein absoluter Idiot fühlt? Mit diesem Gefuehl habe ich fast jeden verdammten Tag zu kaempfen. Meine Klassenkameradin ist gestern zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich auf eine bestimmte Person aus unserer Klasse stehe oder diese Person auf mich. Mein erster Gedanke war: Warum sollte eine scheinbar soziale, gut aussehende und intelligente Person auf jemanden wie mich stehen? Was habe ich ihm, meiner Familie oder der ganzen Welt ueberhaupt zu bieten? Mir war die Antwort bewusst, aber natuerlich haette ich das niemandem so ins Gesicht sagen koennen, ohne dass ich mich verrueckt fuehle.

Aber genau hier liegt ja eigentlich das Problem. Ich konnte noch nie nachvollziehen, warum irgendjemand mich ausstehen kann. Wenn ich mich selber treffen wuerde, haette ich mich dieser Person gegenueber nicht so nett verhalten wie manche es tun. Um es kurz zu sagen: Ich finde mich haesslich. Aber nicht nur aussen, auch innen. Ich bin nicht die Schlauste, ich bin nicht die Sportlichste oder auch die Musikalischste. Jeder Mensch hat eine Sache, die sich der Welt bieten laesst oder diese Person in gewisser Massen ausmacht. Ich nicht. Ich bin mittelmaessig. Ich bin durchschnittlich. Alles was ich sage bereue ich. Jede Freundschaft die ich schliesse bereue ich. Ich fuehle mich wie eine Last fuer alle in meinem Leben. Ich habe nicht das Gefuehl, dass ich irgendeinen Wert habe. Warum auch? Schon seit meiner Kindheit hat mein eigener Vater mir bewiesen, dass egal was ich auch mache, er nicht stolz auf mich sein wird. Egal wie viel Zeit und Kraft ich in Freundschaften investiere, werde ich am Ende alleine stehengelassen. Schon in der Grundschule wurde ueber mich und die schlechte finanzielle Lage meiner Familie heimlich geredet. GRUNDSCHULE?!? Wie abscheulich muss man eigentlich sein, um schon in dem Alter Leute auf solcher Ebene anzugreifen? Mein ganzes Leben lang wurde ich von Leuten um mir enttaeuscht und niedergedrueckt. Eventuell ist man sich bewusst, dass das Problem ja dann bei einem selber liegen muss wenn schon so viele aus deinem Leben gegangen sind. So faengt es halt an. Man faengt an, ueber sich selber zu zweifeln, seinen Umgang mit anderen zu hassen, sich selber so stark zu kritisieren, dass es nun unmoeglich ist, auf eigene Taten und ''Erfolge stolz zu sein.
In der Schule bin ich nie gut genug. Zu hause kann ich meinen Vater nicht zufriedenstellen oder meine Mutter gluecklich machen oder meiner Schwester helfen, wenn sie es braucht. Ich habe keinerlei Talente mit denen ich moeglicherweise Geld machen koennte, falls ich mein Studium nicht schaffe.
Egal wo ich hinschaue, alle Wege sind aussichtslos. Meinen eigenen Wert vergleiche ich mit Schulnoten. Sachen die mir frueher Spass gemacht haben werden zur Last. Ich habe keine Ahnung was ich mit mir selber anfangen soll. Ich will so sehr einfach schlafen gehen, die Augen ganz stark zudruecken und einfach nicht mehr aufwachen. Ich will in diesem Schlaf, in der Ruhe, der Finsternis und der Stille so sehr verbleiben bis zum geht nicht mehr. Aber ich weiss, dass ich das nicht machen kann. Ich sollte es nicht machen. Das haelt mich aber trotzdem nicht davon ab, darueber nachzudenken.

Ich weiss, dass alles was ich gerade gesagt habe etwas hingeschmissen ist. Ich war noch nie gut darin, eigene Gefuehle auszudrucken. Wollte es auch selten machen. Ich merke gerade wie melancholisch das alles klingt, aber naja. Ich suche eigentlich nicht nach Antworten und schon gar nicht nach Rat, da viele diesen Rat ohnehin nicht selber annutzen (ich bin auch einer dieser Heuchler, keine Sorge). Ich bin einfach einsam, obwohl ich nicht alleine bin und suche nur nach einem Gespraech. Ich habe nicht einmal eine Ahnung, ob irgendjemand dies ueberhaupt sehen oder lesen wird aber was solls.

26.02.2022 13:44 • x 2 #1


mutmacher
Alles was mir gerade einfällt ist dieser alte Spruch Alles was dich an dir stört, das liebt irgend ein anderer.
Das ist nun nicht gerade ein heilendes Pflaster für Deine Seele, aber ich will darüber nachdenken, was Dir helfen könnte. Vieles hat sicher mit Deiner leidvollen Vergangenheit zu tun, die Du erlebt hast und die Narben, die Du davon trägst.
Lass mir noch etwas Zeit zum Nachdenken, o.k. ? Ich melde mich dann wieder.

26.02.2022 14:25 • x 2 #2


F
Liebe @merymozk03,

ich habe vor einigen Tagen deinen Beitrag gelesen und muss gestehen, dass er mich sehr berührt hat. Hatte auch schon angefangen eine Antwort zu verfassen, war aber sehr unzufrieden damit und dann ist im Rahmen von Arbeit und allem die Zeit weggewesen.
Ich möchte jetzt jedenfalls den Moment nutzen, um dir vielleicht doch noch einmal zu antworten.

Wie gesagt hat mich dein Beitrag hier sehr berührt. Zum einen kenne ich mein jüngeres Ich darin zum Teil wieder und gleichzeitig auch mein Schattenkind, wie man so schön sagt, was mich auch heute immer mal wieder in schwierigen Situation heimsucht. Ich weiß auch gar nicht so 100%ig sicher, was ich dir sagen kann, dass die Situation für dich besser macht - vielleicht ist das auch gar nicht nötig oder sollte der Anspruch daran gar nicht bestehen. Ich bemühe mich hier wirklich, die Plattitüden so gut es geht wegzulassen, weil ich weiß und auch im Rahmen als Angehörige (bzw. mittlerweile Ex-Angehörige) eines Depressiven, wie negativ sich das auswirken kann. Sollte irgendetwas krumm und schief rüberkommen, sag es mir gerne, ansonsten hoffe ich, dass dich mein Geschreibsel in der Art und Weise erreicht, wie ich es mir wünsche.

Ich kann nur ansatzweise nachvollziehen, wie es dir geht - ich kenne weder dich noch die genauen Umstände in denen du dich befindest. Was ich rauslese ist, dass du durchaus familiäre Schwierigkeiten hast, insbesondere mit deinem Vater, und dass du auch was deine Zukunft angeht von Versagensängsten etc. betroffen bist. So doof (und ja auch plattitüdenhaft) es klingt, denke ich, dass das in deinem jungen Alter irgendwo in einem gewissen Rahmen normal ist. Was die Pubertät mit einem macht - tatsächlich auch nachweislich - stellt man meist erst mit der Zeit fest. Besonders als Frau ist man durch den einsetzenden Zyklus, der wirklich laaaaaange braucht, bis das Hormonchaos irgendwo halbwegs eingependelt ist, in dieser Zeit des Lebens besonders geplagt. Abgesehen davon durchläufst du eine Zeit, wo sich dein Ich neu ausrichtet - du wirst erwachsen, sprich Abnabelung von Eltern, die Gedanken an die Zukunft und darüber was man werden und machen will hin zu den winkenden Verpflichtungen. Auch wenn du offensichtlich nicht das wohlbehütetste Elternhaus hast, es ist ja irgendwo das, worauf du zurückgreifst und zurückfällst. Wenn das dann nicht so toll ist, macht es den kommenden Sprung auch nicht besser.
Ich kann deine Situation insofern relativ gut nachvollziehen, weil ich wie gesagt auch nicht die blühendste Vergangenheit hatte. Eine depressive Erkrankung (wie es bei dir vielleicht der Fall ist) hatte ich aber zu meinem Glück nicht, oder nur so unterschwellig und leicht, dass ich sie habe managen können. Was allerdings dabei wirklich wichtig zu wissen ist, dass ich dabei in meinen Mitte-Ende 20ern Hilfe bei einer Therapeutin gesucht habe. Der Druck und die schlechten Gefühle, die ich hatte, haben sich bei mir psychosomatisch geäußert. Ich glaube mittlerweile, dass wenn ich mir nicht die Hilfe gesucht hätte, wäre ich definitiv irgendwann wirklich depressiv geworden - die genetische Veranlagung habe ich väterlicherseits.

Was mich an deinem Beitrag so erschreckt, ist dieser zum Teil doch sehr willkürlich oder vermeintlich bewiesene Selbsthass, den du beschreibst. All die schlechten Gefühle, die du hast und dieses schlimme Bild, was du bezüglich dir selbst in deinem Kopf hast, sind Gedanken und Gefühle, die verständlich sind je nach dem aus welchem Haushalt du kommst - das ist einer der wichtigsten und hilfreichsten Gedanken, die ich in meiner Therapie gelernt habe. Was ich fühle, ist verständlich und nachvollziehbar, ABER es ist kein fester Bestandteil deines Lebens oder muss keiner sein. Nur weil du dich heute so fühlst und so über dich denkst, muss es in 5 oder 10 Jahren nicht auch so sein.
Darüber hinaus, meine Liebe, ist dieser Beweis, dass DU es verdient haben musst, weil andere dich so behandeln wie sie es tun, in absolut keinster Weise ein Beweis sondern eine gesuchte Begründung. DU hast es NICHT verdient und dass du das seit deiner Kindheit so erleben musst, dass du deinen Vater nicht stolz machen kannst - das ist dein Problem deines Vaters, welches du ganz klar und strikt von dir abkoppeln solltest, auch wenn es emotional - wieder verständlich - an dir klebt. Ich kann dir gar nicht sagen, wie traurig es mich macht, das zu lesen, weil es so ein schlimmer Gedanke ist, der so absolut fern von rationaler Logik ist. Das ist Opfer-Blaming. Und das ist Opferrolle, in die wir alle immer mal wieder kommen, weil es so nah und verhältnismäßig einfach ist. Die Sache ist aber, dass das Verhalten anderer in deine Richtung nichts über dich aussagen muss. Genauso wenig wie dass dein Leben so weiterverlaufen muss.

Ich will hier nicht in den Lösungsmodus übergehen: ich kann dir aber nur empfehlen, wirklich auch im persönlichen Rahmen nach Hilfe zu fragen oder dir Hilfe zu suchen, weil das, was du da gerade durch machst, wirklich ehrlich schlimm ist, aber genauso wie es schlimm ist, ist es sehr gut behandelbar und veränderbar - und das sage ich aus eigener Erfahrung. Wenn du erste Anlaufpunkte brauchst, sind es im Notfall immer deine LehrerInnen. Ich werde selbst Lehrerin und man ist auch diesbezüglich Ansprechpartner für die eigenen SchülerInnen. Ich hatte mich damals auch im Abi meinem Geschichtslehrer einmal anvertraut (der selbst depressiv war) und der ganz unerwartet und extrem einfühlsam auf mich eingegangen ist. Es gibt die LehrerInnen, die dir helfen möchten und die, wenn du dich ihnen einmal öffnest, wirklich helfen können oder dir dabei helfen, richtige professionelle Hilfe zu finden. Solltest du das nicht wollen, gibt es immer noch den Hausarzt, den Gynäkologen, den man ja immer mal wieder sieht, oder eine Handynummer, wo man als junger Mensch mit professionellen HelferInnen ganz einfach whatsappen kann und die einen ein wenig auffangen und helfen können und dir deine Rechte erklären können, an Hilfe zu kommen ohne dass deine Familie davon erfahren muss. Die Angebote sind vielfältig - solltest du da Informationen wollen, sag gerne Bescheid und ich suche dir ein paar Nummern raus, wo du vielleicht mal anrufen oder schreiben kannst!

Abgesehen davon möchte ich dir noch sagen - das hat mir damals unglaublich geholfen und genauso wie mein Vorredner geschrieben hat, dass letzten Endes Schönheit irgendwo im Auge des Betrachters liegt und dass du auch den passenden Deckel hast, der so viel an dir Schätzen kann, was du vielleicht gerade gar nicht so sehen kannst - - - niemand wird stark, wenn er oder sie nicht mit Schwierigkeiten konfrontiert ist. Das muss nicht im Rahmen sein von Depression als Chance sondern der Umgang mit einem wirklich blöden Deck Karten, das dir zugespielt wurde. Wenn du damit umzugehen lernst und all den miesen schei. hinter dir lässt oder das reflektierst, einordnest, daraus lernst, dich weiterentwickelst, WIRST du stärker als jemand sein, der all das nicht hatte. Dass das unfair ist, mag sein, aber es du bist dem nicht ausgeliefert, dass es den Rest deines hoffentlich langen Lebens so weitergehen muss.

Ich hoffe, das hilft dir ein wenig. Übrigens finde ich absolut gar nicht, dass du nicht gut über deine Gefühle reden kannst. Nur weil man etwas nicht benennen kann, heißt es ja nicht, dass man es nicht umschreiben kann. Ich für meinen Teil meine einen recht guten Eindruck davon bekommen zu haben, wie es dir geht. Und auch wenn die Gefühle überfordern, sind sie da und du kannst diese (mit Hilfe deutlich besser) verstehen und vielleicht nicht kontrollieren aber lenken. So doof es klingt, aber damit kann man arbeiten. Bei meinem Ex sehe ich, wie viel schlimmer das Erkalten, Verschwinden und die Abkapselung von Gefühlen ist. Übrigens kommt er aus einem wirklich überbehütenden Elternhaus - das macht auch Probleme, wie ich jetzt lernen durfte.

Von einer Floskel als Abschied nehme ich jetzt mal Abstand.

Sag Bescheid, wenn ich/wir dir hier irgendwie helfen können.
Freshdaex

20.03.2022 13:50 • #3

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