Hallo,
und danke euch beiden für eure Antworten!
Zitat von Pilsum:Hast Du Angst davor Fehler zu machen? Möchtest Du möglichst perfekt sein?
Kurz und knapp: Ja, definitiv.
So geht es mir eigentlich schon seit meiner Jugend, obwohl ich meist nicht einmal unbedingt danach handel. Also, es ist eher so ein Gedanke, so ein innerer Anspruch, als dass ich wirklich alles perfekt mache. Öfters passiert es sogar, dass ich aus der Angst heraus, es könnte nicht ideal werden, gar nicht erst damit anfange. Dann denke ich Na, das wird doch eh nicht gut. Obwohl ich rein verstandesmäßig weiß, dass Fehler machen normal ist und perfekt sein zu wollen weder möglich, noch wünschenswert ist, kann mein Gefühl das nicht verstehen. Selbst meine Eltern sagen sehr oft (schon genervt) Du kannst doch nicht alles auf Anhieb können oder Es muss doch nicht perfekt werden. Dabei ist besonders mein Vater selbst so ein Mensch, der alles doppelt und dreifach überprüft und abcheckt, bevor er loslegt und selten etwas einfach so stehen lassen kann, wie es ist.
Ich habe inzwischen vermutlich weniger Angst Fehler zu machen als früher, aber dieser perfektionistische Anspruch ist noch immer da. Ich glaube, weil ich auch oft das Gefühl habe, dass ich nur gut, okay und nützlich bin, wenn ich ganz viel Spannendes tue, produziere oder alles einwandfrei mache. Dann mag man mich und vor allem mag ich mich dann selber und kann mich auch zufrieden zurücklehnen, weil ich ja was getan hab und nicht nur faul rumsitze. Sonst fühl ich mich schnell mal wie eine Verliererin und denke, das wird für immer so bleiben, wenn ich nichts Bewegendes mache jetzt.
Zitat von Pilsum:Wie ist denn Dein bisheriges
Leben gelaufen? Wie war Deine Kindheit? Wurdest Du gefördert?
Mein bisheriges Leben war bis vor zwei Jahren ziemlich schwierig, sag ich mal bescheiden. Vor drei Jahren war ich gut ein halbes Jahr in verschiedenen psychosomatischen/psychiatrischen Einrichtungen, wegen Anorexie, schweren Depressionen, einer (zumindest diagnostizierten) Borderline Persönlichkeit und eben auch einer schweren sozialen Phobie. Ich habe mich nicht einmal mehr getraut beim Bäcker ein Brötchen zu kaufen, ohne, dass ich panische Zustände bekommen habe. Obendrein war ich lange verwirrt wegen meines Geschlechts. Also, ich bin eine Frau und fühle mich auch jetzt wie eine Frau, vollkommen, aber vor knapp 3 Jahren sah das noch anders aus. Da dachte ich felsenfest ich sei ein Mann in einem Frauenkörper. Ich war wirklich sehr überzeugt davon. Und jeder, der mich von diesem Gedanken abbringen wollte, war bei mir sofort unten durch. Also. das ist schon ein ganzes Paket, was ich da mit mir rumgetragen habe, wovon mich aber glücklicherweise das Meiste gar nicht mehr so belastet. Ich habe keine depressive Episode mehr, keine Magersucht, fühle mich in meinem Körper angekommen und recht wohl, habe auch keine extremen Gefühlszustände mehr oder Ähnliches. Nur die soziale Phobie hält sich nach wie vor hartnäckig. Vielleicht nicht mehr so schlimm wie früher, aber verschwinden tut sie nicht.
Insgesamt sieht mein Leben jetzt gerade ganz in Ordnung aus: Ich bin in einer sehr schönen Partnerschaft seit 2 1/2 Jahren, studiere momentan und habe einen recht geregelten Alltag.
Meine Kindheit war eigentlich eine recht positive Zeit. In der Grundschule hatte ich viele Freunde, war aufgeschlossen und fröhlich. Da mein Vater Berufssoldat ist, musste ich einige Male umziehen als Kind. Einmal im Alter von 2, dann im Alter von 5 und nochmal im Alter von 8. Das letzte Mal hat mich am meisten getroffen, weil ich aus meinem Freundeskreis rausgerissen wurde und in der neuen Schule nur schwer bis gar keinen Anschluss gefunden habe. Als ich 10 war, ist mein sechs Jahre älterer Bruder schließlich zu seinem Vater (wir sind nur Halbgeschwister und haben dieselbe Mutter, aber er war für mich immer ein vollwertiger Bruder und mein bester Freund) gezogen, aufgrund eines gerichtlichen Entscheids zwischen unserer Mutter und seinem Vater. Und dann fing in der Schule das Mobbing an. Da sehe ich auch sehr stark meine sozialen Ängste begründet. Ich war damals ein sehr redseliges Kind, hab jedem, der es wissen oder nicht wissen wollte, erzählt, was ich toll fand und mochte. Leider haben meine Klassenkameraden das dann verwendet, um sich über mich lustig zu machen. Ich war in der gesamten Klasse dann dieses seltsame Mädchen, das ganz absonderliche Interessen hatte. Damit geriet ich schnell in eine Außenseiterposition. Als ich meinen Eltern dann davon erzählte, hatten sie relativ wenig Verständnis für die Situation. Sinngemäß kam dann sowas wie: Ach, das wird schon. Hör einfach nicht hin. Ignorier die. Das hab ich dann auch gemacht, indem ich niemandem mehr irgendwas über mich erzählt habe. Das führte dann schließlich dazu, dass ich in der Mittel- und Oberstufe stark isoliert war und niemanden so wirklich an meiner Seite hatte, außer ein oder zwei lose Freundschaften. Etwa als ich 12/13 war begann dann die Magersucht und auch SVV kam immer wieder durch. Letztlich hab ich mich auch sehr stark in Computerspiele und virtuelle Welten geflüchtet.
Ja, das wäre quasi meine Kindheit bis Jugend kurz zusammengefasst.
Zu der Frage, ob ich gefördert wurde. da bin ich mir nicht ganz sicher, wie du das meinst.
Also meine Eltern waren schon bemüht mit mir immer wieder Sportvereine zu suchen und haben mich viele Sachen (Sport, Musikschule etc) ausprobieren lassen. Aber ich hatte selten längerfristig Spaß an Dingen. Habe viel probiert und dann wieder gelassen. Da bin ich selbst ein bisschen sauer auf mich, dass ich viele Dinge nicht so lange durchhalte. Auch mein Studium wollte ich nach dem ersten Semester wieder hinschmeißen, weil ich mich unfähig und Fehl am Platz gefühlt habe. Da hat mein Vater allerdings nicht mitgemacht und gesagt, ich solle das durchziehen. (Zumal das eine private Hochschule ist, die ganz schön Geld kostet jeden Monat. Ich kann verstehen, dass man da ungern hört, dass man 5000 Euro aus Jucks in den Sand gesetzt hat.) Irgendwie konnte ich mich dann damit arrangieren und mache in der Hochschule so gut es geht mit, weil ich mir oft denke, dass es mir an einer anderen Hochschule oder Universität vermutlich genauso gehen würde und ich nach einem Semester keine Lust/Motivation mehr hätte. Besser einen Abschluss als tausend angefangene und abgebrochene.
Aber um nochmal auf das Fördern zurückzukommen: Meine Eltern haben mich immer dazu gefördert 'durchzuhalten', wenn man das so sagen kann. Die Schule, das Studium, irgendwelche Sportvereine/Musikschulen. Teilweise bin ich da auch dankbar für, weil ich ohne ihre ständigen Anschubser vermutlich die Schule irgendwann nicht mehr besucht hätte oder mein Studium jetzt abgebrochen hätte und nicht wüsste, was ich tun soll.