SuJa
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ich lese schon eine ganze Weile passiv mit, und habe noch nicht gewagt über meine Sorgen zu sprechen. Ich gehöre hier vielleicht nicht richtig hin und trotzdem brauche ich Hilfe um zu verstehen, wie eine Depression abläuft. Ich brauche Hoffnung und Zuversicht, weil ich merke, dass ich das langsam verliere.
Nun meine Tochter 17 Jahre leidet unter einer mittelgradigen Depression mit viele Begleiterscheinungen, die für sich schon furchtbar sind. Angst/Panikattacken, Sozialphobie sind da die Schlimmsten. Dazu kommt noch PMDS, was mit der aktuellen mittelgradigen Depression gar nichts zu tun hat, aber alleine schon eine furchtbare Krankheit ist, die die Lebensqualität mindert. Es handelt sich dabei um ein Ungleichgewicht der S. wärend eines Zyklusses. Dies löst eine sehr starke depressive Verstimmung aus mit Migräne und noch anderen schlimmen Dingen.
Es begann so vor 2 Jahren. Angst war irgendwie schon immer ein Thema (allein sein, woanders schlafen usw.). Und plötzlich kam dieses PMDS. Damals noch undiagnostiziert und unbehandelt. Wir denken heute, dass dieses Stimmungstief die Grundlage für das Schulmobbing gegeben hat. Denn eigentlich ist meine Tochter sehr stark, aber leider auch hochsensibel. Die ständigen subtilen Demütigungen und Ausgrenzungen über einen 10monatigen Zeitraum mit mehreren Zusammenbrüchen hat eine generallisierte Angststörung zur Folge gehabt. Diese bewirkte, dass meine Tochter 2 Monate vor den Sommerferien 2018 (Klasse 9) nicht mehr zur Schule gegen konnte.
Wir haben bis nach den Sommerferien auf einen Platz in einer Tagesklinik gewartet. Meine Tochter beschreibt diese Zeit zuhause als: Ich habe kein Leben mehr, die Angst baut sich nicht ab, sie ist da und lauert. Sie hat das Haus nicht mehr verlassen, keine sozialen Kontakte, kein HipHop-Verein mehr, gar nichts mehr, kein Whatsapp, noch nicht mal mit dem Hund raus. Ihr Wochenhighlight war, mit uns Lebensmittel einkaufen zu gehen.
Um so hoffnungsvoller waren wir, als sie in dieser Situation es tatsächlich geschafft hat, die Tagesklinik zu besuchen. 3 Monate lang. Und wer so einen Klinikaufenthalt kennt, das ist kein Fereincamp. Das war jeden Tag Grenzerfahrung mit den eigenen Gefühlen. Oft ging es über ihre Grenzen. Auch da gab es Zusammenbrüche und ich dachte schon, dass die Klinik selbst zum Trauma wird. Aber danach wurde es besser, anders, nicht gut aber besser.
Ende November wurde sie entlassen und Teil der Therapie war es, sie in eine neue Schule zu integrieren. Die alte Schule war keine Option mehr. Und die anderen Schulen (Gesamtschulen) haben sie abgelehnt. Klar, sie hatte trotz der vielen Fehlzeiten die Versetzung nach Klasse 10 erhalten und in der 10 wird die Zentrale Abschlussprüfung gemacht. Da hängt sich freiwillig niemand mehr einen unbekannten Schüler ans Bein. Die einzige Alternative war also eine Privatschule. Meine Tochter gehört zum Personenkreis nach §35a. Das sind Jugendliche, denen eine soziale Behinderung droht. Diese können vom Jugendamt gefördert werden. Bislang stellen die sich aber quer. Also fliest in diese Privatschule mein ganzes Halbtagsgehalt. Ich denke immer, was ist Geld im Gegensatz zur Gesundheit. Wir müssen uns einschränken, aber es ist gut investiert, dachte ich.
Ich hatte doch tatsächlich den Irrglauben, dass man aus der Klinik einigermaßen gesund entlassen wird. Diese Hoffnung wurde aber schnell zerstört. Uns wurde klar, dass die Klinik nur die Basis legt und die eigentliche Arbeit erst losgeht. Meine Tochter wurde in der Klinik auf Fluoxetin eingestellt. Das wirkt wunderbar. Es macht etwas müde um die Mittagszeit aber es gibt auch spürbar Antrieb. Sie hat es geschafft, die neue Schule zu besuchen. Sie versteht sich mit den Lehrern und ihre Mitschüler mögen sie. Ich spüre aber, dass sie das normale Leben viel Kraft kostet. Sie bekommt Angst/Panikattacken, wenn es einen Auslöser (Trigger) gibt. Dann dauert es ca. 30 Minuten bis die Stimmung so umgeschlagen ist, dass ich sie zitternd und weinend von der Schule abholen muss. Das ist ihr dann unendlich peinlich und sie hat das Gefühl sich erklären zu müssen. Sie geht in der neuen Schule offen mit ihrer Erkrankung um, das macht es vielleicht etwas leichter aber nicht besser. Zusätzlich fällt sie in Throwbacks. Beispiel: Die Jungs käbbeln sich untereinander. Das erinnert sie an ihre eigene Mobbingsituation, die Stimmung schlägt um, sie wird wütend und weist die Mitschüler zurecht, dann verfällt sie körperlich und seelisch in den damaligen Zustand, obwohl die Situation mit ihr selbst nichts zu tun hat und auch nicht wirklich was mit Mobbing. Sie fängt an zu zittern, ihr wird schlecht, sie bekommt Herzrasen und weint ununterbrochen. Also muss sie abgeholt werden. So war es vergangenen Montag.
Meist erholt sie sich von diesen Geschehnissen über Nacht, manchmal dauert es einen Tag. Im Moment ist es aber schlimmer. Sie mag aktuell gar nicht mehr zur Schule gehen. Sie fühlt sich erschöpft und ihr wird alles zu viel. Die lange Vorgeschichte tut mir leid aber ich denke, so kann mir vielleicht jemand nachfühlen und mir helfen zu verstehen.
Es heißt, diese Rückschritte sind Teil des Gesundwerdens. Ist das so? Ich habe Angst, dass sie in den alten Zustand vor der Klinik zurückfällt. Heute geht sie zur Therapie. Sie hat eine gute Therapeutin gefunden, der sie sich gut anvertraut, aber hinterher ist sie nicht fröhlich. Auch das kostet Kraft. Ich kann die Schule auch nicht ewig so entschuldigen. Die erwarten am 3. Tag - also morgen - eine ärztliches Attest. Wo soll ich das herkriegen? Der Hausarzt und auch die Klinikärztin schreibt sie nie im Leben krank. Dort herrscht die Meinung, sie muss sich überwinden. Auch habe ich Zukunftsängste. Was wird aus ihr ohne Schulabschluss? Natürlich ist Gesundheit das wichtigste, aber die Zukunft ist doch auch wichtig, oder? Eine leichtere Schule gibt es nämlich nicht. 7 Schüler in der Klasse und 2x4 und 3x6 Stunden unterricht, das ist für sie perfekt und auch in stabiler Stimmung zu schaffen. Und nicht zuletzt das Geld. Sollte sie die Schule nicht weiter besuchen können/wollen, ist mein ganzes Geld futsch. Denn da hängt man in einem Vertrag fest. Ich weiß, das ist materiell gedacht, aber kein Geld macht auch Sorgen und Streit in der Familie.
Ich weiß, jede Depression verläuft anders. Es wäre schön, wenn es jemanden gibt, dem es ähnlich ergangen ist und einen Weg gefunden hat, damit klarzukommen. Wir möchten unserer Tochter die gröstmögliche Stütze sein.
Vielen Dank an alle, die sich die Mühe machen, das zu lesen.
Suja