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Sind solche Stimmungsschwankungen noch Depressionen?

F
Ich habe seit fast 10 Jahren Depressionen und in den Phasen ohne Medikamente ist mir aufgefallen, dass ich sehr starke Stimmungsschwankungen habe. Mein Therapeut hält das angesichts der Umstände für normal, aber ich wollte trotzdem eure Meinung hören.

Aktuelles Beispiel: Ich bin seit Mai wieder depressiv. Es gab da einen relativ großen Auslöser den ich auch in der Therapie besprochen habe, was so mäßig geholfen hat, trotzdem gibt es immer wieder Tage/Wochen wo ich ganz gut funktioniere, weswegen ich nicht wieder Tabletten nehmen wollte. Zu den regelmäßig wiederkehrenden Symptomen gehören starke Ängste, Schwarz-Weißdenken, Entscheidungsunfähigkeit und es wird auch zunehmend stärker.

Am Mittwoch war ich den ganzen Tag ziemlich gereizt und bin am Abend dann wegen einer bestimmten Sache explodiert, was zu stundenlangem Weinen geführt hat. Ich konnte in der Zeit nichts anderes machen, nicht essen, nicht trinken, mit niemandem reden, mich nicht ablenken. Nach ein paar Stunden habe ich es geschafft mich zu duschen, aber dann wieder praktisch ohne Unterbrechung bis 3 Uhr morgens geweint.

Am nächsten Tag konnte ich deswegen kaum arbeiten und habe regelmäßig wieder angefangen zu weinen, konnte das aber relativ schnell einstellen und zumindest so tun, als würde ich arbeiten. Mein Freund (wir wohnen nicht zusammen) hat in der Zeit ein paar Nachrichten geschrieben, aber ich war dann plötzlich wütend auf ihn wegen irgendwelchen irrelevanten Sachen die vor ein paar Jahren passiert sind und habe ihm geschrieben, dass ich mich mit ihm nicht unterhalten will. Nach Feierabend dann der nächste Heulanfall, ich habe den dann mit einer Fernsehserie unterbrechen können und habe dann 3 oder 4 Stunden durchgeguckt und beim Schlafengehen war ich gefühlsmäßig neutral.

Am nächsten Tag war mir dann gar nicht nach Weinen zumute, und ich habe die Situation morgens telefonisch mit meinem Freund besprochen, wodurch ich dann eine Lösung für das Problem vom Mittwoch hatte und wir es auch zwischen uns beiden klären konnten. Damit lief der Tag ziemlich gut. Aber nachmittags hatte ich eine Auseinandersetzung mit einem Arbeitskollegen und bin so wütend geworden, dass ich am selben Tag noch kündigen wollte (darüber hatte ich die letzten Wochen öfter nachgedacht, hätte ich aber nicht ernsthaft so plötzlich gemacht). Mein Freund hat mich dann nach der Arbeit beruhigen können und wir sind zusammen auf das Stadtfest gegangen.

Das war total schön und ich habe all meine Sorgen vergessen, obwohl ich, weil ich auch Sozialphobie habe, ein paar Sachen ziemlich peinlich fand und auch dann darum gebeten habe, dass wir zuhause essen und nicht in der Öffentlichkeit.

Heute bin ich allein und habe mich vormittags aufgrund von Langeweile wieder in das Ereignis von gestern reingesteigert, weswegen ich dann meinem Freund geschrieben habe, dass ich doch demnächst kündigen sollte und was er darüber denkt. Parallel habe ich in diversen Internetplattformen mit Leuten über verschiedene Themen diskutiert, eigentlich als Ablenkung, aber das hat mich dann irgendwie noch wütender gemacht. Mein Freund hat mir dann geschrieben, dass wir uns doch entschieden hatten, dass ich in dem Unternehmen bleibe, zumindest bis wir zusammen ziehen.

Und seitdem Gespräch dreht sich wieder alles in meinem Kopf, ich weiß dass ich mit ihm zusammen ziehen will (hatten wir im Laufe des Jahres vor) aber ich hinterfrage es ständig und dass wir bisher keine passende Wohnung gefunden haben (unsere jetzigen sind zu klein für 2 Personen) frustriert natürlich zusätzlich. Ich wollte eigentlich heute irgendwas unternehmen, aber ich weiß nicht was, und jetzt sind irgendwie schon 8 Stunden rum seit ich aufgestanden bin und ich war nur am Grübeln und diskutieren.

Sind das noch Depressionen?

26.08.2023 15:42 • #1


Blütenstaub
@Falling für mich sind das Depressionen, ja. Aber ich bin natürlich keine Ärztin.

Für mich klingt das ganz nach mir selbst. Es gibt Tage, da ist alles Okay und plötzlich dann doch nicht mehr. Und es gibt Tage, an denen könnte ich nur weinen, dann wiederum welche, an denen fühle ich mich so leer, dass ich das gar nicht könnte und zuletzt gibt es Momente, in denen geht es mir gut. Mir geht es aber wirklich schon immer so. Ich merke aber, dass das immer von meinen Wahrnehmungen der Situationen abhängt, die in meinem Leben passieren und in welcher Verfassung ich genau in dem Moment bin. Wenn ich ohnehin starke Ängste habe (habe eine generalisierte Angststörung), dann kann kommen was will. Ich nehme alles negativ auf und verarbeite es auch dementsprechend tagelang oder gar nicht. Meine Wahrnehmung ist auch dann total negativ vom Erlebnis. Ich habe zB beim Einkaufen stark das Gefühl, dass mich jeder und alles beobachtet. Wenn ich mich aber einigermaßen okay fühle und die Ängste nicht derart ausgeprägt sind, dann empfinde ich 1. Vieles nicht so negativ und zum 2. verarbeite ich es im Nachgang dann auch leichter.

26.08.2023 15:51 • x 1 #2


A


Hallo Falling,

Sind solche Stimmungsschwankungen noch Depressionen?

x 3#3


Blütenstaub
Depressionen entscheiden auch, wie konfliktfähig man ist. Der Verstand ist etwas vernebelt. Es kann auch depressive Episoden geben , die von leichten Depressionen zu schweren Depressionen wechseln.
So fallen Lösungsansätze gar nicht ein, wenn die D stärker ist, aber tauchen auf, wenn der Verstand klarer ist. Ich verstehe die D. auch eher als anhaltende Krankheit, die nicht immer präsent ist oder manchmal ruht. Es kann ja auch Phasen in anderen Krankheiten geben, die ok laufen und dennoch ist die Krankheit da. Klar kann sie einmal komplett ausgeheilt werden. Aber dann wäre das wohl andauernd zu merken und kein Up -and- Down.

26.08.2023 16:03 • x 2 #3


F
Danke dir, das trifft es gut. Die letzten Tage war es meine Wut mit der ich nicht klar kam. Kleinigkeiten bringen mich auf die Palme und ich muss all meine Kraft aufbringen um nicht komplett auszurasten. Es ist ein richtiger Anfall, alles verschwimmt vor meinen Augen und ich denke, ich verliere die Kontrolle. Paar Minuten später weiß ich gar nicht mehr, warum ich so rasend geworden bin

29.08.2023 18:57 • x 1 #4


Alexandra2
Stimmungsschwankungen erschrecken mich auch immer wieder. Sie sind unvorhersehbar, ich kann nur jeden Tag einzeln angehen. Während Du @Falling unter einem Zuviel und der Unkontrollierbarkeit Deiner Emotionen leidest, das stelle ich mir auch als sehr beängstigend vor, bin ich dann wie ausgeknipst. Beides ist schlimm. Ich konnte die letzten Monate nur das Allernötigste machen.
Das Ziel lautet gerade, geduldig zu sein, sich trotzdem Gutes tun und darauf zu hoffen, dass es morgen besser geht. Ich höre es nicht gern, dass Stimmungsschwankungen normal sind bei Depressionen. Es sagt einem auch keiner, wie damit umzugehen ist. Ich versuche sie irgendwie auszuhalten und wünsche jedem inständig, seinen Weg zu finden...

29.08.2023 21:03 • x 1 #5


Mit180gen0
@Falling Das kenne ich auch von mir...

Wie geht es deiner Schilddrüse? Die kann nämlich auch Stimmungsschwankungen machen, wenn man in der Unterfunktion ist.

30.08.2023 20:32 • #6


Mit180gen0
Ich hatte eine lange gute Phase und bin dann ungebremst wieder runtergekracht.

Habe gestern auf dem Sofa gelegen - es ging mir wieder etwas besser - und habe so für mich still und im Dunkeln überlegt, was das nun war.

Meine Idee für mich selber: ich hatte Freitag was vor. Samstag. Sonntag. Montag auch. Montag wurde abends ultra emotional in einer kleinen Gruppe.
Danach konnte ich nicht mehr, habe es aber nicht gleich bemerkt. Ein Zeichen bei mir dafür ist übrigens ganz krasser Hunger. Plötzlich auftretend...

An so vielen - ja, für mich sind das viele - Tage hintereinander habe ich sonst nie was auf dem Zettel. Bin aktuell noch krankgeschrieben...
Ich brauche einfach immer noch deutliche Ruhephasen!

Wer weiß, vielleicht ist es bei dir ähnlich?

30.08.2023 20:37 • x 1 #7


Mit180gen0
@Alexandra2 Was da wirklich gut ist: Achtsamkeit. Hast du da mal nen Kurs gemacht?

30.08.2023 20:40 • #8


Alexandra2
@Mit180gen0
Ganz böses Wort Es ist mit A. D. S nicht machbar, absolut nicht. Aber Danke

30.08.2023 20:52 • #9


Mit180gen0
@Alexandra2 ok... das wusste ich nicht.

30.08.2023 21:00 • #10


Alexandra2
@Mit180gen0 das macht doch nichts, erwartet auch niemand

30.08.2023 21:21 • #11


Gwen
Ich habe akut genau dieselbe Frage @Falling auch wenn dein Post schon etwas länger her ist.
Wollte jetzt nur keinen eigenen Thread aufmachen

Aus den Antworten lese ich, dass es vielen so geht
Und auch die Frage: wie gehe ich damit um? Was kann ich wirklich tun?
Da bin ich nämlich auch noch nicht
weiter gekommen

Ob es eine reine Symptomatik einer Depression ist oder wie bei mir auch noch die attackierte Schilddrüse mitmischt….
Am Ende sind es Auswirkungen unserer chemischen Botenstoffe die aus dem Ruder laufen. Darum auch dieses extreme auf und ab und das daraus resultierende vernichtende Gefühl, es nicht kontrollieren zu können

Klar kann ich versuchen mit dem Kopf gegen zu steuern und in vielen Bereichen schaffe ich es auch.
Aber wenn in mir die Bombe hoch geht, kann ich sowas halt immer erst hinterher erkennen, wenn ich die Scherben zusammen fege.

Ich bin mittlerweile Meister des entspannens und höchst achtsam etc.
Könnte in allem selber Kurse geben
Frustrierend ist, dass wenn gestern etwas funktionierte, es heute wirkungslos bleibt. (Einfach weil im Körper gerade eine andere chemische Zusammensetzung durch die Blutbahn kreist)

Und zu guter Letzt auch der Stressfaktor nicht außer Acht gelassen werden darf.
Was andere mit links erledigen kostet uns enorm viel Kraft und Energie und schon mischt unser Antistressmanagement mit und wir fühlen uns bedroht, in die Ecke getrieben und mit der planlosen Flucht nach vorn bricht die Cortisolwelle über uns zusammen.

manchmal flüchte ich einfach nur noch aufs Sofa und warte darauf, dass der Anfall vorbei geht und sich die Lage „drinnen“ wieder beruhigt.

So faszinierend es für die Mediziner sein mag, welche Auswirkungen die einzelnen Botenstoffe im menschlichen Körper haben, so schlimm ist es für den Körper, der das alles ertragen muss…… und im Grunde ohne zu wissen, ob es jemals wieder aufhören wird

ein kleiner Trost bleibt: gemeinsames Leid ist halbes Leid!

das Wissen darum mit Menschen reden zu können, die all das auch mitmachen, hilft mir persönlich schon sehr und ich fühle mich nicht mehr ganz so allein mit all dem.
Danke

28.12.2023 15:31 • #12


Fritz
Hi Falling

Trotzdem gibt es immer wieder Tage/Wochen wo ich ganz gut funktioniere, weswegen ich nicht wieder Tabletten nehmen wollte.

Wieso setzt du die Tabletten ab?

28.12.2023 16:00 • #13


A


Hallo Falling,

x 4#14


Thi
Zitat von Fritz:
Hi Falling Trotzdem gibt es immer wieder Tage/Wochen wo ich ganz gut funktioniere, weswegen ich nicht wieder Tabletten nehmen wollte. Wieso setzt du die Tabletten ab?

Das ist eine gute Frage.
Es gibt auch die Möglichkeit der Augmentation mit Stimmungs-Stabilisierern, um den Rückfall in depressive Phasen zu hemmen. Das gilt auch für Unipolare Depressionen.

28.12.2023 21:13 • #14

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